4 / 𝘴𝘩𝘦'𝘴 𝘤𝘰𝘭𝘥

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Ich starrte Cecilia hinterher. Souverän ging sie weiter und drehte sich nicht mehr zu mir um. Umstehende lachten, als sie mich sahen, komplett von einem eiskalten Cocktail übergossen. Es war wirklich wie Eiswasser. Die frischen Eiswürfel hatten das Getränk ordentlich gekühlt und natürlich war auch hier ein Farbstoff verwendet worden. Rot. Große Klasse...

Ich fischte mir eine halbe Limettenscheibe aus dem Haar und zog mir das T-Shirt über den Kopf. Immer noch besser oberkörperfrei auf einer Party als ein klatschnasses T-Shirt das aussah, als sei es mit rotem Farbstoff übergossen worden. Außerdem sah ich nicht so schlecht ohne Oberteil aus und konnte das schon sehenlassen

Ich hoffte der Fleck ging jemals wieder raus. Meine Mutter würde sich freuen wenn sie das zu Gesicht bekam.

Cecilias Auftritt blieb mir natürlich im Gedächtnis. Ihre Worte, ich könne dieses Spiel nicht gewinnen. Doch war es das? Ein Spiel? Ich dachte an die großen ausdruckslosen Augen, an die roten Lippen.
Wie ein Racheengel.

Was Cecilia anging wusste ich nur eines mit absoluter Sicherheit: sie hasste mich.

Seltsamerweise hasste ich sie nicht.

Ein lautes Lachen riss mich aus meinen Gedanken. Mein erster Instinkt war, vor Betrunkenen wie Paola und ihre Freundin Larissa Abstand zu nehmen, aber als ich mich umdrehte sah ich in Vincents strahlendes Gesicht.

Endlich. Auch wenn er mich gerade auslachte.

,,Du hast eine Dusche Zuhause oder?", fragte er mich lachend.

,,Das war keine Dusche. Das war Barbie Devilish. "

,,Die Schlange schlägt heute zum zweiten Mal zu... Ach, was das angeht. Mein Vater war zwar wirklich sauer, aber als er sich beruhigt hat meinte er, dass Cecilia zu weit ging. Er schickt ihr die Rechnung."

Meine Augen weiteten sich überrascht. ,,Wirklich?"

Vincent zuckte die Schultern. ,,Denke schon. Der Unfall ist meine Schuld, aber sie hat das Geld abgelehnt. Und sie hat willentlich Sachbeschädigung begangen. Das ist strafbar. Entweder sie zahlt oder mein Vater zeigt sie an. Sie wird mich hassen, aber was solls..  Tut sie das nicht sowieso schon? "

Hier sollte man erwähnen, dass Vincents Vater als Polizist arbeitete. Dennoch war ich mir sicher das Cecilia nicht bezahlte oder sich einen Gegenangriff einfallen lassen würde.

,,Bist du sicher?"

,,Absolut. Und jetzt komm mit. Im Auto hab ich Ersatzklamotten für dich. Seit Paola letztes Jahr einen halben Kuchen nach mir geworfen hat, bin ich diesbezüglich immer vorbereitet. Du kannst unmöglich den restlichen Abend so herumlaufen. Du siehst aus wie ein Looser wenn du dastehst wie ein nasser Pudel."

Vincent lachte leise und warf seinen Autoschlüssel in die Luft um ihn dann wieder zu fangen. Offensichtlich hatte er sich vom morgendlichen Schock erholt und da sein Vater sich wieder beruhigte, war er wieder fast ganz der alte.

💞

Vincents Ersatzklamotten bestanden aus einer Jeans, die mir eigentlich etwas zu eng und klein war - aber immerhin keine roten Flecken aufwies - und einem gelben T-Shirt, das mir absolut nicht stand. Vincent meinte es sähe gut aus, aber das fand ich nicht. Das gelbe shirt konnte er perfekt tragen, weil seine dunkle Haut einen schönen Kontrast dazu abgab. An mir sah es einfach nur beschissen aus.

Doch es erfüllte seinen Zweck.

Zurück auf der Party wurde Vincent ziemlich schnell von Paola unter Beschlag genommen, die sich lachend unter den anderen tanzenden bewegte. Mit Abstand war sie die, die am meisten trank und ich wartete nur darauf, bis sie sich übergab oder es ihr wirklich zu viel wurde.

Da Vincent wirklich gut tanzen konnte fand er sich auch wenig später auf der Tanzfläche. Ich lachte leise, ließ ihn aber und entschied mich lieber noch ein bisschen den Strand entlangzugehen. Die laute Musik wurde mir gerade einfach zu viel.

