1 / 𝘊𝘊 𝘪𝘴 𝘧𝘰𝘳 𝘊𝘦𝘤𝘪𝘭𝘪𝘢

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Als Vincent sich mir vergangene Woche vorgestellte, mochte ich ihn von der ersten Sekunde. Seine Eltern stammten ursprünglich aus Westafrika, weshalb seine Haut viel dunkler war als meine. Seine braunen Augen waren stets voller Leben und strahlten eine Energie aus, die ich beneidete. Außerdem wusste er nahezu alles über jeden aus der Schule, weil er überall gute Kontakte besaß, die ihm Informationen zukommen ließen.

Wir verstanden uns auf Anhieb. Von ihm hatte ich alle Informationen über Cecilia und dem Rest meiner Klasse. Dank ihm fühlte es sich an, als wohnte ich schon länger als eine Woche am traumhaften Strand von Miami Beach.

Hier zu wohnen fühlte sich unbeschreiblich an, aber ich konnte mich noch nicht richtig darüber freuen, wie ich eigentlich sollte. Der Grund für unseren Umzug lag schlicht und einfach daran, dass mein Vater nach einem jahrelangen Kampf gegen seine Krankheit starb. Meine Mutter entschied sich anschließend seinen letzten Wunsch zu erfüllen, der schlicht und einfach besagte, dass wir glücklich werden sollten.

Vor seinem Tod investierte er einen Teil seines Geldes in unser neues Haus, ein kleines Familienhaus mit Strandblick. Er hatte gewusst wie sehr meine Mutter den Strand liebte und wie lange sie seinetwegen darauf verzichtet hatte. Mit seiner kleinen aufmerksamen Tat zauberte Dad mir auch nach seinem Tod ein Lächeln ins Gesicht. Bis zu seinem Tod dachte er immer nur an uns.

Mein Handy - ebenfalls ein Geschenk von Dad - klingelte. Vor zwei Monaten hatte er noch gelacht uns gemeint, ich könne ihn damit im Himmel anrufen. Seltsamerweise musste ich immer daran denken, wenn ich es in die Hand nahm. Und es machte mich sehr traurig.

,,Bist du endlich fertig, Leroy? Ich warte schon seit zehn Minuten vor deinem Haus. Wenn du jetzt nicht endlich kommst verpassen wir Englisch... was andererseits auch kein großer Verlust wäre", vernahm ich Vincents Stimme durch meinen Lautsprecher.

Ich schaute auf die Uhr. Schon so spät?

,,Ich bin gleich da. Es ist viel zu früh, um anständig zu denken."

,,Beeil dich einfach. Keine Lust schon wieder bei der Sporthalle zu parken."

Nach einer Woche sollte ich mich langsam gewöhnen, dass Vincent viel war, womit ich mich nicht identifizieren konnte- ein Morgenmensch zum Beispiel. Vincents Energie ging ihm offensichtlich nie aus. Egal wann wir uns trafen... Müdigkeit kannte er nicht.

Schnell nahm ich meine Tasche und eilte die Treppe hinunter.

,,Bin in der Schule, Mom!", rief ich meiner Mutter ins Wohnzimmer zu und öffnete unsere Haustür. Leider reichte es nicht mehr für Frühstück.

Vincents Auto stand ziemlich schräg geparkt in unserer Einfahrt. Die Fensterscheibe wurde heruntergefahren und Vincents Kopf erschien dahinter.

,,Da ist er ja! Bereit für den letzten Tag vor dem Wochenende?", rief er mir zu und lachte, als ich meine Tasche auf die Rückbank warf und mich auf den Beifahrersitz setzte.

,,Nach diesem Tag habe ich meine erste Woche an der neuen Schule überlebt", antwortete ich grinsend, während mein neuer Kumpel ziemlich rasant rückwärts aus unserer Einfahrt fuhr und die Musik lauter drehte.

,,Das sollte dringend gefeiert werden. Kommst du heute Abend mit an den Strand? Paola hat mich und ein paar andere eingeladen. Umso mehr, umso besser."

,,Lässt du mir überhaupt die Möglichkeit, nein zu sagen?"

Vincent grinste. ,,Steht nicht zur Auswahl, Kumpel. Aber wieso solltest du auch ablehnen? Cocktails, Musik, heiße Ladys... für jeden etwas dabei."

