Die Gestaltenwandler

74 8 5
                                    

 Fassungslos starrte ich die Dryade an. Sie hatte noch immer ihre Hand auf meiner Schulter und ich konnte noch immer nicht ganz verstehen was hier gerade passiert war.

"Sobald du den Garten betrittst, kann dir niemand mehr was anhaben" fing sie an und die fast schon versteinerte Miene irritierte mich.
"Aber... warum?" fragte ich kleinlaut und drückte Esme dabei fester an mich. Die Dryade sah erst zu Esme und dann wieder zu mir.
"Du hast dich der Natur und der Bewohner darin als sehr Respektvoll erwiesen. Das verdient nun auch meinen Respekt" erklärte sie monoton und da ich mich nicht traute weitere Fragen zu stellen, nickte ich nur. Sie drehte sich daraufhin zu Rektorin Fenja um.
"Sie steht nun unter meinem Schutz" teilte sie es ihr noch mal deutlicher mit. Mit einem leichten lächeln neigte die Rektorin ihren Kopf vor ihr, dann wurde der Griff der Dryade fester, fast schon schmerzhaft. Ich verzog mein Gesicht vor Schmerzen, traute mich aber nicht sie darauf hinzuweisen.
"Aber die Prinzessin von Hyperion will ich hier nie wieder sehen. Sie war äußerst Respektlos" knurrte sie bedrohlich und ich bekam Gänsehaut.
"Ich werde mich umgehend darum kümmern. Wenn du nun so freundlich wärst und sie wieder loslässt? Du tust ihr weh" versicherte die Rektorin während sie mich skeptisch musterte.
"Ist... schon ok... ich halte das aus" keuchte ich, konnte aber weder den leidenden Ton in meiner Stimme, noch das schmerzverzerrte Gesicht unterdrücken. Die Dryade sah daraufhin wieder zu mir und ließ mich augenblicklich wieder los.
"Verzeih" sagte sie und starrte ihre Hand an als wüsste sie nicht wie viel Kraft sie hatte. Ich wollte ihr nicht zeigen wie sehr mir das tatsächlich weh getan hatte und drehte mich von ihr weg. Während ich meine schmerzende Schulter rieb ohne dabei die schlafende Esme zu wecken oder fallen zu lassen, machte ich die Augen auf und sah zu meinem Missvergnügen Kiran der mich mit hochgezogener Augenbraue skeptisch begutachtete. Sofort stellte ich mich wieder Kerzen gerade auf und sah zur Rektorin.
"Es freut mich das es dir gut geht" sagte sie und ließ ihre Flügel erscheinen die genauso zwei Fahrig wie ihre Augen waren. Sie war eine sehr faszinierende Lichtfee und ich sah ihr und den anderen Lehrern die ebenfalls ihre Flügel zum Vorschein brachten hinterher, bis sie hinter dem Klippenvorsprung von dem ich gestürzt war verschwanden. Nur Professor Chiron der nicht über Flügel verfügte musste zu Fuß... oder besser gesagt zu Huf wieder hinauf zur Akademie laufen. Mein Blick ging wieder zur Dryade die ihre Hände wie bei einem Gebet aufeinanderlegte.
"Wir sehen uns Azura" sagte sie und verschwand in einem Lichtkegel ehe ich sie fragen konnte woher sie meinen Namen wusste. Im Augenwinkel sah ich wie Kiran sich zusammen mit Rune wegdrehte um sich still und heimlich im gerade auftretenden Nebel zu verziehen.
"Was machen wir jetzt?" fragte Terra deren Anwesenheit ich ihn dem ganzen Tumult völlig vergessen hatte.
"Ich weiß nicht" stammelte ich unsicher und sah noch mal zu Kiran der gerade hinter dem nächsten Felsvorsprung verschwand. Er war eigenartig und irgendwie entstand in mir die Neugier herauszufinden warum er so anders war als die anderen Feuerfeen denen ich bisher begegnet war. Plötzlich hatte ich schippende Finger vor meinem Gesicht.
"Hallo! Erde an Azura!" kam es übertrieben laut von Terra.
"Was? Oh tut mir leid. Gehen wir erst mal zurück zur Akademie" schlug ich dann vor.
"Das ist ein guter Plan. Hier ist es nicht sicher für euch" meldete sich Delwin zu Wort der hinter einem Baum hervorkam und sich demonstrativ dagegen lehnte. Der Nebel wurde immer dichter und ich wurde das Gefühl nicht los das Delwin damit recht haben könnte.
"Im Nebel Leben nie die netten Kreaturen. Beeilt euch lieber" sagte Delwin mit noch mehr Nachdruck bevor er dann im Nebel verschwand.
"Komm verschwinden wir" flüsterte Terra nun und griff nach meinem Arm um mich zurück zur Akademie zu zerren.

