24. Unfall

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,,Du dummes Ding. Ich habe dir gesagt, du sollst schneller arbeiten! Warum machst du deine Arbeit nicht einmal besser?", schreit der Koch den neuen Kollegen an. Heute ist der Koch wieder schlecht gelaunt und versprüht eine unangenehme Atmosphäre unter allen Mitarbeitern.

Heute läuft alles schief, was normalerweise nicht passieren würde. Ich habe schlecht geschlafen und bin fast zu spät gekommen. Ich habe dem neuen Kollegen geholfen und dabei fast ein paar Fehler gemacht. Ich habe mir mit einigen Bestellungen zu viel Zeit gelassen und wurde von dem Koch geärgert. Leonie ignoriert mich und zeigt mir die kalte Schulter, weil ich nicht mit ihr den Platz an der Theke tauschen will. Ich bin mehrmals fast ausgerutscht, weil der Boden nass gewesen ist und ich werde dieses Pech einfach nicht los. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich machtlos und schwach. Als ob das Universum gegen mich spielt und mir alles kaputt machen will, damit ich endlich ins Grab gehen kann.

,,Auf Wiedersehen und einen schönen Tag", sage ich und verabschiede mich von einem Kunden. Der Kunde wartet nicht, bis ich zu Ende gesprochen habe, sondern geht zum Ausgang des Restaurants. Kurze Zeit später hat er das Restaurant verlassen.

Als ich aus dem Fenster schaue, erkenne ich schon von weitem meinen Chef, der in das Restaurant steuert. Sekunden vergehen und dann klingelt es an der Eingangstür. Langsam geht er ins Restaurant und bleibt dann plötzlich stehen. Irritiert starre ich ihn an. Was ist nur los mit ihm? Ist etwas passiert?

Ich wende meinen Blick von seinem Gesicht ab und schaue nach unten. Warum hebt und senkt sich seine Brust so sehr? Warum sind seine Hände zu Fäusten geballt? Ich spanne meinen Kiefer an. Warum sieht er so blass aus?

,,Du dummes Vieh, kannst du mich nicht hören? Du solltst die Bestellung entgegen nehmen!", nehme ich im Hintergrund wahr. Dann spüre ich Leonie neben mir. Sie kneift mich in den Arm und zeigt auf den Koch, der mich wütend anschaut. Ich ignoriere ihn und schaue wieder meinen Chef an.

Warum bewegt er sich nicht? Warum geht er nicht in sein Büro? Die Unterhaltungen im Restaurant verstummen. Einige Kunden stehen auf, sehen ihn verwirrt an und versuchen, ihn anzusprechen, aber er antwortet nicht. Plötzlich sehe ich den Koch neben meinem Chef stehen. Warum ist er jetzt hier? Mein Herz beginnt heftig zu rasen. Nein, nein, nein.

,,Spürst du das, Amelie?", höre ich Leonie sagen. Sie sieht mich nun besorgt an. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was sie sagt. Und dann verstehe ich, was sie meint. Es ist elektrisierend, die Spannung ist im ganzen Raum zu spüren, als ob jeden Moment etwas platzen könnte.

,,Ich spüre es auch", antworte ich leise.

Die Dominanz ist so stark im Raum zu spüren, dass ich kaum atmen kann. Leonie lässt von mir ab und versteckt sich hinter mir. Ich sehe, wie einige Kunden das Restaurant verlassen und dann Minuten später alle Kunden draußen sind. Diese Stille wieder. Panisch schnappe ich nach Luft.

Plötzlich spuckt mein Chef Blut, ein paar Sekunden später fällt er auf die Knie und kippt dann zur Seite. Die Anspannung ist verschwunden und wurde durch pure Angst ersetzt. Er ist verletzt. Verdammt, er ist verletzt!

,,Alle raus hier, sofort! Auf eure Zimmer, sofort!", schreit der Koch und hebt seinen Freund ein Stück hoch. Er öffnet das Hemd seines Freundes. Schon von weitem ist ein tiefer Schnitt zu sehen. Warum habe ich es nicht bemerkt? Meine Hände beginnen zu zittern. Das kann doch nicht sein!

,,Raus mit euch, ihr miesen Schweine", schreit der Koch, während er seinen Kopf zu uns dreht. Ich höre, wie sich das kleine Fenster hinter mir schnell schließt, das die Küche von der Theke trennt. Leonie zerrt an meinem Arm. Jeder geht in sein Zimmer.

,,Wir sollen gehen! Komm schon, bevor wir in Schwierigkeiten geraten", sagt sie verzweifelt und zieht mich mit sich. Ich folge ihr, ohne mich zu wehren. Als sie in ihr Zimmer geht und ich in meins, warte ich ein paar Minuten, um wieder das Zimmer zu verlassen. Ich laufe die Treppe hinunter. Ich muss zurück!

,,Hey, wach auf. Komm schon, du machst mir Angst", höre ich den Koch. Er hält plötzlich eine Nadel mit einem Faden in der Hand und näht die Wunde zu. Ich beobachte ihn nur schweigend. Mein Chef reagiert nicht. Ein paar Minuten später ist die Wunde geschlossen, aber mein Chef macht keine Anstalten, aufzustehen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich. Er ist noch am Leben.

,,Verdammt noch mal. Warum kannst du nicht vorsichtiger sein? Scheiße...", sagt der Koch, dann sagt er etwas in seiner Sprache und steht auf. Er dreht sich um und sieht mich. Seine Augen weiten sich.

,,Du! Was machst du hier?", sagt er überrascht und macht ein paar Schritte in meine Richtung. ,,Hast du keine Ohren im Kopf oder was verstehst du nicht? Soll ich dir deine nutzlosen Ohren abschneiden, damit du endlich verstehst?"

,,Darf ich helfen?", frage ich und laufe zu ihm. Ich muss stark sein! Er hat mir auch die ganze Zeit geholfen, jetzt bin ich dran! Ich kann das schaffen!

,,Er braucht Ruhe", sage ich und knie mich hin, schließe sein offenes blutiges Hemd und sehe dann den Koch an. Der Koch reagiert nicht schnell, aber dann packt er Noes Oberkörper und sagt mir, ich solle seine Beine festhalten, damit wir ihn in sein Büro tragen können.

Zehn Minuten später stehen wir in seinem Büro mit dem regungslosen Körper unseres Chefs. Der Koch öffnet eine weitere Tür, die ich in seinem Büro noch nie bemerkt habe, und dann gehen wir hinein. Es ist sein Schlafzimmer. Wir legen ihn in sein Bett.

,,Er wird wieder aufwachen, da bin ich mir sicher", sagt der Koch als er mich mustert. Ich nicke.

,,Du kannst zurück gehen. Ich brauche deine Hilfe nicht mehr", sagt er und zeigt auf die Tür.

Ich beiße mir auf die Lippe.

,,Ich will hier bleiben", sage ich mit einer kraftvollen Stimme. Er sieht mich kurz an, dann nickt er und verlässt dann den Raum.

Jetzt sind wir beide allein. Mein Boss und ich.

Monster -Die schöne IllusionWhere stories live. Discover now