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Mirolan

Ich hockte auf dem Stuhl vor Yora's Bett und betrachtete ihren schlafenden Körper.

Trotz der gerade erst heilenden Verletzungen und ihre geschloßenen Augen, war Yora noch immer das schönste Mädchen das ich je gesehen hatte. Ich liebte ihre, momentan doch recht zerzausten, wie Gold wirkenden Haare und ihre von der Sonne gebräunte Haut, ihren Körper, der zwar muskulös aber dennoch weiblich war. Und ihren Duft. Yora roch nach, nach einem Tag am Meer, ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll.
Ich beugte mich über sie, um diesen Geruch nach so langer Zeit wieder ein zu atmen, wobei ich ihr vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Wange und das Kinn strich. Ihr wunderbarer Duft überdeckte selbst denn starken Geruch nach Desinfektionsmittel, der überall im Raum hing.

Ich konnte einfach nicht anders, als ihr sanft einen Kuss auf die Stirn, direkt neben den Verband, zu drücken und dann mit meinen Lippen weiter über ihren Wangen zu wandern. Ich atmete tief ein.
Jetzt, wo ich ihre Wärme und Liebe gespürt hatte, fragte ich mich, wie ich je wieder ohne diese leben konnte.
Ich war nicht fähig mich zurück zu halten und schon lagen meine Lippen auf den ihren, meine Augen blickten gebannt auf ihre. Ein Teil von mir hoffte, dass sie aufwachen und meinen Kuss erwiedern würde, dass sie sich an alles erinnern würde. Aber der andere Teil wusste es besser, wusste, dass sie mich wieder schlagen und mich für immer abgrundtief hassen würde. Deshalb zwang ich mich dazu, meinen Kopf zu heben und begnügte mich damit, ihre wunderschöne Gestalt beim Schlafen zu beobachten.

Meine Gedanken schweiften zu Yoras Vergangenheit. Wenn sie sich tatsächlich an nichts erinnerte, dann auch nicht an das Schlimme. Vielleicht wollte ihr das Schicksal einfach helfen zu vergessen - und mich auf die Probe stellen.

Ich seufzte und merkte, dass Yora im Begriff war, auf zu wachen. Um sie nicht wieder zu verwirren, stand ich auf und ging zur Tür. Meine Hand lag schon auf der Klinke, als ihre Stimme hinter mir erklang.

"Warte", sagte sie nur und schon drehte ich mich hoffnungsvoll zu ihr um. Hatte sie mich wieder erkannt?

"Du scheinst mich zu kennen", murmelte Yora und setzte sich schwerfällig auf, "Erzähl mir von... mir"

Schade, dachte ich enttäuscht, auch wenn ich nicht erwartet hatte, dass sie sich erinnerte.
Ich ging zu ihr und setzte mich auf den Stuhl.
"Wo soll ich anfangen?", sagte ich mehr zu mir selbst.

"Wer bist du? Mein Bruder? Cousain? Mein Freund?", betonte sie ungläubig.
"Ich denke, ich sollte am Anfang anfangen", entgegnete ich nur ausweichend, "Du heißt Yora Lissón, du bist 17 Jahre alt und hast am 13. August Geburtstag. Dein Zwillingsbruder heißt Barred, du bist ein paar Minuten älter als er. Dann hast du noch drei jüngere Brüder: Jem, Dougless und Kristopher. Du bist als Sechs aufgewachsen und warst ein Jahr auf einer öffentlichen Schule bevor du angefangen hast als Gärtnerin zu arbeiten", ich machte eine Pause. Yora hörte konzentriert zu.
"Deine Mutter starb bei einem Autounfall als du zwölf warst. Daraufhin war dein Vater lange Zeit krank. Jetzt geht es ihm wieder gut. Vor ein paar Monaten wurdest du für das Casting ausgelost. Mit dem Geld wolltest du deiner Familie helfen. Du gehörtest zur Elite von Prinz Mirolan", es war merkwürdig so von mir selbst zu sprechen, "Der Prinz verliebte sich in dich und machte dir schließlich einen Haeiratsantrag, den du glücklich an genommen hast", ich brach ab.

