Kapitel 26 - Starrköpfigkeit

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Olivia

Ich konnte nur den Kopf schütteln, wenn ich an den letzten Abend zurückdenke. Drei Tage. Allein bei dem Gedanken daran, zieht sich in mir alles zusammen und wenn ich dann auch noch sein selbstgefälliges Gesicht vor meinem inneren Augen sehe, wird mir kotzübel. Wer denkt er, wer er ist, mir irgendetwas vorzuschreiben. Er hat noch nicht einmal das Recht, sich in irgendeiner Weise in mein Leben einzumischen. Wütend schmiss ich die Bücher und Notizblöcke in meinen Rucksack, um mich kurz darauf auf den Weg zu machen. Da ich gestern Abend davon abgehalten wurde eine neue Charge herzustellen und ich nach der Begegnung mit diesem hochnäsigen, besserwisserischen, Möchtegern Adonis, hatte ich auch keinen Nerv mehr, mich hinzusetzten und damit anzufangen. Doch heute werde ich definitiv nicht drum herumkommen, denn heute Morgen ist mein Geheimvorrat drauf gegangen und ohne dieses Zeug, so wie er es nennt, verlasse ich nicht mehr das Haus. Diesem gestörten Typen ist nämlich alles zuzutrauen. Auch, dass er mir auflauert und sonst was mit mir anstellt. Wahrscheinlich arbeitet er bereits an einem Gegenmittel, obwohl ich damit wohl etwas über die Strengen schlage. Immerhin besitzt dieser Typ lediglich die gleiche Menge an Gehirnzellen, wie ein Pilz. Nämlich gar keine. Während ich mich also mit dem Fahrrad abmühte, um den Weg zur Bushaltestrecke hinter mir zu lassen, realisierte ich, wie schlecht meine Ausdauer geworden war. Ging das vor zwei Wochen nicht noch besser?

Doch ich verwarf diesen Gedanken genauso schnell, wie er gekommen war, denn in wenigen Metern entfernt, sah ich bereits mein Ziel. Ich stellte daher das Fahrrad an meiner üblichen Stelle ab und widmete mich dann einem ganz anderen Problem. Diesen Tag möglichst ereignislos hinter mich zu bringen, ohne einzuschlafen oder zusammenzubrechen, denn wirklich wohl war mir seit gestern Abend nicht mehr. Hinter jeder Ecke sah ich etwas lauern, was mir böses wollte. Mein gesundheitlicher Zustand, welcher sich gefühlt täglich verschlechterte, machte die ganze Sache auch nicht weniger beängstigend. Vielleicht brühte ich ja etwas aus. Eine Erkältung oder ähnliches. Doch ich konnte nicht weiter über meinen körperlichen Zustand nachdenken, da bereits der Bus kam und ich kurz darauf in einer Ecke ganz hinten die Landschaften und Dörfer an mir vorbei ziehe sah. Nach knapp dreißig Minuten hatten wir dann auch schon die Universität von Shannon erreicht, wo ich mich widerwillig aus dem Sitz quälte, um mich in Vorlesungen zu setzen, dessen Inhalte ich bereits kannte oder mir selbst erlesen hatte. Doch es hilft ja alles nichts. Ich bewegte mich also langsam Richtung Eingang, um den ersten Hörsaal meines Stundenplans aufzusuchen. Dort setzte ich mich in die Altbekannte mittlere Reihe und wartete auf Beginn. Dieses Prinzip setzte ich den ganzen Tag fort, ehe ich gegen Nachmittag wieder den Heimweg antrat.

Vor meinem Haus angekommen, musste ich mich erst einmal orientieren. Seit ich mich auf das Fahrrad gesetzt hatte, sah ich teilweise verschwommen und spürte eine Übelkeit in mir aufsteigen, welche mich kurz darauf auch in die Knie zwang. Keine Sekunde später landete dann mein gesamter Mageninhalt auf dem nassen Waldboden, vermischte sich mit den Farben der Blätter und sickerte anschließend langsam in die Erde. Ich wischte mit dem Jackenärmel über meinen Mund, ehe ich diesen mit ordentlich Wasser gründlich ausspülte und letztendlich in das Haus ging. Hinter der Tür musste ich mich erneut sammeln, da ich mich nicht wirklich besser fühlte. Ich sah immer noch leicht verschwommen und mir war nicht weniger übel. Noch dazu kam, dass sich auf meiner Stirn Schweißtropfen sammelten und mir verdammt heiß aber zeitgleich auch irgendwie kalt war. Was war los mit mir? Fragte ich mich selbst, ehe ich mich meiner Schuhe sowie der Jacke entledigte und in die Küche lief, um mir einen Tee zu kochen. Anschließend setzte ich mich auf die Couch, umhüllte meinen Körper mit einer Wolldecke und schaltete Netflix ein. Vielleicht hilft mir das ja, wer weiß das schon. Ein entspannter Abend auf der Couch hat jedenfalls noch niemanden geschadet. Ich zappte also durch die Vorschläge und entschied mich irgendwann für einen Film, welchen ich mehr oder weniger aufmerksam verfolgte, da mein Handy dann doch interessanter war. Dennoch schwebte mir immer noch im Hinterkopf, dass ich mir für heute Abend etwas vorgenommen hatte.

