Tag 8

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Neteyam

Ao'nung wartete am Steg vor unserer Hütte auf mich. "Na, freust du dich?", fragte er, ehrlich interessiert. "Was für eine Frage; natürlich!", antwortete ich grinsend. Heute würde ich mich an einem Ilu binden. Zumindest war das der Plan. Der Junge rief zwei Ilu herbei - seinen eigenen und einen ungebundenen. Er machte Tsaheylu mit dem Tier und bot mir seine Hand an. "Am Besten versuchen wir das etwas weiter draußen um niemanden zu stören." Ich ergriff sie nach kurzem Zögern und glitt vorsichtig hinter ihn auf den Ilu. "Halt dich gut fest", riet er mir, woraufhin ich meine Arme locker um seinen Oberkörper legte. Mit seiner Hand umgriff er meinen Oberschenkel kurz über meinem rechten Knie - genauso wie Dad es gestern bei Mama gemacht hatte.
Als die zwei Ilu plötzlich lostauchten verstärkte sich mein Griff um Ao'nung und ich klammerte mich regelrecht an ihn. Seine Hand war warm auf meiner Haut, hielt mich aber sanft und gleichzeitig sicher fest. Als wir wieder an die Oberfläche kamen, löste ich mich von dem Rücken vor mir und zog meine Arme zurück. Wir schwammen langsam bis an einen kleinen Felsen unter Wasser, auf den ich mich stellen sollte. Er ließ schließlich mein Bein los und ich stieg mit zitternden Knien ab. Das lag vermutlich an dem Adrenalinrausch von dem schnellen Ritt durch das Meer. Der andere Ilu gesellte sich zu mir und wartete geduldig, bis ich Tsaheylu mit ihm gemacht hatte. Danach verbesserte ich mich gedanklich - mit ihr. "Jetzt steig auf. Halt dich mit der linken Hand an ihrem Kopf fest." Ich sah, was Ao'nung meinte und folgte seinen Anweisungen. "Ich hoffe deine Hand ist stark."
Die Iludame schien aber keineswegs sofort einen Affenzahn wie der andere Ilu an den Tag legen zu wollen. Stattdessen schwamm sie in gemäßigtem Tempo durch die Wellen, bis ich tauchen dachte und wir absanken. Sie nahm an Geschwindigkeit auf, bremste sich aber sofort wieder wenn ich meinen Sitz zu lange verloren hatte.
Ao'nung holte auf seinem Ilu zu mir auf und gemeinsam glitten wir durch die schier grenzenlosen Weiten des Wassers, bis wir an einem Übergang von Riff zum offenen Meer Halt machten. Worauf wartest du? deutete er. Willst du da hin? fragte ich ihn und deutete in das tiefe Blau. Hast du etwa Angst? Ein mulmiges Gefühl machte sich bei mir im Bauch breit. Nein. Vor ihm würde ich jetzt sicher nicht zugeben, dass ich ein wenig Angst davor hatte, so weit rauszuschwimmen. Ich streichelte meinem Ilu über den Hals und sah dem Metkayina zu, wie sie aus dem Riff schwammen. Mein Tier bemerkte scheinbar meine Unbehaglichkeit, denn sie schwamm nur langsam hinterher, bis ich das ungute Gefühl abschüttelte und entschied, dass ich Ao'nung vertrauen würde. Wir jagten uns eine Weile durch das blaue Wasser und hatten viel Spaß zusammen.
Plötzlich schien er etwas hinter mir zu bemerken, wurde bleich und deutete hektisch Wir müssen sofort weg! Ich hinterfragte es nicht, sondern tauchte mit meinem Ilu in Höchstgeschwindigkeit zurück Richtung Riff. Ich hatte die Entfernung unterschätzt und als ich mich umdrehte um zu überprüfen, ob Ao'nung noch da war, hatte ich ein weitaus größeres Problem, im wahrsten Sinne des Wortes. Später erfuhr ich dass das Tier ein Akula war. In dem Moment war mir jedoch der Name von dem, was uns ganz offensichtlich als Imbiss betrachtete, ziemlich egal. 'Ilu', wie ich meine Dame kreativerweise getauft hatte, gab alles was sie hatte in einem lebensbedrohlichen Wettrennen gegen den Akula. Sie schlängelte sich durch Korallen und Felsen als hätte sie nie etwas anderes getan. Ich fühlte mich mit ihr an meiner Seite sicher, allerdings rutschte langsam meine Hand immer öfter ab und auch mit meinen Beinen vermochte ich mich kaum noch zu halten.
Ich teilte ihr mit, dass sie mich in einem guten Versteck absetzen und sich dann allein auf den Weg zurück machen sollte - ich verlangsamte sie nur. Zögernd gab sie nach und als wir einen dichten Busch aus Algen und sonstigen Pflanzen passierten, rutschte ich von ihrem Rücken und hielt mich an ein paar dicken Stängeln fest.
Ilu schwamm davon und lockte so den Akula von mir fort. Als ich mich halbwegs in Sicherheit wog, wollte ich auftauchen zum Luft holen; jedoch wurde ich von jemandem gepackt und festgehalten. Ich klammerte mich etwas verängstigt und mit rasendem Herz an jemanden, den ich schließlich erkannte: Ao'nung. Wir tauchten erst wieder auf, als wir im Riff angekommen waren. Ich bemerkte jetzt erst, wie ich dagesessen war: Zwischen seinen Armen, meine rechte Schulter und mein Kopf lehnten an seiner Brust und meine Beine lagen über seinem rechten Oberschenkel. Mit einer Hand hatte er meinen linken Oberarm festgehalten und mich an sich gezogen. Jetzt lockerte er den Griff und sah mich besorgt an. "Alles gut bei dir? Wo ist dein Ilu?" "Ich hab sie hergeschickt - mit mir wären wir diesem Ding niemals entkommen." Er bemerkte, dass ich am ganzen Körper zitterte. "Umarmung?" Ich nickte nur, woraufhin er meine Beine nahm und sie sich um die Hüften schlang und mich dann fest in den Arm zu nehmen. Ich konnte nicht verhindern, dass mir Tränen über die Wange liefen und ich schluchzte unterdrückt. Er streichelte mir über den Rücken und schaukelte uns ganz sanft hin und her.
Nach einer Weile hatte ich mich wieder gefangen, fühlte mich aber nicht dazu in der Lage, ihn loszulassen. Sein Ilu schwamm langsam zu einer kleinen abgelegenen Insel und Ao'nung stieg dort ab, hielt mich ganz fest im Arm und setzte sich dann kurzerhand mit mir auf dem Schoß in den Sand. Er strich mir nebenbei durch die Haare und versicherte mir immer wieder, dass ich jetzt in Sicherheit war und dass das nie wieder so passieren würde. "Es tut mir so leid, dass wir das Riff verlassen haben. Das hätte ich nicht vorschlagen sollen. Und schon gar nicht heute, kurz nachdem du dich mit deinem Ilu verbunden hast. Es ist meine Schuld, dass das passiert ist."
Ich legte meine Stirn auf seine Schulter und löste mich ein kleines Stück von ihm. Ohne ihn anzusehen antwortete ich. "Es war nicht deine Schuld. Ich hätte nein sagen oder zugeben sollen, dass ich Angst hatte. Außerdem hast dus ja nicht drauf angelegt, dass sowas passiert. Oder?" Damit hob ich meinen Kopf und sah ihn prüfend an. Etwas entsetzt starrte er zurück. "Natürlich nicht! Wie kommst du auf sowas?" Unsicher zuckte ich mit den Schultern und sah weg. Er zog mich wieder in seine Arme und so verweilten wir, bis Tsireyas Stimme uns aufschrecken ließ. "Ao'nung?" Angesprochener schob mich vorsichtig von seinem Schoß und blickte seine Schwester an. Neben ihr stand - wer hätte das gedacht - Lo'ak. Er zog eine Augenbraue hoch und grinste, bis er meine verweinten Augen und zitternden Hände bemerkte. Mit gesenkter Stimme fragte er mich, als er neben mir kniete, was passiert war. Ich sah Ao'nung an und erzählte dann laut genug, damit Tsireya mich auch verstand, was sich vorhin abgespielt hatte.

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt