Das Erwachen

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Mittlerweile hatte ich meine Ecke bei Evander soweit mit Holz und Stoffen ausgestattet, dass ich selbst in den kalten und windigen Nächten fast durchschlafen konnte. So auch in der Nacht die mein Leben für immer verändern sollte. Sorglos lag ich in Decken eingerollt da und schlief friedlich ohne dabei übermäßig zu zittern, als man mich plötzlich an den Schultern packte und rüttelte bis ich mich in einer sitzenden Position befand.
"Azura wach auf!" flehte Evander mich ernst an.
"Was... was ist los?" antwortete ich total verschlafen.
"Sie kommen uns holen"
"Wer?" fragte ich weiter.
"Die Kriegerfeen" antwortete er mit fester Stimme. Jetzt war ich wach und jetzt nahm ich auch die Schreie von draußen wahr. Ich hörte sogar wie sie Feuerbälle durch die Luft schleuderten, die wie Meteoriten mit einem lauten Knall in den Boden einschlugen. Als ein Feuerball knapp neben unserem Haus einschlug sprang ich auf.
"Warum? Was haben sie vor!?" fragte ich panisch. Evander drehte mich zu sich um und starrte mich an.
"Du musst fliehen Azura und zwar schnell! Hier nimm das und pass gut darauf auf" sagte er und drückte mir einen schmutzigen grauen Filzbeutel in die Hand.
"Was ist das!?"
"Ich habe keine Zeit um dir das zu erklären aber du darfst es nicht verlieren! Verstanden!?" kurz griff ich in den Beutel und zog eine aus dünnem Leder geflochtene Kette hervor an dem ein Stein mit einem dünnen Seil befestigt war. Der Stein schimmerte Grün und Blau. Kurz glaubte ich etwas zu spüren als ich den Stein berührte. Noch bevor ich weiter fragen konnte, stürmte eine Kriegerfee unser zu Hause. Schnell steckte ich die Kette zurück in den Filzbeutel und versteckte ihn in der einzigen Lochfreien Tasche meiner zerlumpten Kleidung.
"Hier sind noch zwei!" schrie sie nach draußen. Kurz darauf standen zwei weitere Kriegerfeen hinter ihr. Evander schob mich hinter sich um mich zu schützen.
"Los lauf weg!" flüsterte er panisch aber ich dachte nicht mal daran ihn zurück zu lassen, also bewegte ich mich nicht und blieb stehen.
"Hast du mich nicht gehört!?"
"Ich lasse dich nicht allein" konterte ich, dann bewegten sich die Kriegerfeen weiter auf uns zu.
"Die sehen sogar noch fit aus. Sie werden sicher gute Arbeit leisten" schwärmte die vorderste Fee.
"Was wollt ihr!? Lasst uns in Ruhe!" schimpfte ich und Evander versuchte mich hinter sich zu lassen. Sofort fixierte mich die Kriegerfee. Durch den Schlitz in ihrem dunkel Roten Helm konnte ich ihre glühend Roten Augen sehen die mich wütend anfunkelten.
"Du bist ganz schön vorlaut für so eine dreckige Missgeburt!" fluchte sie, dann sah sie wieder zu Evander.
"Der ist zwar Alt aber sicher kann er noch was Arbeiten, dann hatte sein Leben wenigstens noch einen Sinn. Los nehmt beide mit" befahl sie. Augenblicklich setzten sich die zwei anderen Feen in bewegung und in diesem Moment brach Panik und Angst in mir aus. Angst von Evander getrennt zu werden, Angst getötet oder sogar Versklavt zu werden. Es gingen schon länger die Gerüchte herum das Magielose Feen Nachts von den Kriegerfeen verschleppt und in Arbeiterlager gebracht oder als Sklaven ans Festland verkauft wurden, eine Maßnahme das vermutlich dem Platzmangel auf der Insel zu Grunde lag und je näher die Feen auf uns zu kamen, umso mehr hatte ich das Gefühl das es mehr als nur Gerüchte waren. Wir gingen einige Schritte zurück bis unser instabiles zu Hause nicht mehr her gab.
