25. Ein Gespräch

110 4 2
                                    

Zehn Tage sind vergangen und Noe ist immer noch nicht aufgewacht. Ich besuche ihn jeden Tag und kümmere mich um ihn so gut wie ich kann. Ihn so schwach zu sehen, macht mich sehr traurig. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mann wie Noe in einer solchen Situation enden könnte. So schwach, machtlos und verletzlich.

Wie die Tage zuvor sitze ich auf seinem Bett und betrachte ihn. Zum ersten Mal kann ich meinen Chef betrachtet, ohne Angst zu haben, dass mich jemand beobachtet.Hier kann mich niemand bestrafen.

Leicht berühre ich seine blasse Wange, ziehe seine vollen Lippen nach und wandere dann mit meinen Fingern an seiner Nase nach oben. Vorsichtig streiche ich ihm die Haare aus dem Gesicht. Er sieht so wunderschön aus. Die Augenringe, die ich nie bemerkt habe, sind deutlich sichtbar. Eine kleine Narbe an seinem Hals, die ich noch nie gesehen habe. Jetzt habe ich die Gelegenheit, all das zu betrachten.

,,Du bist wieder hier."

Ertappt drehe ich mich um und erblicke den Koch. Er hat gesehen, was ich getan habe. Ich weiche seinem Blick aus.

,,Komm mit ins Büro. Lass uns reden", sagt er in einem befehlenden Ton. Ich nicke und folge ihm. Denn ich habe keine andere Wahl.

Er setzt sich auf den Stuhl seines Freundes und deutet dann auf den Stuhl ihm gegenüber. Ich setze mich und schaue auf meine ineinander verschränkten Hände. Was er wohl von mir möchte? Wird er auf das, was er gesehen hat, ansprechen? Ich schlucke.

,,Er wird wieder gesund werden. Er braucht nur Zeit, um zu heilen. Er heilt nicht schnell", sagt er nun freundlicher. Ich schaue auf und sehe ihn an. Er wirkt ganz anders als sonst. Normalerweise schreit er mich an und beleidigt mich. Aber in diesen zehn Tagen scheint er sich zurückzuhalten, und ich verstehe nicht, warum. Warum sieht er mich mit diesem wissenden Blick an? Warum sagt er nichts? Ich schaue nach unten und sehe seinen goldenen Ring. Ist er verheiratet? Wenn ja warum sehe ich ihn immer allein?

,,Ein Geschenk von einem guten Freund, der gerade k.o. liegt", beantwortet er meine unausgesprochene Frage, während er seine Hand hebt und auf seinen Ring schaut.

,,Dieser Ring ist eine Art Schlüssel. Mit ihm kann ich von der menschlichen Welt in diese Welt gehen und umgekehrt."

,,Man kommt durch ein Ring in diese Welt?", frage ich verwirrt. Er lacht laut und schüttelt dabei sein Kopf.

,,Dieser Ring enthält einen Zauber. Wenn du in die andere Welt gehen willst, wird das zu einer bestimmten Zeit möglich sein", antwortet er.

,,Das verstehe ich nicht. Wie spät soll es denn sein und wie funktioniert das?", frage ich interessiert. Eine Weile mustert er mich, bis er seufzt und dann zu sprechen beginnt.

,,Um 3 Uhr wird etwas in der Umgebung anders sein. Etwas, das nicht in diese Situation gehört. Das ist der Weg in die andere Welt. Es kann zum Beispiel eine Tür sein oder einfach ein Loch im Boden."

,,Ich verstehe. Und gehst du oft in die Menschenwelt?", frage ich zögerlich und kratze mich dann am Arm. Es ist mir unangenehm, in seiner Nähe zu sein. Wir haben noch nie solche Gespräche miteinander geführt. Warum fühlt sich das alles so falsch an?

,,Manchmal. Wenn Boss keine Zeit hat Menschen zu sammeln, schickt er mich", erwidert er und zwinkert mir zu. Hmm... ist das so?

,,Nach welchen Kriterien sucht ihr die Menschen aus, die ihr mitnimmt?", frage ich. Ich will unbedingt mehr davon erfahren. Warum wurde ich ausgewählt? Warum niemand anderes?

,,Ich persönlich wähle Leute aus, die nützlich aussehen und auch intelligent arbeiten können. Dich hätte ich wahrscheinlich nicht ausgewählt." Er macht eine Pause. ,,Mein Freund ist ein bisschen anders. Er bringt auch die Unbrauchbaren hierher."

Monster -Die schöne IllusionWhere stories live. Discover now