26. Opfer

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Nachdem der Koch mich allein gelassen hat, bin ich wieder ins Schlafzimmer gelaufen. Ich sitze gerade neben meinen Chef auf seinem Bett und betrachte ihn. Ich fühle mich schlecht.

Ich weiß, dass der Koch recht hat. Ich bin ein Mensch, der sich dummerweise in ein Ungeheuer verliebt hat. Ich weiß selbst nicht, wie das passieren konnte, aber ich kann diese Gefühle nicht mehr ändern. Ich möchte in seiner Nähe sein und ihm so gut wie möglich helfen, auch wenn ich nur ein einfacher Mensch bin.

Er schläft immer noch. Er sieht so gequält aus und es tut mir so leid, was ihm passiert ist. Am liebsten hätte ich gerne Antworten auf meine Fragen, aber so wie es der Schicksal will, muss ich erst auf Noe warten. Was ist mit ihm passiert? Wer hat es getan und warum? Warum hat er sein Büro verlassen? Zu viele Fragen, aber keine Antwort.

Jeden Tag erzähle ich ihm, was ich im Restaurant erlebt habe, weil ich weiß, dass er es gerne wissen möchte. Ich habe ihm von meiner Vergangenheit erzählt, von Dingen, die ich nicht gerne ausspreche. Aber ich habe es trotzdem getan, weil ich mit ihm reden wollte. Ich will, dass er alles über mich erfährt. 

Ich weiß, es ist dumm von mir, mit jemandem zu reden, der mir nicht antwortet. Aber ich habe das Gefühl, dass ich ihm auf diese Weise nahe sein kann.

Es ist schrecklich, ihn so schwach zu sehen. Der Koch sagt, dass er bald aufwachen wird und dass er nicht tot ist.

Warum schläft er immer noch? Warum wacht er nicht endlich auf? Weiß er denn nicht, dass ich ihn vermisse? Dass ich ihn liebe? Meine Gedanken klingen so lächerlich. Ich klammere mich so sehr an einen Mann, der mich nicht einmal liebt, aber er hat mich auch nicht zurückgewiesen. Und warum nicht? Vielleicht, weil er es nicht will? Vielleicht, weil er die Aufmerksamkeit von mir möchte? Oder weil er mich auch liebt? Ich weiß es einfach nicht...

Ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue auf das Messer, das auf dem Nachttisch liegt. Ich habe das Messer benutzt, um einen Apfel in kleine Stücke zu schneiden, damit ich ihn später essen kann. Ich greife nach dem Messer und schaue es mir an. Es fühlt sich nicht ganz scharf an, aber mit ein wenig Druck würde es seine Aufgabe erfüllen. Ich spanne meinen Kiefer an. Sollte ich das wieder tun? Würde es helfen? Könnte ich ihm auf diese Weise helfen? Mein Herz beginnt zu rasen. Ich atme laut aus.

Ich tue es nur für ihn.

Langsam setze ich die Spitze des Messers an meine Hand und drücke zu. Blut strömt aus dem Riss. Ich drücke noch ein bisschen mehr, damit noch mehr Blut herauskommt. Ich gehe näher an ihn heran und öffne mit einer Hand seinen Mund, während ich meine blutige Hand über seinen Mund lege. Ich spüre, wie warm sich meine Hand anfühlt. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Ich spüre, wie das Blut meine Hand verlässt.

Es ist die richtige Entscheidung. Nur so kann ich ihm helfen. Er braucht mich. Er braucht mein Blut.

Ich brauche ihn.

Plötzlich spüre ich einen Druck auf meiner Hand. Mein Kopf dreht sich schnell zu ihm. Er bewegt sich. Er trinkt mein Blut. Glückshormone strömen durch meinen Körper. Er bewegt sich wirklich! Seine Augen sind offen!

,,Du bist wach!", sage ich voller Freude und streiche mit meiner anderen Hand über seine Wange. Er ist wirklich wach.

Er saugt an meiner Hand, als ob sein Leben davon abhinge. Ich lasse alles zu und beobachte ihn dabei. Die Atmosphäre verändert sich langsam. Es fühlt sich an, als würde seine Anwesenheit immer stärker werden. Minuten vergehen und ich spüre einen Druck in meinem Brustbereich. Die Luft zum Atmen wird mir weggenommen. Panisch versuche ich, nach Luft zu schnappen, aber es wird nicht besser.

,,Noe, ich... ich ... mir geht es nicht gut", stottere ich und versuche, das letzte Wort so deutlich wie möglich auszusprechen.

Ich sehe ihn an. Seine eiskalten blauen Augen bohren sich in meine und dann ist es vorbei. Seine Augen verschwinden und Schwärze erscheint.

Monster -Die schöne IllusionWhere stories live. Discover now