27. Zuhause

96 4 0
                                    

,,Kannst du nicht einmal zuhören, was ich dir sage? Warum musst du dich in jede Kleinigkeit einmischen? Ich kann anziehen, was ich will. Wenn ich will, dann ziehe ich ein rotes T-Shirt an. Das geht dich nichts an", schreit eine männliche Stimme. Wer ist das?

,,Rot ist hässlich und steht dir nicht. Du ziehst damit nur die Aufmerksamkeit auf dich. Warum achtest du nicht einmal auf dich? Zieh etwas anderes an!", ruft eine weibliche Stimme. Schritte sind im Hintergrund zu hören.

Die Ruhe, die ich noch gehabt habe, ist verschwunden. Es fängt wieder an lauter zu werden. Was soll das? Was ist hier nur los? Wo bin ich?

,,Warum kannst du mich nicht einfach in Frieden lassen?", brüllt er los.

Langsam öffne ich meine Augen und schaue an die weiße Zimmerdecke über mir. Ich drehe mich zur Seite und sehe den braunen Schrank. Ich streiche mir über die Stirn, um die Kopfschmerzen zu vertreiben, aber ohne großen Erfolg. Wo bin ich? Und warum tut mir der Kopf so weh?

,,Fass mich nicht an! Ich ziehe an, was ich will! Verpiss dich und rühr mich nicht an. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten", höre ich die Stimme sagen. Es ist mein Vater.

Kurz kneife ich meine Augen zusammen, dann setze ich mich in wenigen Sekunden auf und schiebe dann die Decke zur Seite. Meine Eltern streiten sich wieder.

,,Du siehst aus wie ein Clown. Du bist so peinlich!", schreit meine Mutter. Ein paar Sekunden später höre ich meine Mutter laut schreien. ,,Du Arschloch, du hast mir weggetan! Was habe ich denn gesagt? Ich habe nichts Falsches gemacht"

Ich stehe auf und sehe mich in mein Zimmer um. Die Vorhänge verdunkeln mein Zimmer, meine Kleider liegen überall auf dem Boden. Verdammt, warum habe ich solche Kopfschmerzen. Warum ist mir noch schwindelig? Was ist gestern passiert, dass ich mich so schlecht fühle?

,,Dann lass du mich in Ruhe! Warum musst du mich jeden Morgen nerven und mir den Tag versauen. Deinetwegen will ich nicht einmal nach Hause gehen. Kannst du nicht einmal die Klappe halten? Sprich einfach nicht mit mir. Was ist daran so schwer?, schreit mein Vater.

Ein Knall. Es ist die Haustür. Mein Vater rennt weg.

Schwere Schritte kommen näher und näher. Ich halte den Atem an. Es geht gleich los. Die Tür wird aufgerissen und meine Mutter sieht mich mit dicken, verquollenen Augen an. Sie weint wieder.

,,Hast du das gehört? Wie kann er nur so mit mir reden? Was habe ich gesagt, dass er so ausrastet?", sagt sie und macht einen Schritt ins Zimmer. Sie wischt sich die Tränen weg und sieht mich dann an.

,,Warum stehst du nicht auf? Weißt du nicht, dass dein Onkel kommt? Zieh dich an, damit wir uns vor unserer Familie nicht blamieren", sagt sie plötzlich und reißt mir die Decke aus der Hand, die ich fest eingewickelt habe.

,,Steh auf und mach dir etwas zu essen. Das Haus muss geputzt werden, bevor die Gäste kommen."

Ich antworte nicht. Ich stehe auf und tue, worum sie mich bittet. Sie greift in den Schrank und holt die Kleider, die ich anziehen soll. Sie sagt mir, wie ich mir die Haare machen soll. Danach sagt sie mir, dass ich etwas essen soll. Ich tue, was sie mir befiehlt. Es hat auch keinen Sinn, mit ihr zu streiten. Ich tue es einfach. Das ist bei allem viel einfacher.

Nach ein paar Stunden sind meine Verwandten gekommen. Es ist anstrengend gewesen, aber irgendwie habe ich das alles ausgehalten. Als es schließlich Mitternacht wurde und alle Verwandten weg waren, konnte ich mich endlich in mein Bett legen. Der Tag ist hektisch gewesen. Laute Stimmen, lautes Lachen, Familienmitglieder, die ich seit Monaten nicht mehr gesehen habe und zu denen ich kein gutes Verhältnis habe. Es fühlt sich alles so schrecklich an. Als ob ich eine Lüge leben würde. Keiner kümmert sich wirklich um mich. Ich spreche, wenn man mich etwas fragt, ansonsten sitze ich in einer Ecke und höre zu. Die Kopfschmerzen hören einfach nicht auf.

Jetzt, wo ich in meinem Bett liege, merke ich, wie einsam ich mich fühle. Ich spüre die schwere Kette, die an meinem Hals liegt. Es ist eine silberne Kette mit einem blauen Stein in der Mitte. Vorsichtig berühre ich den blauen Stein und versuche mein Herz zu beruhigen.

Ich habe es überlebt, sage ich mir. Eines Tages werde ich in der Lage sein, von diesem Ort zu entkommen. Ich muss nur geduldig sein. Ich drehe mich zur Seite.

Warum fühle ich mir nur so fehl am Platz?

Warum fühle ich mich so einsam?

Warum habe ich das Gefühl, dass ich etwas übersehe?

Verzweifelt schiebe ich die Decke über meinen Kopf.


Monster -Die schöne IllusionWhere stories live. Discover now