Je weiter ich mich von der Party entfernte, umso angenehmer wurde die Musiklautstärke. Endlich gab es nur noch mich und das Meer. Obwohl ich es in der Dunkelheit kaum erkannte, starrte ich aufs offene Meer hinaus und dachte an Dad. Ich stellte mir vor wie wir gemeinsam hier standen, aufs Meer starrten und uns über alles mögliche unterhielten. Das liebte ich so an ihm. Mit ihm konnte man über alles reden.

Ich schloss die Augen und sog den salzigen Geru... - nein halt. Es roch nicht mehr nach Salz oder nach Meer.

Eine Rauchwolke kam in meine Richtung und um ehrlich zu sein hasste ich diesen Gestank nach Tabak mehr als alles andere.

Niemals würde ich rauchen.

Ich drehte meinen Kopf nach rechts. Es überraschte mich nicht, Cecilia zu sehen.

Der blaue Fleck auf ihrem weißen Top stach im schwachen Mondlicht heraus und ich gab zu, dass ich vielleicht etwas zu lange darauf starrte, als angemessen wäre.

,,Gelb steht dir nicht", sagte sie direkt, sah mich dabei aber nur mit mangelndem Interesse am.

,,Bist du jetzt zufrieden?", fragte ich und starrte wieder aufs Meer hinaus.

Cecilia schwieg. Bei der nächsten Rauchwolke musste ich husten und verzog das Gesicht wegen dem Gestank. Ich hasste Rauchen.

Da Cecilia nicht antwortete spielte ich mit dem Gedanken weiterzugehen.

Ich wandte mich ab und machte Anstalten zu gehen. ,,Du rauchst nicht, oder?"
Cecilias Stimme klang gleichgültig. Meine Reaktion schien sie auf diesen Gedanken gebracht zu haben.

,,Nein, und du solltest es auch nicht tun. Mein Vater ist dadurch krank geworden, ohne es jemals selbst getan zu haben. All seine Freunde haben geraucht und er hat immer nur daneben gestanden und zugesehen, wie sie sich kaputt machen. Am Ende haben sie aber ihn kaputtgemacht."

Vincent würde mich töten wenn er erfuhr, dass ich Cecilia derartig persönliche Informationen anvertraute. Davor warnte er mich ungefähr jede freie Minute, vor allem seit dem Vorfall mit seinem Auto heute morgen.

,,Alles im Leben ist mit Risiko verbunden", sagte Cecilia und zog erneut an der Zigarette.

Nicht das ich erwartet hatte einen Einfluss über sie zu haben, aber ihre gleichgültige Reaktion tat dennoch weh.

,,Wie geht's deinem Vater?", fragte sie weiter. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, um den Rauch nicht einatmen zu müssen.

,,Er ist gestorben."

Und er hinterließ eine schmerzhafte Leere, die jedes mal zurückkam, wenn ich ihn erwähnte. Ich vermisste ihn einfach nur mit jeder Faser meines Körpers.

,,Das tut mir Leid."
Ihre Stimme ließ keinen Hinweis darauf hören, ob sie es wirklich so meinte.

Darauf wetten würde ich nicht.

,,Ich will kein Mitleid", meinte ich also. Tatsächlich wollte ich kein Mitleid von ihr. Sie behandelte andere schließlich alles andere als gut.

Cecilia lächelte. Es war ein echtes Lächeln, aber auf mich wirkte es eher unheimlich. Ein dunkler Schatten zog sich über ihr Gesicht.  ,,Das war kein Mitleid. Ich habe nie Mitleid. Das Leben ist hart und wenn du es nicht akzeptieren kannst, fickt es dich noch mehr."

Sie hatte tatsächlich kein Mitleid. In diesem Moment wusste ich, dass Cecilia innerlich eiskalt war.

,,Wen hast du verloren?", platzte es aus mir heraus.

,,Meine Unschuld. Mit 14"

Ich brauchte wirklich kurz bis ich kapierte was sie meinte und verdrehte die Augen. Eigentlich überraschte mich diese Reaktion auch nicht wirklich. ,,Und sonst?"

Ich erwartete schon fast, dass sie mich anschrie oder mich wieder schlug, je nachdem zu was sie gerade mehr Lust hatte. Aber das tat sie nicht. Ihre grünen Augen schimmerten viel dunkler im Mondlicht. Finsterer.

,,Mein Herz."

Mit diesen Worten drehte Cecilia sich um und ging davon. Begleitet von einer Wolke aus Rauch.

Ich brauchte eine Weile um zu realisieren, dass Cecilia mir keine Antwort gegeben hatte und dass noch viel mehr Geheimnisse sie umgaben, als ich dachte.

Barbie DevilishWhere stories live. Discover now