Ich lachte und dachte über Vincents Vorschlag nach. Seit Dads Tod war ich auf keiner Party mehr gewesen und auch davor kaum, weil ich so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollte. Ich wusste was er sagen würde.
Geh auf diese Party und lebe dein Leben. Nimm jede Erinnerung mit, die du bekommen kann. Wenn du das Leben wie eine glückliche Party betrachtest, dann ist es doch eigentlich schön.

Er hatte recht. Ich konnte selbst beeinflussen ob ich die Trauer die Oberhand über mein Leben gewinnen lassen wollte oder das Glück. Dad wäre enttäuscht gewesen, wenn ich die Trauer wählte. Er wollte immer nur das beste für mich.

,,Schon gut, du hast mich überzeugt. Ich bin dabei."

Vincent grinste zufrieden, als er merkte, dass ich nicht mehr widersprechen wollte.

Mittlerweile erreichte er die Schule und den Parkplatz, der sich langsam aber sicher füllte. Das Chaos am Morgen war riesig. Etliche Schüler versammelten sich an den Autos, redeten miteinander, rauchten noch eine vor der Schule oder warteten auf Freunde.

Vincent suchte sich eine freie Parklücke, holte aus und schlug dann ein.
,,Paola hat übrigens versprochen, dass..."
Während er sprach und kurz zu mir schaute entglitt ihm das Lenkrad, als wir noch ziemlich schräg in der Parklücke standen.

,,Pass auf!", rief ich entsetzt.

Das Auto rollte aber weiter und rammte das weiße Auto neben uns seitlich. Es schepperte und ich zuckte erschrocken zusammen.

,,Das klang beschissen", murmelte Vincent und knirschte mit den Zähnen. ,,Verdammt! Sieh dir die Nobelkarre an. Wieso konnte ich nicht die Schrottkarre rechts rammen?"

Glücklicherweise schaffte Vincent es noch die Bremse zu betätigen, sodass der Schaden nicht verschlimmert werden konnte und ich machte einen Satz nach vorne und wurde etwas in den Gurt gedrückt. Meiner Meinung nach machte es kaum einen Unterschied ob er das Auto links oder rechts rammte. Der Besitzer würde in beiden Fällen nicht begeistert sein.

Dieses scheppernde Geräusch wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen.
Auch nicht als Vincent den Rückwärtsgang einsetzte und richtig einparkte. Ich bewunderte ihn dafür, dass er das noch tat, denn ich sah schon im Rückspiegel wie sich eine ganze Schar von Schülern neugierig um uns versammelte.

Alle wollten einen Blick auf die eingedellte Tür des weißen Autos erhaschen.

,,Okay Vince... ganz ruhig. Wir steigen aus und versuchen den Schaden zu klären. Vielleicht... Ist es nicht so schlimm wie wir denken..."

Ein Blick auf die eingedellte Tür des weißen Autos sagte aber etwas anderes.

,,Hast du dir das Auto mal angesehen, Lee? Besitzer von solchen Autos sind nicht einsichtig, selbst wenn sie Geld ohne Ende besitzen. "

Ich versuchte die Ruhe zu bewahren, verstand ihn aber. ,,Okay, du bleibst sitzen. Ich seh mir das an."

Noch bevor er etwas erwidern konnte stieg ich aus, gefolgt von den hungrigen Augen zahlreicher Schüler. Ich lief um Vincents schwarzen Wagen herum, bis ich die Delle in der Tür der weißen "Nobelkarre" näher betrachten konnte.

Nicht zu übersehen.

Und als ob es nicht schlimmer kommen konnte, las ich das Nummernschild. Besser gesagt, die Buchstaben auf dem Nummernschild.

CC

Im selben Moment öffnete sich die Fahrertür. Ein Mädchen stieg aus, die blonden Haare zu einem strengen Dutt gebunden und die obligatorische versiegelte Sonnenbrille ins Haar geschoben.

Sie lief um ihr Auto herum und ihre grünen Augen weiteten sich, als sie die Delle zum ersten Mal sah.

Schüler zückten ihre Handys um nichts zu verpassen und ich seufzte leise.

Wieso musste Vincent von allen möglichen Schülern ausgerechnet Cecilia Colorados Auto rammen?

Barbie DevilishWhere stories live. Discover now