"Je weniger ihr euch wehrt umso weniger tut euch der Transport weh" drohte einer von ihnen als er schon die Hände nach uns ausstreckte. Mein Herz raste immer schneller und ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören. In die Ecke gedrängt brach nach und nach Panik in mir aus.
Was passierte hier nur? Warum holen sie uns und wo bringen sie uns hin? Die Kriegerfee packte Evander der sich seinem Schicksal kampflos ergeben wollte an der Schulter und in dem Moment bewegte sich mein Körper völlig autonom. Ich sprang hinter Evander hervor und schlug den Arm der Kriegerfee mit einem lauten.
"Nein!" weg. Kurz stand er verwirrt vor mir, dann hob er seine Hand um mich für mein Ungehorsam mit einem Schlag ins Gesicht zu bestrafen. Vor Schreck überkreuzte ich meine Arme über meinem Gesicht um es vor der gepanzerten Rüstung zu schützen, dabei kniff ich verängstigt meine Augen zu und erschrak als plötzlich der Boden unter meinen Füßen bebte. Ich erwartete einen Schlag der mich sofort in die Bewusstlosigkeit schickte, doch es passierte nichts. Mit beschleunigter Atmung ließ ich meine Arme sinken und öffnete meine Augen. Vor mir erstreckte sich eine Wand die genauso Grün/Blau schimmerte wie der farbige Stein in der Filztasche. Paralysiert starrte ich die durchsichtige Wand vor mir an die sogar die Decke durchbrach. Schemenhaft konnte ich die Bewegungen der Kriegerfeen auf der anderen Seite sehen.
"Was... ist das?" fragte ich leise und gab dem Drang nach die funkelnde Wand berühren zu wollen, doch Evander drehte mich vorher zu sich.
"Du musst fliehen sofort!" schrie er schon fast.
"Warum was ist das?"
"Die Zeit ist zu knapp..." fing er an und machte panisch ein Loch in die Wand.
"... Du musst runter von dieser Insel!" befahl er und drängte mich zu dem Loch in der Wand.
"Warte!... Ich verstehe das nicht. Was ist mit dir!?" fragte ich verwirrt und verängstigt.
"Ich komme schon klar und jetzt geh. Sonst werden sie dich Töten Azura" Ich hörte Schritte die schnell von draußen näherkamen.
"Los!" schrie mich Evander an und ich rappelte mich auf und rannte um mein Leben.

Alles hier glich einem Kriegsgebiet. Überall war Feuer und schreiende Magielose Feen die von den Kriegerfeen gnadenlos über den Boden gezerrt wurden. Ich verstand die Welt nicht mehr, warum griffen sie uns an? Wir hatten zwar keine Magie in uns aber wir gehörten dennoch zu den Lichtfeen.
Aber diese Wand, wo kam die her? War ich das? Nein das kann nicht sein! Tausend Gedanken kreisten in meinem Kopf umher.
"Eine Schattenfee! Los tötet sie!" hörte ich jemanden schreien.