Ich schlug also die Wolldecke von meinem Körper, stand wackelig auf und lief bedeutend langsamer als noch vor einer Woche die Treppen nach oben. In meinem Zimmer angekommen, öffnete ich zuallererst das Fenster, um frische Luft hineinzulassen. Neuer Sauerstoff regt immerhin das Gehirn an und sorgt für eine bessere Konzentration, welche ich definitiv gebrauchen könnte. Danach räumte ich noch fix meinen Schreibtisch auf, um ihn von jeglichen Dingen zu befreien, welche mich ablenken könnten. Nachdem auch das erledigt war, stellte ich alles bereit, was ich für die Herstellung gebrauchen kann, ehe sich meine Blase meldete. Also ging ich noch schnell auf die Toilette um dann mit einer leeren Blase, neu gesammelter Energie und Konzentration zu starten. Ich stellte dementsprechend die benötigten Pflanzenteile bereit, als ich ein weit entferntes Heulen vernahm. Mein Blick schoss zum Fenster und ich bekam augenblicklich eine Gänsehaut. „Gut, dann eben mit geschlossenem Fenster." Nicht, dass mich heute Abend noch eine Überraschung empfängt oder mich jemand besucht, mit dessen Anwesenheit ich nicht gerechnet habe. Ich schloss also mein Fenster wieder, zog die Vorhänge zu und setzte mich an meinen Schreibtisch, um endlich mit der Herstellung einer neuen Charge zu beginnen. Während ich also ganz in meinem Element war, wanderten meine Gedanken zurück an den gestrigen Abend.

„Ich gebe dir drei Tage bla. Setz dieses verdammte Zeug ab bla bla. Dann will ich nichts mehr davon an dir riechen bla bla bla." Ich äffte ihn nach, während ich die Flüssigkeiten extrahierte und die Überreste in einer Schale mithilfe eines Mörsers zerkleinerte, um sie kurz darauf mit etwas Wasser zu mischen. Mir doch egal, was er gesagt hat. Was will er schon machen? Mich umbringen? Wohl kaum. Ich konnte über seine Aussagen nur lachen. Er war doch gar nicht in der Lage mir etwas anzutun. Im gleichen Gedankengang dachte ich auch drüber nach, ein Schloss vor mein Fenster zu setzten. Immer hin war er hier eingebrochen, sonst hätte er nie etwas von den Kräutern erfahren, da bin ich mir sicher. Während ich mich also in meinem Schreibtischstuhl zurücklehnte, sah ich dem Wasser dabei zu, wie es durch die Kräuter sickerte und alle Inhaltsstoffe aufnahm. Anschließend tröpfelte ich das Filtrat auf eine Unterlegscheibe, um sie im Anschluss unter dem Mikroskop zu untersuchen. Nachdem alles normal aussah und sich die verschiedenen Bestandteile, meinen Erwartungen entsprechend, verbunden und vermischt hatten, füllte ich die restliche Substanz in einen blauen Flakon. Meinen grünen konnte ich nicht mehr finden, wahrscheinlich hatte er diesen gestern doch eingesteckt. Ich betrachtete das blaue Fläschchen. Diese Menge an Flüssigkeit sollte für die nächsten zwei Wochen ausreichen. Danach werde ich mich wahrscheinlich wieder um Nachschub kümmern müssen. Aber wer weiß schon, was bis dahin alles passiert ist. Niemand kann in die Zukunft sehen. Vielleicht werde ich dann schon frei sein?

