21. Tod

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Tote Tiere im Hinterhof und vor dem Restaurant. Zahlreiche Raubüberfälle und Sachbeschädigungen. Und dieses Mal hat es uns erwischt. Mein Blick fällt auf das zerbrochene Fenster. Die Glasscheiben liegen auf dem Boden. Die Eingangstür steht weit offen. Umgestürzte Tische und alle Speisekarten sind im Raum verstreut. Der Laden sieht schrecklich aus. 

Deshalb haben wir heute eine ganz andere Aufgabe zu erledigen. Nämlich: Aufräumen. Jeder Mitarbeiter dieses Restaurants ist hier und muss das Chaos aufräumen, bevor die ersten Kunden den Laden betreten können. Es hat genau eine Stunde gedauert, alles zu beheben. Das Fenster ist kaputt, aber im Moment können wir nichts tun.

Als die ersten Kunden erscheinen, fällt mir auf, dass alle sehr gestresst wirken. Viele Kunden sprechen kein Wort mit mir, sogar die ältere Frau, die sonst sehr gesprächig ist, ist heute still. Die Stimmung ist merkwürdig und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll.

Leonie, die sonst immer fröhlich ist, wirkt angespannt. Ich habe sie noch nie so gesehen. Ständig kaut sie an ihren Fingernägeln oder schaut sich ständig um. Das verwirrt mich.

,,Ich habe Angst", sagt sie leise, als sie vor mir steht. Sie ergreift meinen linken Arm, als ob sie Halt sucht. Ich trete näher an sie heran und berühre ihre Hand. Sie muss sich beruhigen, sonst wird man völlig verrückt.

,,Ich mache mir auch große Sorgen", antworte ich ehrlich und streiche ihr über ihre Hand. Während ich das tue, sehe ich Stefan auf uns zukommen, der schmutziges Geschirr in der Hand hält. Er stellt das Geschirr beiseite und stellt sich dann neben uns.

,,Was ist los mit euch? Stimmt etwas nicht?", fragt er besorgt und zieht seine Augenbrauen zusammen. Wir sagen nichts. Offenbar weiß Leonie nicht, was sie sagen soll. Ich erwidere auch nichts.

,,Spuckt's aus. Was ist nur los? Warum benimmt ihr euch so komisch?"

Stefan seuftzt. Leonie zieht ihre Augenbrauen zusammen und lässt mich los.

,,Bist du blind, Stefan? Schau dich doch mal um!", sagt Leonie wütend und deutet auf die Kunden. Ich beiße mir auf die Zunge. Es ist besser, wenn ich ruhig bleibe. Ich presse die Lippen zusammen und schaue sie von der Seite an.

,,Das weiß ich doch! Aber wir müssen arbeiten, sonst kriegen wir noch Ärger von dem Arschloch", zischt er zu Leonie. In letzter Zeit sind alle genervt, auch Stefan und Leonie.

,,Stefan", beginnt Leonie, stockt dann, weil sie nicht mehr weiß, was sie sagen soll. Sie schüttelt nun den Kopf.

,,Eben! Macht euch an die Arbeit, ihr nutzlosen Menschen!", kommentiert der Koch plötzlich und stellt die nächste Bestellung auf den Tisch. Wir erschrecken uns. Stefan entschuldigt sich sofort und nimmt die Bestellung entgegen. Der Koch betrachtet Leonie mit einem bösen Blick. Sie entschuldigt sich und macht sich wieder an die Arbeit.

,,Du auch!", sagt er laut und schließt dann das kleine Fenster an der Wand. Ich atme tief ein und aus. An der Theke ist niemand. Also räume ich das Geschirr ab.

Die Stille währt nicht lange. Plötzlich höre ich ein lautes Geschrei. Einige Leute streiten sich wieder. Ich trockne meine Hände und betrachte die Situation. Zwei fremde Gestalten schubsen und bedrohen sich gegenseitig. Ich verstehe kein einziges Wort, aber ich bin sicher, dass es nichts Gutes bedeutet.

Stefan rennt auf die andere Seite des Lokals, um viel Abstand zwischen sich und den beiden zu bringen. Leonie folgt ihm und versucht, unbemerkt zu bleiben. Ich schlucke. Die gleiche Situation wie früher. Aber dieses Mal ist die Angst größer als zuvor.

Die beiden Gestalten sind größer und massiver. Sie wirken wie zwei Bären, die aufeinander losgehen und sich zerfetzen wollen.

,,Du! Beweg dich und pass auf, dass niemand etwas auf den Boden schmeißt", schreit der Koch und wirft mich mit einem Messer ab, wie er es damals getan hat. Ich weiche ihm aus und greife nach dem Messer. Diesmal ist das Messer sogar scharf. Ich atme laut aus.

