Der Greif

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Alle waren wütend auf mich und das zurecht. Wie es Delwin am Fuß des Berges ging mochte ich mir nicht mal ausmalen.
„Wir sollten weiter" nuschelte ich und sah dabei Schuldbewusst zu Boden.
„Jetzt lass mich doch erst mal deinen Flügel fertig versorgen. Mit den riesigen Flügeln kannst du doch nicht an diesen Schmalen Klippen entlanglaufen!" schimpfte Terra die mich an den Schultern packte um mich zurück auf den Boden zu drücken. Ich war noch zu schwach um mich gegen ihren griff zu währen, also gab ich nach und setzte mich wieder hin.

Es verging ungefähr eine Stunde in der Terra mit ihrer Magie, Heilpflanzen und verschiedenen Tinkturen die Wunden an meinem Flügel heilte.
„So jetzt solltest du die Flügel wieder verschwinden lassen können" sagte sie und packte ihre Sache in ihre Umhängetasche. Sie hatte Recht, ich konnte meine Flügel wieder verschwinden lassen und es ging mir schon viel besser. Bis auf die Schuldgefühle natürlich, denn die waren nach wie vor da. Nachdenklich ging ich zum Höhleneingang um in den Sturm hinauszublicken. Ahila stand draußen und lenkte den Sturm vom Höhleneingang weg.
„Du kannst den Sturm von uns ablenken?" fragte ich.
„Ja, deshalb war es auch blöd von dir hier ohne mich raufzusteigen. Die Verletzung hätte man vermeiden können" erklärte sie mürrisch. Ihr Tonfall war wie ein Stich in mein Herz. Kurz standen wir nur schweigend da, bevor wir uns entschlossen rauf auf den Gipfel zu steigen um uns dem Greif zu stellen. Die Angst vor dem Zusammentreffen ließ meine Finge in die Felswände bohren. Der Greif ist nicht nur ein Halbgöttliches und Unsterbliches Wesen, es war auch ein Gefährliches, wenn man ihn verärgerte. Er war genauso hochgeachtet, wie er auch gefürchtet wurde. Schritt für Schritt kletterten wir hintereinander den restlichen Weg hinauf. Ahila drängte währenddessen den Sturm von uns weg, was den Aufstieg um einiges Erleichterte, denn nur auf Zehnspitzen an einer Felswand entlangzugehen war auch ohne den starken Wind schwer genug.

