6 / 𝘦𝘷𝘦𝘳𝘺 𝘲𝘶𝘦𝘦𝘯 𝘸𝘪𝘭𝘭 𝘧𝘢𝘭𝘭

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Am Montag lernte ich Bree Davenport kennen. Auf den ersten Eindruck hin hielt ich sie für ein quirliges, aber etwas schüchternes Mädchen. Unter den anderen ging sie ein bisschen unter, weil sie eben keine der lauteren Mädchen war und sich nicht in den Mittelpunkt drängte. Außerdem war sie klein und zierlich, hatte die dünnen braunen Haare zusammengebunden und hatte süße Sommersprossen auf den blassen Wangen, die ihr Gesicht zwar jünger, aber auch interessanter machte.

Vincent stellte mir Bree beim Mittagessen vor. Etwas schüchtern streckte sie mir die Hand entgegen und lächelte nervös, als ich sie schüttelte.

Die Begründung wieso er uns einander vorstellte... Vincent wollte, dass sie selbstbewusster wurde und er wollte für mich, dass ich mehr als nur einen Freund- sich selbst natürlich- besaß. Offensichtlich besaß Bree nicht viele Freunde. Sie erklärte mir, dass sie oft alleine aß. Vincent mochte sie von allen am liebsten und er unterstützte sie wohl auch viel. Er erklärte mir, dass er früher die Hausaufgaben von Bree abschrieb und so freundeten sie sich mit der Zeit an. Mittlerweile bestand ihre Freundschaft nicht mehr aus abgeschriebenen Hausaufgaben - die Vincent seit einer Weile nämlich überhaupt nicht mehr nachte -, sondern aus Vertrauen.

Ansonsten antwortete sie eher knapp auf meine Fragen, aber Vincent erklärte mir, das das noch käme und Bree eben Zeit brauchte, bis sie "auftaute".

Gerade erklärte sie mir, dass sie in ihrer Freizeit gerne zeichnete und schwimmen ging, als sie von jemand anderem unterbrochen wurden.

,,Sieh an, die graue Maus ist wieder da", hörte ich Cecilias Stimme hinter uns. ,,Letzte Woche warst du nicht in der Schule. Dabei haben wir dich so unglaublich vermisst."

Der herablassende Ton in ihrer Stimme ärgerte mich ein bisschen. So offensichtlich fies hatte ich Cecilia noch nie reden gehört. Normalerweise machte sie das nicht auf diese Weise. Ganz eindeutig konnte sie Bree aus einem besonderen Grund nicht leiden.

Vincent verdrehte die Augen. ,,Verzieh dich, Barbie", wies er sie an. ,,Wir führen gerade ein Gespräch."

Cecilia aber setzte sich an unseren Tisch, schob sich dazu einem Stuhl direkt zwischen Bree und mich und stellte ihren Teller schleppend ab.

Flankiert wurde sie von Paola und Larissa - beide setzten sich gegenüber. Vincent nannte die beiden Cecilias Schoßhündchen. Die drei waren anscheinend nicht richtig befreundet- zumindest nicht aus Cecilias Sicht.
Angeblich interessierte Cecilia sich einen Dreck um die beiden, aber sie folgten ihr meistens dennoch. Wenn sie sich immer so aufgedreht wie auf der Party verhielten, wunderte es mich aber auch nicht.

,,Aber, aber. Ich werde doch wohl Bree begrüßen dürfen", meinte Cecilia nur und spießte mit ihrer Gabel ein Stück Steak auf.

,,Willst du nicht hallo sagen, Bree?"
Cecilia lächelte, aber ihre Stimme klang so kalt, dass Bree erschauerte und den Kopf schüttelte.

Cecilia wandte sich daraufhin an mich und ihr lächeln blieb bestehen wie in Stein gemeißelt. Es war genauso wenig echt wie das auf dem Bild. Ich dachte an den dazugehörigen Kommentar auf Instagram.

Dein Lächeln ist psycho

In diesem Moment gab ich dem Kommentarschreiber recht.

,,Leroy. Willst du Bree nicht sagen, dass sie mich begrüßen soll?", fragte sie nun mich und richtete die stechend grünen Augen auf mich. Wie konnte jemand solch grüne Augen und wunderschöne Augen haben?

Ich räusperte mich. ,,Ich denke, dass Bree selbst entscheiden kann, wen sie begrüßt. Da sie nicht gerade von deiner Anwesenheit begeistert zu sein scheint, bitte ich dich, jetzt zu gehen."