Was soll ich bitte tun? Ich kann mich doch nicht zwischen den beiden stellen. Das wäre doch Selbstmord! Ich schlucke den Kloß herunter, der sich in meinem Hals gebildet hat. Das ist doch verrückt. Warum schickt er mich immer in diese Situationen? Macht er es mit Absicht?

,,Ich kann nicht", stottere ich und sehe den grünen Kerl an, der sich in der Küche versteckt. Er fletscht seine Zähne. Der Koch ist wieder wütend.

,,Du dummes Ding! Kein Streit ist erlaubt! Beweg deinen Arsch und sag den beiden, dass sie aufhören sollen. Hast du es kapiert? Oder soll ich dich lieber jetzt umbringen?", zischt er und zeigt mit den Finger auf die Streitlustigen. Ich schlucke.

Was soll ich nur tun? Soll ich gehen und wieder mein Leben riskieren? Verdammt, warum gerade ich? Warum nicht Leonie oder Stefan? Ich schüttele mein Kopf als ich merke, was ich gerade gedacht habe. Das ist nicht fair. Plötzlich kommt mir ein anderer Gedanke hoch. Noe ist hier. Er wird mich beschützen. Genau. Er hat mich schon die ganze Zeit beschützt.

Kurz schließe ich meine Augen und nehme einen tiefen Atemzug. Mit zitternden Händen laufe ich auf die beiden Monster zu und halte dabei einen großen Abstand zwischen ihnen.

,,Entschuldigung! Hallo! Entschuldigen Sie, bitte streiten Sie sich nicht mehr! Streiten ist verboten!", rufe ich. Die beiden bleiben tatsächlich stehen. Sie sehen mich an und sagen etwas zu mir, das ich nicht verstehe. Ich bin mir sicher, dass sie mich beide beleidigt haben. Ich schlucke. Mein Herz rast heftig in meiner Brust.

,,Es tut mir leid, dass ich euch beide störe. Aber Streiten ist nicht erlaubt", wiederhole ich mich und versuche, so ruhig wie möglich zu klingen. Die beiden starren mich wütend an. Die Atmosphäre im Restaurant ist so angespannt, dass ich mich nicht traue, den Blick abzuwenden. Keiner der beiden bewegt sich auch nur einen Zentimeter.

Aus irgendeinem Grund bemerke ich aus den Augenwinkeln, dass Stefan neben mir steht und dann sagt: ,,Ich bitte euch, das Restaurant zu verlassen. Sie dürfen sich nicht streiten".

Die nächsten paar Sekunden vergehen viel zu schnell. In einem Moment steht Stefan neben mir und im nächsten Moment liegt er mit aufgerissener Brust auf dem Boden. Ich hebe meinen Blick wieder und sehe das Monster, das Stefans Herz in der Hand hält. Ich wende meinen Blick von den beiden zu Stefan und dann wieder zurück. Beide grinsen mich dreckig an.

Ich kämpfe mit den Tränen und versuche, keine Schwäche zu zeigen, aber es ist so schwer. Ich schnappe nach Luft und trete langsam einen Schritt zurück. Warum kann ich nicht atmen? Ich kann nicht atmen! Verdammt, ich kann nicht atmen! Ich greife nach meinem Hals.

Beruhige dich, Amelie. Atme ein und aus. Das ist alles nicht real. Ich habe nur geträumt. Atme ein und aus. Ein und aus.


Im Hintergrund höre ich die Schreie von Leonie. Mein Blick weicht nicht von den beiden Monstern. Dieses Grinsen...

Die Tränen fließen nur so über mein Gesicht und nehmen mir den Blick auf die beiden. Alles verschwimmt vor meinen Augen. Das Zittern in meinen Beinen nimmt zu. Einer der Monster macht ein Schritt auf mich zu. Der andere betrachtet das blutige Herz in seiner Hand.

Meine Knie geben nach und dann falle ich zu Boden. Ich kann es nicht mehr aushalten. Mein Schlucken ist überall zu hören. Ich halte es nicht mehr aus. Ich brauche Luft, aber ich komme nicht weg.

Und dann erscheint sie. Ganz langsam spüre ich, wie sich die Atmosphäre im Restaurant verändert. Wie ein Nebel kriecht dieses Etwas durch das ganze Restaurant. Und dann verliere ich die Kontrolle.

Ich sehe, wie das Grinsen aus ihren Gesichtern verschwindet und sich die Todesangst in ihren Augen spiegelt. Ich lächle innerlich, als ich diese Situation sehe.

Im Hintergrund bemerke ich die schweren Schritte und dann taucht er auf.

Noe ist gekommen und wird uns retten.

Monster -Die schöne IllusionWhere stories live. Discover now