Erschöpft zogen wir uns nacheinander auf einen Felsvorsprung rauf, der sich am Gipfel befand. Dort oben erreichte uns der Sturm nicht mehr und als wir uns keuchend aufstemmten. Blickten wir über eine weite, weiße Wolkendecke die über Helios vorüberzog. Von dem Sturm war nichts mehr zu sehen.
„Wow. Das ist unglaublich! So weit oben war ich noch nie in meinem Leben" schwärmte Selene. Eine schwergängige Bewegung hinter uns erregte meine Aufmerksamkeit. Ich drehte mich um während die anderen noch die Aussicht betrachteten. Der Greif saß auf der anderen Seite des gewaltigen Felsvorsprungs. Er war riesig und er schien nachdenklich in die Ferne zu Blicken. Vorsichtig ging ich auf ihn zu, er saß mit dem Rücken zu mir und ich glaubte das ich mich nicht bemerkte. Doch als sich sein Kopf ruckartig in meine Richtung drehte und er mich mit seinen Braun-Gelben Raubtieraugen anstarrte, blieb ich schlagartig stehen. Das Gefieder an seinem Kopf bis zu seiner Brust war Schneeweiß und ab da wurde es Hellbraun. Das Fell seines Löwenartigen Hinterteils hatte eine ähnliche Farbe. Als er sich aufrichtete hörte ich wie die Adlerklauen seiner Vorderbeine über den Felsboden kratzten. Mein Herz raste als er sich zu mit umdrehte
„Ihr müsst euch nicht anschleichen. Ich habe euch bereits erwartet" fing der Greif mit einer tiefen Stimme an zu sprechen. Sein Schnabel bewegte sich dabei nicht. Ich hörte seine Stimme nur in meinem Kopf und auch meine Freunde die plötzlich neben mir standen schienen seine Stimme zu hören.
"Wie das?" fragte ich unwissend. Terra stieß mich an.
„Ein Greif kann in die Zukunft sehen. Hast du das etwa nicht gelesen bevor du hier hochgeklettert bist!?" ich hörte ein Gelächter in meinem Kopf. Irritiert sah ich den Greif an.
„Keine Sorge kleine Schattenfee. Ich weiß von deiner Unwissenheit über die Magische Welt und ich weiß warum du hier bist" ich schluckte schwer.
„Und... wirst du uns helfen die Chimäre zu finden?" fragte ich direkt. Meine Freunde sahen mich ernst an, ich merkte das sie Angst hatten das ich was Falsches oder was Dummes sagte. Der Greif überlegte bevor er ganz nah auf mich zu kam und mich mit seinem Adlerauge direkt ansah. Ich erstarrte und traute mich nicht mehr etwas zu sagen.
„Ich werde dir helfen kleine Schattenfee, aber nur unter einer Bedingung" fing er an und die Angst stieg in mir auf.
„Und... das wäre?" stammelte ich verängstigt.
„Das der Krieg vorbei ist, ist eine Lüge. Wir befinden uns noch immer in einem Krieg. Du willst das beenden, das ist Lobenswert. Doch damit du diesen Krieg beenden kannst. Musst du wissen wie er vor tausend Jahren begann" plötzlich schlug er seine Flügel auf und er drehte seinen Rücken zu mir.
„Ich werde es dir zeigen" dann nickte er mir zu. Unsicher sah ich zu meinen Freunden die nur verwirrt mit den Schultern zuckten.
„Deine Freunde können am Fuß des Berges warten. Der Sturm wird kein Problem mehr darstellen" sprach der Greif. Meine Freunde nickten zustimmend und ich kletterte auf den Rücken des Majestätischen Wesens.
„Festhalten" sagte der Greif bevor er auf seinem Hinterbeine Stieg und auf den Rand des Felsvorsprungs zu galoppierte und sich in die Tiefe stürzten ließ. Einige Meter stürzten wir senkrecht in die Tiefe ehe er seine Flügel ausbreitete und wieder nach oben flog. Ich verkrampfte mich komplett und ich hielt mich an den Federn an seinem Hals fest. Gleichzeitig hatte ich Angst ihm eine Feder auszureißen und ihn so wütend zu machen. Es dauerte eine ganze Weile bis ich mich endlich entspannte und bemerkte wie Atemberaubend es war auf dem Rücken des Greifens über die Baumkronen und Dörfer des Landes zu fliegen. Ich traute mich meine Arme auszubreiten und vor Freude loszuschreien. Es fühlte sich an als würde ich das erste Mal fliegen, doch selbst zu fliegen oder auf dem Rücken eines Fabelwesens zu sitzen waren zwei völlig unterschiedliche Erlebnisse.

Irgendwann landete der Greif in Mitten einer Lichtung. Um uns herum war der Wald so dicht bewachsen das nicht hindurchzukommen schien.
„Wo sind wir hier?" fragte ich als ich von seinem Rücken heruntersprang.
„Das ist eine Magische Lichtung welche nur von der Luft zu erreichen ist. Sie ist außerdem so versteckt, dass man sie nur finden kann, wenn man weiß das es sie gibt. Zufällig auf sie stoßen kann man nicht" erklärte der Greif während er auf eine große alte Eiche zulief die umgeben von Glühwürmchen in der Mitte der Lichtung wuchs. Ihre Rinde sah wie ein ineinander verwobenes Konstrukt aus, nicht wie ein gewöhnlicher Baum.
„Was ist das hier?"
„Das ist der Ort der Enthüllungen und der Wahrheit. Dieser Baum offenbart dir die Entstehung der Feenkriege. Der Anfang ist bereits so lange her, dass die Wahrheit schon lange in Vergessenheit geraten ist. Deine Bestimmung ist es die Wahrheit zu kennen und wieder in die Welt hinauszutragen" erklärte der Greif voller Stolz.
„Warum ich?"
„Wenn nicht du, wer sonst?" stellte der Greif mir eine Gegenfrage.
„Ich bin eine Schattenfee. Selbst wenn ich die Wahrheit kenne, wer sollte mir glauben?"
„Deine Freunde glauben dir, das reicht" erstaunt sah ich den Greif an, dieser nickte dann in die Richtung der Eiche. Vorsichtig ging ich auf den gigantischen Baum zu. Sobald ich direkt vor ihm stand dauerte es nicht lange und die verflochtene Rinde fing an sich zu bewegen. Sie bewegte sich auseinander und offenbarte einen Spiegel in seinem inneren. Der Rahmen bestand ebenfalls aus dieser geflochtenen Rinde, als würde der Spiegel zu dem Baum gehören.
„Was... was mache ich jetzt?" hakte ich nach als ich nichts außer meinem Spiegelbild darin sah.
„Geh darauf zu und danke daran das du die Wahrheit über den Anfang der Feenkriege erfahren willst. Der Spiegel bringt dich genau dort hin, doch bedenke das du dort nur Zuschauer bist. Du kannst in das bereits geschehene nicht mehr eingreifen" erklärte der Greif. Ich nickte und ging auf den Spiegel zu, ich konzentrierte mich auf den Feenkrieg so gut ich konnte. Mein Spiegelbild verzerrte sich und ein Blauer Strudel entstand der mich in sich hineinsog entstand darin. Ich schrie vor Angst auf, währte mich aber nicht dagegen.