Oben angekommen sah ich wie der Nebel an der schützenden Magie der Rektorin abprallte. Der endgültige Beweis das mit diesem Nebel nichts Gutes verbunden war. Bevor der Nebel über die Kuppelförmige Schutzbarriere kriechen konnte, sahen wir noch wie Selene auf uns zu rannte und kurz vor der Grenze mit sorgenvollem Gesicht stehen blieb. Im nächsten Moment wurden wir vom Nebel verschluckt und konnten nichts außer graue Nebelschwaden sehen. Reflexartig stellten wir uns Rücken an Rücken und das obwohl ich überhaupt nicht wusste was los war. Gleichzeitig versuchte ich Esme vorsichtig in meine Ledertasche zu legen um beide Hände frei zu haben.
"Verdammt!" hörte ich Terra zum ersten Mal fluchen.
"Was ist hier los!?" fragte ich fast schon panisch.
"Sie haben bestimmt die Aktivität der Dryade gespürt" dachte Terra laut nach.
"Wo von redest du!?" fuhr ich sie an.
"Gestaltenwandler" sagte sie knapp aber ich hatte zu viel Angst um nach zu fragen von welchen Wesen wir dieses Mal angegriffen wurden. Terra spürte meine Unsicherheit und erklärte mir trotzdem was das für Wesen waren.
"Sie werden auch die launischen vielköpfigen Wesen genannt"
"Das hilft mir nicht!" konterte ich und sah hektisch hin und her, da ich das Gefühl nicht los wurde etwas durch den Nebel huschen zu sehen.
"Ähm.... das sind... Waldgeister... die... sich in Tiere verwandeln können" stammelte sie nun vor sich hin. Ich merkte das auch sie unter enormen Druck stand und gerade nicht zu Nachhilfeunterricht im Stande war.
"Ok... sag mir einfach auf was ich achten muss" schlug ich vor um mich wenigstens auf irgendwas vorbereiten zu können.
"Sie verwandeln sich in... Wölfe... Moschusochsen und... Bären" sagte sie angestrengt und ich war mir nicht sicher ob ich die Info eigentlich wollte. Wir drehten uns auf der Stelle im Kreis. Dunkle Schatten bewegten sich durch den dichten Nebel, zunächst waren es bizarre Gestalten die in fließenden Bewegungen ihre Form veränderten. Als ich über die Schulter zu Terra blickte, sah ich das sie in Kampfstellung war und das um ihre Hände die Grüne Aura ihrer Magie tanzte. Terra war aber keine Kämpferin und ich war es auch nicht. Ich konnte mich weder mit Kampftechniken, noch mit meiner Magie verteidigen und mein Talent für Taschendiebstahl und Flucht halfen mir hier überhaupt nicht weiter. Dann hörten wir das tiefe grollen eines Bären und das scharren schwerer Hufe auf dem Erdboden. Mein Herz machte einen Aussetzer und ich malte mir tausend Möglichkeiten aus wie das ganze hier schief gehen konnte. Dann passierte es. Ein riesiger Ochse mit dickem Fell und spitzen Hörnern kam mit donnernden Hufen und gesenktem Kopf auf uns zu gerannt. Ich konnte nichts tun außer zu schreien und meine Arme zur Abwehr hochzuheben. Doch der Aufprall blieb aus. Als ich aufsah, sah ich seine feuchte Schnauze vor mir die mir mit einem festen Atemzug die Haare aus dem Gesicht blies. Bei genauerem Hinsehen sah ich das der Ochse mit Efeuranken gefesselt war und sich nicht mehr von der Stelle bewegen konnte. Ich drehte mich zu Terra die angestrengt die Fäuste ballte.
"Ich pass auf dich auf" keuchte sie, doch in diesem Moment sprang ein brüllender Bär auf sie zu.
"Terra hinter dir!" schrie ich. Sie drehte sich um und zählte eins und eins zusammen, sie schleuderte den gefesselten Ochsen gegen den Bären und beide stürzten zu Boden.
"Wow" konnte ich nur sagen während Terra ihre Hände anstarrte, dann packte Terra meinen Arm.
"Los weg hier" sagte sie und wir wollten losrennen. Wir kamen jedoch nicht weit, denn ein Rudel Zähnefletschender Wölfe trieb uns wieder zurück. An ihren Pechschwarzen Augen sah man das es sich definitiv nicht um Werwölfe handelte. Wir saßen in der Falle. Vor und die Wölfe und hinter uns der Bär und der Ochse.