Yora sah vollkommen verwirrt aus. "Meine Mutter ist Tod. Ich bin die Verlobte von Prinz Mirolan", wiederholte sie leise, "Und du? Bist du mein Bruder... Barred?", fragte sie dann lauter.

Das tat weh. Nicht mal jetzt erkannte sie mich. "Nein, ich bin bloß der Prinz"

"Oh", machte sie leise. "OH", stieß sie dann erneut, diesesmal lauter hervor. Dann schwieg sie eine Weile, konzentriert auf sich selbst. "Wo bin ich jetzt gerade?", fragte sie dann anscheindend um nicht mehr darüber nachdenken zu müssen.

"Im Krankenflügel vom Palast", erklärte ich.

"Wie ist der Unfall passiert?", wollte sie wissen, während ihr Kopf langsam zurück in die Kissen sank.

"Du warst auf dem Heimweg mit dem Flugzeug, nachdem du deine Familie besucht hattest. Einige Triebwerke sind ausgefallen und das Flugzeug stürtzte ab. Man fand es auf einem Feld. Du lagst unter einem Haufen Trümmer begraben, als unsere Wachen und Ärtzte dich fanden. Du wurdest sofort hierher gebracht und untersucht und wie es aussieht, heilen deine Verletzungen sehr gut.", bis auf die in deinem Kopf, "Ach und keine Sorge, allen Wachen, die mit an Bord waren, geht es gut"

Yora nickte langsam. Gebannt wartete ich auf eine Antwort von ihr.

"Wo ist meine Familie?", fragte sie dann nur weiter.

Ich atmete tief durch. "Die Öffentlichkeit weiß nichts von dem Unfall", erklärte ich ihr dann und knetete nervös meine Fingerspitzen, "Sie soll es nicht wissen, weil sonst alle zu viel Angst hätten"

"Das verstehe ich nicht. Es war doch bloß ein Flugzeugunglück"

"Dass das Flugzeug abgestürzt ist war kein Unglück, ebenso wenig ein Unfall. Der Flieger wurde von einem Rebellen gesteuert, der ihn dann zum Absturz brachte. Auch er hat überlebt und bei einem Verhör alles zu gegeben"

"Na schön, aber warum weiß meine Familie nicht Bescheid?", bohrte Yora jetzt aufgebracht weiter.

"Das stimmt nicht. Sie werden von uns auf dem Laufenden gehalten, können jetzt aber nicht kommen, weil das zu große Aufmerksamkeit erregen würde"

Yora sagte nichts mehr, aber ich sah ihr an, dass sie mit all dem was ich gesagt hatte nicht einverstanden war. Sie wandte mir den Rücken zu und ignorierte mich von da an.

Alles in mir begann zu schreien. Schrie nach ihr. Schrie vor Schmerz, weil sie mich nicht ansehen wollte. Schrie Yora an, dass sie mich doch kennen muss.
Aber nach Außen hin blieb ich stumm. Obwohl alles in mir sich danach sehnte, in ihre Augen zu sehen, ihr Haar und ihre Haut zu berühren, ignorierte ich dieses Gefühl.
Ich ging zur Zimmertür warf einen letzten Blick auf Yora, die still und regungslos da lag, die Hände zu Fäusten geballt. Dann zog ich die Tür auf und schloss sie hinter mir wieder, während eine Träne sich ihren einsamen Weg über meine Wange bahnte.

Schnell wischte ich sie mit dem Handrücken fort.
Ich schaffe das schon., dachte ich entschlossen, auch wenn sie sich nie erinnern wird. Ich bringe ich sie dazu, sich erneut in mich zu verlieben! Wie schwer kann das schon sein?

The Selection ~ Yora's GeschichteWhere stories live. Discover now