Mit zugekniffenen Augen stand ich wieder auf meinen Füßen. Ich traute mich erst nicht meine Augen zu öffnen, als ich es dann doch tat stockte mir der Atem. Vor mir erstreckte sich ein prachtvoller Palast. Alles war mit Gold und Silber verziert und wo man auch hinsah erkannte man den Mond und die Sonne. Die Zeichen von Licht- und Schattenfeen. Auf mich wirkte das Bild falsch und verzerrt.
Ein Palast für Sonnen- und Mondfeen? Ehe ich loslaufen konnte, rannten zwei kleine Feenkinder an mir vorbei. Ein Junge der eine Sonnenfee war und eine ein Jahr jüngere Mondfee. Die beiden Spielten und tobten durch die langen Gänge des Palastes. Ich lächelte und folgte den beiden bis in den Thronsaal. Das Bild das mir da offenbart wurde, war mir noch suspekter. Mittig am Ende des Raumes standen auf einer erhöhten Plattform zwei Throne. Auf einem davon saß eine Männliche Sonnenfee der in seiner Hand das Sonnenzepter hielt. Neben ihm saß eine wunderschöne Mondfee mit grauen Augen und weißem Haar. Sie hielt das Mondzepter in ihrer Hand. Sie wirkten Glücklich und zufrieden. Sie beobachteten wie ihre Kinder spielten und als ich aus den riesigen Rundfenstern blickte sah ich auf eine gewaltige Stadt hinab die mehr als doppelt so groß wie Hyperion war.
Wo befindet sich diese Stadt nur? Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Königspaar die anfingen über das Königreich zu sprechen.
„Ich hoffe, wenn unsere Kinder mal Erwachsen sind, dass sie sich dann immer noch so gut verstehen" schwärmte die Königin.
„Das hoffe ich auch und dass sie Seite an Seite über Helios herrschen so wie es Titania vorhergesehen hat" skeptisch wandte ich mich wieder dem Fenster zu.
Das ist Helios? Es sind o anders aus. Auch wenn das hier tausend Jahre in der Vergangenheit liegt, müsste man von so einer riesigen Stadt doch noch etwas sehen oder etwa nicht? Nachdenklich ging ich auf die gemalten Gemälde zu welche die hohen Wände zierten. Vor einem der Bilder blieb ich stehen. Eine riesige Fee mit 14 Flügeln war darauf abgebildet. Vor ihr standen eine Licht- und eine Schattenfee.
„Das muss Titania sein" stellte ich fest, denn man sah wie sie den beiden das Sonnen- und das Mondzepter überreichte. Unter dem Bild war eine Tafel, auf der Inschrift stand:

„Licht braucht Schatten und Schatten braucht Licht. Ohne das eine existiert das andere nicht. Nur zusammen können sie Herrschen und nur zusammen bringen sie Frieden"

War das die Wahrheit von der der Greif sprach? Konnte der Krieg nicht beendet werden solange die Schattenfeen in der Schattendimension gefangen waren? Eine ganze Weile stand ich da und versuchte noch irgendeinen Hinweis in dem Bild zu finden. Alles hier wirkte so Friedlich und Schön. Ich drehte mich wieder zu der Familie um. Eine Familie die Glücklich war und ein Leben in Frieden und Wohlstand anstrebten. Keine Ideologie, kein Fanatisches Verhalten und keine Unterdrückung. Jeder war frei und konnte tun was er wollte, lieben wen er wollte. Alles hier war genauso wie Titania sich das gewünscht hatte. Doch nun stand ich hier, ein Gast aus der gleichen Welt doch aus einer anderen Zeit. Und die einzige Frage die ich mir stellen konnte war:
„Wie konnte das alles hier nur kaputt gehen?"...

Schattenelement - Krieg der FeenWhere stories live. Discover now