"Was machen wir jetzt nur?" flüsterte ich.
"Ich weiß es nicht... ich habe meine Kräfte nie im Kampf verwendet" gab sie leise zu und langsam verließ mich wieder die Hoffnung. Hinter uns befreiten sie die Wesen aus ihren Fesseln und die Wölfe setzten schon zum Sprung an. Der griff von Terra wurde immer fester und als die Gestaltenwandler von allen Seiten auf uns zu sprangen, konnten wir nichts tun außer zu schreien. Dann hörten wir einen Biss, gefolgt von einem wimmern. Hinter uns einen dumpfen schlag dem ein Tritt folgte. Wir öffneten die Augen. Hinter uns stand Delwin der den Bären und den Ochsen mit nur zwei hieben zu Boden geschlagen hatte. Und vor uns... ein Werwolf der seine Zähne in die Kehle des Wolfes versenkt hatte und mich dabei eindringlich ansah.
"Du" stellte ich fassungslos fest als ich dem Werwolf in die Augen sah. Es war nicht irgendein Werwolf, es war der, der mich damals im Armenviertel hat laufen lassen.
Ist er mir hier her gefolgt? Oder Arbeitet er in den Semesterferien bei den Kriegerfeen? Hat er mich auch vor den Lichtfeen gerettet?
"Ihr kennt euch?" fragte Terra.
"Das ist der Werwolf aus dem Armenviertel" erklärte ich während der Werwolf den leblosen Körper fallen ließ und sich das Blut vom Maul leckte.
"Euer Wiedersehen freut mich wirklich, aber können wir das später klären?" kam es von Delwin der sich auf den nächsten Angriff vorbereitete. Der Bär und auch der Ochse rafften sich wieder auf und griffen an, so auch die Wölfe. Ich kam mir so nutzlos vor. Delwin, Terra und der unbekannte Werwolf kämpften um ihr Leben und ich stand mitten drin und schaffte es nicht Zugang zu meiner Magie zu finden. Egal wie sehr ich mich auch darauf konzentrierte, es passierte rein gar nichts. Während ich völlig die Übersicht über den Kampf verlor, packte mich Delwin und wollte mich wegziehen, doch in dem Moment kam der Ochse und rammte ihn in die Seite. So stark Delwin auch war, diesem Angriff konnte er nicht standhalten. Wir wurden getrennt und stützten etwas weiter entfernt von einander zu Boden. Esme fiel aus der Tasche und blieb neben meinem Gesicht liegen. Sie war noch geschwächt und machte nur langsam die Augen auf.
"Was ist los?" fragte sie müde.
"Du musst dich in Sicherheit bringen!" fuhr ich sie an, aber sie bewegte sich nicht. Panik brach in mir aus. Ich konnte nicht mal mich selbst beschützen, wie sollte ich sie beschützen. Kurz sah ich zu Delwin der mit dem Ochsen mehr als genug zu tun hatte. Terra und der Werwolf kämpften gegen das Rudel und was blieb da noch über?... richtig... der Bär. Das knurren kam immer näher und mein Herz raste immer schneller. Dann kam er direkt vor uns aus dem Nebel gesprungen. Er war riesig, mit gewaltigen Klauen und Messer scharfen Zähnen flog er fast schon auf uns zu. Instinktiv drehte ich mich über Esme um sie zu schützen und streckte gleichzeitig meine Hand in die Richtung des Bären. Die Erde bebte kurz und alles um mich herum wurde still, aber ich traute mich nicht aufzusehen. Als ich es doch tat, sah ich zunächst Esme die sich völlig verängstigt an meinem Arm festklammerte. Langsam richtete ich mich auf und vor mir ersteckte sich ein grauenhaftes Bild. Der Bär hing mit Leblosen Augen direkt über uns, aufgespießt auf einem riesigen Pflog aus Azurblauen Kristall. Das Blut des Bären floss an den Kanten des Kristalls Richtung Erdboden. Die Wölfe und der Ochse sahen den Bären an, dann zogen sie sich langsam zusammen mit dem Nebel in den dichten Wald zurück. Keiner sagte was und auch ich konnte nur fassungslos auf meine Hände starren. Langsam wurde mir klar warum die Lichtfeen solche Angst vor den Kristallfeen hatten...

Schattenelement - Krieg der FeenWhere stories live. Discover now