Was sagte er? Schattenfee? Aber die gab es doch gar nicht mehr! Ich rannte immer weiter ohne zurück zu blicken, ohne nach zu sehen was mit Evander geschah. Auch wenn ich es nicht war haben wollte, aber ich musste damit rechnen Evander vielleicht nie wieder zu sehen. In meiner Angst bemerkte ich nicht worüber ich lief und kam durch den mit Müll bedeckten unebenen Boden ins Wanken. Ich stolperte mehr als ich rannte und im nächsten Moment kam ein Werwolf von der Seite angerannt und stieß mich zu Boden. Mit gefletschten Zähnen knurrte er mich an, als er näher kam drehte ich mich auf den Rücken und trat ihm mit voller Wucht ins Gesicht um mich dann robbend von ihm weg zu bewegen. Bedrohlich kam er immer näher, kurz davor mich zu zerfleischen. Ich schloss in diesem Moment mit meinem Leben ab, denn gegen einen Werwolf hatte ich nicht die geringste Chance und ein Holzpfahl an meinem Rücken hinderte mich daran den Abstand zwischen mir und dem Werwolf weiter zu vergrößern. Ich wandte meinen Kopf von ihm ab und kniff meine Augen zu um mich mit meinem Schicksal abzufinden, doch auch dieses Mal passierte nicht das was ich erwartet hatte. Unsicher öffnete ich meine Augen wieder und sah einen zweiten Werwolf neben ihm stehen. Es wirkte als würden die beiden auf einer Ebene mit einander Kommunizieren die ich nicht wahrnehmen konnte. Der Werwolf der mich eben noch zerfetzen wollte sah noch einmal zu mir und knurrte mich an, dann trottete er Kopfschüttelt davon. Verwirrt sah ich zu dem zweiten Wolf der mich mit seinen Hellgelben Augen fixierte, er musterte mich und ich fragte mich wo rüber er wohl nachdachte. Er machte eine rasche Kopfbewegung, als wolle er mich laufen lassen aber ich blieb wie versteinert sitzen und konnte mich nicht bewegen, was den Werwolf sichtlich frustrierte. Plötzlich brüllte er mich aus voller Kehle an, was mich zusammenzucken ließ, mich aber auch dazu brachte endlich weiter zu rennen.
Ich hatte es zwar geschafft weiter zu rennen aber mein Vorsprung den ich vor den Kriegerfeen hatte war weg und der einzige Gedanke der mir gerade durch den Kopf ging war:
Warum hat mir dieser Werwolf geholfen? Keuchend rannte ich immer weiter, bis ich vor der Mauer stand welche das Armenviertel vom Hafen der Wasserfeen trennte. Hektisch sah ich mich nach einem anderen Fluchtweg um, doch ich sah nur Feuer, Kriegerfeen und Werwölfe hinter mir. Es gab kein Entkommen, außer ich tat das was mir Evander als Kind immer verboten hatte. Nämlich die Mauer hoch zu klettern. Aber selbst, wenn ich es schaffen sollte die Mauer schnell nach oben zu klettern, hatte ich gegen die Flugfähigkeit der Feen nichts auszurichten. Lange darüber nachdenken konnte ich aber nicht, also fing ich geistesabwesend einfach an zu klettern. Immer weiter, ohne nach unten zu blicken, immer mit dem Blick nach oben gerichtet kletterte ich die Mauer hinauf. Ich konnte nicht sagen wie ich es geschafft hatte, aber ich schaffte es bis nach ganz oben wo ich keuchend an der anderen Seite nach unten sah und der Anblick war nicht viel besser. Ich sah wie die rauen Wellen der Meere ungehalten gegen die Insel prallten. Nun hatte ich die Wahl. Zurück auf die brennenden Müllfelder wo mich die Kriegerfeen und Werwölfe Töten wollten oder fünf Meter tief in das gnadenlose Meer zu springen. Ein letztes Mal drehte ich mich zu meiner zerstörten Heimat um und sah wie die Kriegerfeen mit ihren Speeren auf mich zu flogen. Man konnte die Weiblichen Lichtfeen sehr gut von den Männlichen unterscheiden, da die Form der Flügel unterschiedlich war. Während die Flügel der Frauen wie die prachtvoller Schmetterlinge aussahen, waren die der Männer mehr wie dezente Libellenflügel. Man sollte meinen das Wesen die so prachtvoll und elegant aussahen liebevoll und friedfertig waren, aber das waren sie nicht. Sie waren brutale Kämpfer die ohne zu fragen die Befehle des Königs ausführten und in seine Hände wollte ich ganz bestimmt nicht geraten. Also ließ ich nun das Schicksal über mich entscheiden.
"Ich lasse niemanden außer mich selbst über mein Ende Entscheiden" flüsterte ich fest entschlossen. Entschlossen nicht die Kriegerfeen oder den König über mein Schicksal entscheiden zu lassen.
Ich drehte mich zurück zum Meer, breitete meine Arme zur Seite aus und ließ mich mit geschlossen Augen in die Tiefe des eiskalten Wassers fallen...

Schattenelement - Krieg der FeenWhere stories live. Discover now