Xavier

Drei Tage. Drei Tage sind vergangen, seit ich ihr diese Deadline gestellt hatte. Und auch wenn ich es mir mehr als alles andere auf der Welt wünsche, so muss ich mir trotzdem eingestehen, dass sie ein genauso großer Sturkopf ist. wie ich. Natürlich hat sie dieses Teufelszeug nicht abgesetzt. Wie ich es ihr befohlen oder eher geraten hatte. Was anderes hatte ich jedoch auch nicht erwartet. Doch genau das bringt mich das zum Verzweifeln. Aber verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen und außerdem hatte ich sie gewarnt, sollte sie sich gegen mich stellen. Mehr als das, kann und werde ich nicht tun. Alles was jetzt folgt, hat sie sich selbst zuzuschreiben, denn ich bin bereits auf dem Weg zu ihr, um zu überprüfen, ob sie es sich nicht doch anders überlegt hat.Während ich also durch den Wald lief und bereits die Lichter des Hauses in der Ferne sah, ging ich noch ein letztes Mal alles durch. Ich hatte einen Plan A, B als auch C. Also egal was gleich passieren würde, ich war für alles gewappnet. Natürlich war auch ich mir bewusst, dass sie sich ebenfalls etwas hat einfallen lassen. Aber ich glaube kaum, dass mich das davon abhalten würde, was ich vorhabe und so lief ich die letzten Meter auf ihr Haus zu und klopfte gesittet an die Tür. Ich hörte bedachte Schritte die Treppe nach unten kommen und kurz darauf öffnete sie mir die Tür. Olivia blickte mich skeptisch an, ehe sie wieder die Tür schließen wollte, doch ich war schneller und stellte einen Fuß dazwischen, ehe ich die Tür aufschob und eintrat. Sie sah mich leicht empört an, ehe sie mir einen bösen Blick zuwarf. „Was willst du hier?"

Ihre Stimme klang erschöpft, dennoch versuchte sie möglichst bissig zu klingen. „Begrüßt man sich nicht eigentlich, bevor man fragt, was der Grund des Besuches ist?" Ich lief durch den Flur und blieb im offenen Wohn und Essbereich stehen. „Diese Höflichkeiten waren doch noch nie von Bedeutung. Also warum jetzt?" Sie lehnte an der Wand und sah mich aus trostlosen Augen gelangweilt an. „Ich wollte mich davon überzeugen, ob du meine Frist eingehalten hast. Die drei Tage sind um, aber ich glaube, dass ich meine Antwort bereits habe." Ich drehte mich zu ihr und musterte sie von oben bis unten. Sie wirkte noch dünner als vor einem Monat. Ihre Wangen waren eingefallen und ihre Haut hatte an Farbe verloren. „Na, wenn du deine Antwort bereits hast, kannst du ja wieder gehen." Ich knurrte, was sie leicht aufzucken ließ, ehe sie sich wieder fasste. „Da ist die Tür, also bitte." Sie deutete mit ihrer Hand zur Tür und sah mich abwartend an. Ich quittierte diesen lächerlichen Versuch mich abzuwimmeln, jedoch mit einem sarkastischen Lacher, ehe ich auf sie zutrat und sie musterte. „Du siehst erschöpft aus. Geht es dir nicht gut?" Ich setzte ein Lachen auf, um meine Rolle zu spielen, obwohl es mir innerlich das Herz zerbrach, sie so zu sehen. „Das geht dich einen Scheißdreck an." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich genervt an. „Also, was willst du noch hier? Ich habe keine Lust mich weiter mit dir auseinander zu setzten. Du hast deine Antwort und jetzt geh bitte."

Sie wirkte kraftlos, was meinen Wolf innerlich knurren ließ. Sie macht sich selbst kaputt und wofür das alles? Nur um uns eins auszuwischen. Ich wies ihn an still zu sein, um mich wieder auf meine Gefährtin konzentrieren zu können. „Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten." Ich blickte auf sie herab, um meine Macht und Dominanz zu demonstrieren. „Entweder, du kommst mit mir mit und wirst einen Entzug machen .." Sie runzelte die Stirn und schien wenig begeistert von meiner Aussage. „Oder du wirst die Konsequenzen spüren." Ich wollte ihr nicht verraten, was ich vorhatte. Sie sollte sich selbst den Kopf darüber zerbrechen. Sie atmete frustriert aus und schloss kurz ihre Augen, ehe sie mich mit glasigen Augen ansah. „Was willst du denn bitte machen?" Sie atmete erschöpft aus, drückte sich von der Wand ab, doch musste sich gleich darauf an der Kommode abstützen, da sie sonst das Gleichgewicht verloren hätte. Ich runzelte die Stirn und suchte ihren Blick, doch sie schien gerade mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. „Ist alles okay bei dir?" Ich hielt zwar Abstand, war jedoch kurz davor, auf sie zuzulaufen und sie selbst zu stützen. „Mir geht es gut." Brachte sie schweratmend heraus und hielt sich weiterhin an der Kommode fest. Ich atmete tief durch, schloss die Augen, ehe ich sie wieder in den Fokus nahm. Warum muss sie nur so sturköpfig sein? „Also, was ich sagen wollte. Wenn du freiwillig mitkommst, dann wird dir nichts passieren." Ich sah sie abwartend an und beobachtete jede ihrer Bewegungen.

Der Hass meiner Gefährtin Where stories live. Discover now