Bree lächelte mich dankbar an, aber ich wusste das ich es damit nicht unbedingt besser machte. Mädchen wie Cecilia fanden in diesen Aussagen gefundenes Fressen. Tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht. Ihre kalte Hand lag plötzlich auf meinem Oberschenkel und ließ mich innerlich erschaudern. Mein Herz schlug schneller, sodass ich es förmlich hören konnte wie es versuchte die Beherrschung zu erhalten.

,,Sieh an, sieh an. Die kleine Bree hat endlich ihren Beschützer gefunden", flüsterte Cecilia leise. ,,Du enttäuscht mich wirklich nicht, Leroy. Ich wusste du bist ein braver Junge, der die Schwächeren verteidigt. Aber bedauerlicherweise rutscht du damit selbst ans Ende der Nahrungskette. Schule ist ein einfaches System. Paola?"

Paola verschluckte sich an ihrem Essen und trank eilig einen Schluck, als ihr Name genannt wurde. ,,Fressen oder gefressen werden", erläuterte das Mädchen schließlich. ,,Du kannst dich für Cecilia entscheiden oder für Looser wie Bree."

,,Niemand muss sich entscheiden", mischte Bree sich mit hochrotem Kopf ein. ,,Lass Leroy in Ruhe. Er hat dir nichts getan."

,,Außerdem nimmt kein normaler Mensch freiwillig dich, wenn er Bree haben kann. Sie ist vieles, was du nicht bist, Cecilia. Sie ist echt", ergänzte Vincent schließlich.

,,Ich möchte dich nur ungern an deine Vergangenheit erinnern, Vincent."
Cecilias Hand auf meinem Oberschenkel versteifte sich, ließ mein Herz noch höher schlagen und ihre scharfen Fingernägel gruben sich in mein Bein. Langsam fuhr sie mit ihrer Hand mein Bein entlang. Jede Sekunde kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Endlich gelang es mir meine Beherrschung zu erlangen und ich legte meine Hand auf ihre, um sie zu stoppen. Ihre Haut fühlte sich wärmer an als erwartet, aber dennoch resigniert und innerlich kühl.

,,Du denkst wohl, dass du hier das Sagen hast, Cece. Deine Arroganz ist deine Krone, aber soll ich dir etwas sagen? Selbst eine Königin wird eines Tages fallen und nach der Highschool wird man sich einem Dreck für dich interessieren. Du hast keine echten Freunde, du willst keine Freunde und du führst dich auf als ob alle nach deiner Pfeife tanzen sollen. Du hast nur dich selbst und deshalb bist du so wie du bist. Damit will ich nichts zu tun haben."

Ich sah zu Bree hinüber, die ganz weiß im Gesicht aussah. Sie vergrub den Kopf in den Händen und auch Vincent schüttelte stumm den Kopf.

Ich wollte fragen was denn plötzlich los war. Hatte noch nie jemand ihr die Meinung gegeigt? Offensichtlich nicht - oder ich hatte etwas übertrieben. Doch die Art wie sie Bree behandelt hatte war mir einfach zu weit gegangen. Was machte Bree den falsch?

Enttäuscht wurde ich von Cecilia nicht. Schon wenige Sekunden nach meiner waghalsigen Rede schlug sie mir mit der flachen Hand ins Gesicht, dass es brannte und schob so laut ihren Stuhl zurück, dass es laut quietschte. Alle Gespräche um uns herum verstummten.

Cecilia war nicht die Art von Mädchen, die laut eine Szene machte. Nein, sie beugte sich vor sodass ihre blonden Haare mein Gesicht kitzelten. Ihr Haar roch mach Zitrone, was ich irgendwie passend fand. Es hatte einen bitteren Beigeschmack.

,,Daddy wäre stolz auf seinen kleinen Sohn", flüsterte sie leise. Niemand anderes hörte es und ich erstarrte. Ich bereute bereits ihr von meinem toten Vater erzählt zu haben. Nun verwendete sie es gegen mich. In ihren Augen allerdings erkannte ich etwas, das ich bisher noch nie sehen durfte. Schmerz, getarnt mit versuchter Ausdruckslosigkeit. Sie mussten sich wohl sehr zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren.

Dann wandte sie sich ab und stolzierte hinaus. Ich hörte nur noch die Absätze ihrer High Heels.

Ich sagte nichts, starrte nur Bree und Vincent an, in der Hoffnung das sie mir eine Erklärung lieferten. Erst als die Tische um uns herum wieder die Gespräche aufnahmen und es lauter wurde, bekam ich die.

,,Niemand nennt sie jemals "Cece" ", flüsterte Bree mir zu und Vincent nickte zustimmend.

,,Wieso nicht?"

,,Das ist eine lange Geschichte. Niemand weiß es"

Bree log. Sie wusste es.

Barbie DevilishWhere stories live. Discover now