Kapitel 6 - Spion

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Olivia

Eine Woche war seit der Begegnung mit dem Wolf im Wald vergangenen. Während dieser Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich, egal was ich tat, verfolgt und beobachtet wurde. Doch jedes Mal, wenn ich mich umdrehte oder umsah, konnte ich nichts außergewöhnliches erkennen. Als würden sie sich in meinem Schatten verstecken. Tja und so saß ich dann in dem riesigen Hörsaal, mir Notizen machend und konzentrierte mich darauf, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Nachdem dann aber auch diese Stunde vorbei war, packte ich meine Sachen zusammen und wartete auf den Ansturm in den Fluren. Ich war eigentlich noch nie ein Fan der großen Menschenmassen. Was vielleicht daran lag, dass meine Mutter und ich uns zumeist abschotteten. Nachdem also der größte Teil gegangen war, stand auch ich auf und machte mich so langsam auf den Heimweg. Ich schlenderte also durch die mittlerweile wieder halb leeren Gänge und suchte mir eine Busverbindung heraus, als ich plötzlich angetippt wurde. „Hey, du." Ich drehte mich leicht seitlich und warf einen kurzen Blick auf den Fremden, ehe ich mich wieder umdrehte und weiterlief. „Was ist?" Fragte ich desinteressiert und tippte wild auf meinem Handy herum, um ihm zu zeigen, dass ich nicht an einem Gespräch interessiert war. „Du studierst doch auch Mikrobiologie, oder?" Ich nickte leicht mit dem Kopf, doch dachte nicht mal daran anzuhalten.

„Fandest du die Vorlesung auch so öde? Ich finde Mr. White hat seine besten Lehrtage bereits hinter sich." Ich musste mich wirklich konzentrieren ihm nicht irgendwas dummes an den Kopf zu werfen oder ausfällig zu werden, damit er mich in Ruhe lässt. „Wie du meinst." Murmelte ich nur abwesend und trat durch die Eingangstüren, welche .. warte mal. Offen waren? Die sind sonst nie offen. Ich drehte mich also um und sah jetzt den Fremden in einem viel besseren Licht und tatsächlich. Er stand da, grinste mich an und hielt mir die Tür auf. Während ich mich also schnell bedankte und meinen Weg zur Bushaltestelle fortsetzte, ließ er immer noch nicht von mir ab und schien immer wieder neue Gespräche zu initiieren. „Wie lange lebst du schon hier? Ich habe dich zuvor noch nie gesehen." „Nicht lange." „Und, wie gefällt dir Shannon so?" „Ist in Ordnung." Mittlerweile standen wir an der Bushaltestelle und es gab kein Entkommen für mich. „Wohnst du auch hier in der Nähe?" „Kann man so sagen." Es entstand eine kurze Pause, welche mich erleichtert aufatmen ließ und Hoffnung schürte, er hätte es aufgegeben, mit mir zu kommunizieren. Doch nichts da, zu früh gefreut. „Du redest nicht sehr viel. Kann das sein?" „Nöp." Gab ich nur von mir und holte mein Handy heraus, um auf die Uhr zu sehen. Noch fünf Minuten. Hoffentlich fährt er nicht auch mit dem Bus.

„Wie ist eigentlich dein Name?" Kam jetzt seine Frage, welche mich zu ihm aufblicken ließ. Ich runzelte kurz die Stirn, ehe ich eine Gegenfrage stellte. „Wie ist denn dein Name?" Er sah mich leicht verwirrt an, ehe er antwortete. „Mein Name ist Noah. Noah O' Brian." Ich nickte ihm zu und musterte ihn ein letztes Mal, ehe ich bereits den Bus auf uns zukommen sah. „Okay, Noah O' Brian. Wie du vielleicht mitbekommen hast, bin ich nicht wirklich an einem Gespräch interessiert und auch nicht daran, Freunde zu finden. Deswegen würde ich vorschlagen, dass wir ab jetzt getrennte Wege gehen und uns nie wieder über den Weg laufen. In Ordnung?" Ich lächelte so falsch, wie ich konnte und machte mich bereit, um in den Bus zu steigen. „Verrätst du mir wenigstens deinen Namen?" Ich rollte mit den Augen und sah ihn erneut an. „Warum sollte ich?" Er verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Da du bereits meinen Namen kennst, wäre es nur fair, wenn du mir auch deinen verrätst." Er sah mich siegessicher an, was mich die Mundwinkel verziehen ließ. Aber er hatte Recht. Auch wenn ich das nur ungern zugab. Während ich also in den Bus einstieg, rief ich ihm schnell zu. „Olivia. Olivia Walker." Er bedankte sich mit einem Knicks, ehe er mir zu wank und die Worte „Bis Morgen." flüsterte. Ich musste leicht lachen und den Kopf schütteln. Er wird mich garantiert nicht in Ruhe lassen.

Xavier

Ich bin alle Studentinnen meiner Liste durchgegangen und habe sie überprüfen lassen, doch niemand wohnte in dem Haus im Wald. Ich schmiss die Zettel wütend durch den Raum und schlug auf den Tisch. Vielleicht studiert sie doch nicht hier. Entgegnete mein Wolf und machte mich damit nur noch wütender. „Und warum war dann ihr ganzer Geruch auf dem verfluchten Campus verteilt?" Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, da mich dieser unwiderstehliche Geruch nicht losließ. Ich wusste noch nicht einmal, wie sie hieß oder wer die überhaupt war. Was bin ich für ein Alpha, der den Namen seiner Gefährtin nicht kennt. Ich knurrte wütend auf und machte mich auf, zu den Trainingsräumen. Vielleicht hilft das ja, meiner Wut ein Ventil zu geben. Auf dem Weg dorthin traf ich dann meinen eingeschleusten Mitarbeiter, welcher hoffentlich ein paar Informationen über sie in Erfahrung bringen konnte. „Noah. Wie siehts aus? Hast du sie gefunden?" Fragte ich neugierig nach und betrat den Trainingsraum. Er grinste mich an und nickte euphorisch. „Und wie ich das habe." Er gesellte sich zu mir an den Rand, während ich mir die Hände verband und auf den Boxsack einschlug. „Und? Spann mich nicht auf die Folter und rede endlich." Er sah mich skeptisch an, bevor er anfing zu reden. „Sie ist nicht sonderlich gesprächig und wollte mich mehrfach abwimmeln. Dennoch habe ich es geschafft herauszubekommen, dass sie Mikrobiologie studiert und .."

Er ließ eine kurze Pause. „Was und? Was noch?" Ich unterbrach meine Tätigkeit und schaute ihn gespannt an. „Ich kenne ihren Namen." Meine Augen leuchteten sofort gelblich auf und mein Wolf sprang wild in meinem Kopf umher. „Sag schon!" „Olivia Walker." Olivia. Ich ließ diesen Namen über meine Zunge gleiten und sofort spürte ich dieses Kribbeln in meinem Bauch. „Also, Boss. Ich weiß zwar nicht, welches Interesse sie an ihr haben. Aber viel Spaß mit der kleinen. Ich für meinen Teil habe genug für heute." Er streckte sich und wollte gerade gehen, als ich ihm einen Befehl zurief. „Noah?" Er blieb stehen und drehte sich zu mir um. „Glückwunsch. Du bist jetzt Student an der Technischen Universität von Shannon und studierst Mikrobiologie. Ich hoffe du weißt, was das heißt." Er sah mich leicht panisch an, was mich wiederum zum Lachen brachte. "Aber Alpha!" „Nichts Alpha. Das ist ein Befehl und jetzt geh und bereite dich auf deinen Tag morgen vor." Er sah mich leicht beleidigt an, ehe er davon schritt. Glücklicherweise ist er noch recht jung und geht als Student durch. Ich mit meinen 29 Jahren hätte mir das nicht mehr angetan, obwohl es mich schon reizen würde, sie zu beobachten, während sie sich den Kopf über den Lernstoff zerbrach. Vielleicht werde ich doch nochmal zurück an die Uni gehen müssen. Wer weiß, was mir dort alles entgeht.

Olivia

Zuhause angekommen, dachte ich über die Begegnung mit diesem Noah nach und versuchte die Details miteinander in Verbindung zu bringen. Er war groß, größer als ich aber keineswegs kräftig oder muskulös. Er war schlank gebaut, aber dennoch sportlich. Trotzdem machte er auf mich nicht den Eindruck, er würde zu dieser Sippe an Werwölfen gehören. Dazu war er zu freundlich, zu aufgeschlossen, zu .. ich ließ eine Pause, wusste nicht was ich sagen sollte. Aber das Wort, welches ich suchte, war vermutlich normal. Er war zu normal, um ein Werwolf zu sein. Ich schlug die Hände über den Kopf und verfluchte schon wieder mein ganzes Leben. Wieso konnte ich nicht einmal, in ein normales Leben, einer 21-Jährigen Studentin geraten. Warum muss bei mir immer alles so kompliziert sein. Ich saß an meinem Schreibtisch und versuchte schon seit einer Weile meine Konzentration zu finden, doch meine Gedanken waren zwiegespalten. Während sich die eine Seite zurück in den Wald wünscht und mehr Zeit mit dem Wolf verbracht hätte, nur um mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, versteht sich. Konzentrierte sich die andere Seite auf Noah und versuchte herauszufinden, warum er heute so nett zu mir war. Hängen diese Geschehnisse vielleicht doch zusammen? Hat der Wolf vielleicht Noah geschickt, um mich zu beobachten?

Ich schüttelte den Kopf und musste selbst über meine Verwirrtheit lachen. Olivia, du siehst Gespenster, wo keine sind. Jetzt fängst du schon an, wie deine Mutter zu werden und in jedem das schlechte zu sehen. Vielleicht ist Noah wirklich nur ein netter Mitstudent, welcher Freunde sucht und sich ausgerechnet die griesgrämige Neue ausgesucht hat. Ich schlug meine Bücher zusammen und ging in meinen Zimmer auf und ab. Vielleicht sollte ich doch Freunde suchen und anfangen ein normales Leben zu führen. Immer nur allein zu sein, vereinsamt einen und Noah scheint echt nett zu sein. Zu mindestens macht er diesen Eindruck auf mich. Und außerdem erfüllt er auch nicht die Kriterien eines Werwolfes. Er ist nicht überdurchschnittlich attraktiv, zwar groß gewachsen aber keineswegs muskulös. Er wurde auch nicht aggressiv, als ich ihn mehrfach ignoriert und versuchte habe, ihn abzuwimmeln. Was definitiv schon einmal Pluspunkte sind. Und er studiert Mikrobiologie, dass heißt er interessiert sich genauso wie ich für die Organismen, welche hinter unserer Welt stecken. Noch ein Pluspunkt und ich glaube, damit ist das jetzt beschlossene Sache. Ich werde versuchen einen Freund zu finden. Leben? Ich nehme diese Herausforderung an und werde mein Bestes geben. Noah, mach dich auf etwas gefasst, denn jetzt lernst du die echte Olivia James Walker kennen. Ich freue mich darauf deine Bekanntschaft zu machen.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt