Tag 8 Teil 2

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Ao'nung

Auch ich lauschte seiner Erzählung. Ich fühlte mich extrem schlecht, weil ich ja quasi für das Alles verantwortlich war. Vielleicht hatte er jetzt das bisschen Vertrauen, das er möglicherweise in mich hatte, verloren. Dieses Wissen und der Gedanke, dass es meine Schuld war, versetzten mir einen Stich.
Als er geendet hatte, schaute ich unbehaglich in den Sand. Lo'ak und Reya drückten ihr Mitgefühl aus und auch ich entschuldigte mich erneut. Neteyam seufzte und sah mir fest in die Augen. "Zum letzten Mal: Es ist nicht deine Schuld. Also hör bitte auf damit." Ich wich seinem Blick aus und kratzte mir den Arm.
Lo'ak stupste Tsireya an und sie nickte. "Ich werde mit deiner Erlaubnis Dad davon erzählen", sagte sie an Neteyam gewandt. "Er sollte wissen, dass ein Akula so nah beim Riff war." Der Junge nickte ergeben. "Du hast Recht. Und richte ihm aus, dass es dumm von uns war, das Riff so früh und vor Allem allein zu verlassen." Sie nickte und half Lo'ak auf. Dieser wuschelte Teyam durch die Locken und lächelte aufmunternd. "Wenn du's Mom und Dad sagen willst, sag vorher bescheid." Er nickte und Reya nahm Lo'aks Hand. Ich sah die beiden forschend an und nach einem kurzen Blickwechsel ihrerseits wurden sie rot und küssten sich kurz. Mir und Neteyam stand der Mund offen und wir sahen scheinbar gleichermaßen überrascht aus, denn die beiden kicherten und ließen uns dann wieder allein.
"Dein Bruder vögelt meine Schwester", stellte ich fest. Neteyam boxte mich. "Sag sowas nicht. Freu dich doch dass sie zusammen sind." Ich sah ihn zweifelnd an. "Auch wenn Lo'ak ein Hitzkopf ist. Ich denke nicht, dass er ein schlechter Einfluss sein wird", meinte er und klang überzeugt. "Wenn er ihr wehtut reiß ich ihm den Kopf ab." Teyam nickte zustimmend.

"Geht es dir wieder besser?", fragte ich nach einer Weile. Er seufzte und zuckte mit den Schultern. "Willst du zurückschwimmen oder soll ich meinen Ilu rufen?" Ich bekam keine aussagekräftige antwort, also rief ich Rusu. Mit beiden Händen half ich dem Jungen hoch, bugsierte ihn Richtung Wasser und stoppte, als er sich dagegen wehrte. Seine Hand zitterte wieder und ich öffnete meine Arme. Ohne zu Zögern drückte er sich an mich und ich umarmte ihn sanft. "Ich kann dich nicht alleine hier lassen. Und weil du dich nicht entscheiden kannst übernehm ich das für dich, okay?" Er nickte leicht. Ihn halb schiebend, halb tragend erreichten wir Rusu und ich stieg auf, mit Neteyam zwischen meinen Armen wie vorhin. Ich hielt ihn sicher fest und als wir losschwammen, vergrub er seinen Kopf an meiner Brust. Mit meiner freien Hand strich ich ihm durch die Haare und über den Rücken.
In gemächlichem Tempo näherten wir uns dem Strand und als wir ankamen, verweilte ich ein bisschen in der Position um ihm Zeit zu geben, sich zu beruhigen. Als er nach zehn Minuten immer noch keine Anstalten machte, sich zu bewegen, stupste ich ihn an. "Neteyam?" Keine Reaktion. Auch nicht als ich ihn wiederholt ansprach.
Er war tatsächlich eingeschlafen. Lächelnd hob ich ihn hoch, stieg von Rusu ab und machte mich auf den Weg zu seiner Unterkunft. Meine Arme wurden allmählich müde, doch ich hielt durch. Neytiri sah mich erschrocken an, als sie ihren Sohn erkannte. Ich legte ihn drinnen ab und setzte mich dann zu ihr. "Was hast du getan?", fauchte sie leise.
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte und ließ nur aus, dass er dauernd in meinen Armen gelegen hatte und dass Lo'ak was mit meiner Schwester hatte. Sie lauschte bestürzt und neigte den Kopf, als ich fertig war. "Wenn das so ist, muss ich dir danken. Möchtest du etwas essen?" Ich nickte, da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und inzwischen ziemlich hungrig war. Während Neytiri noch am kochen war kamen Jake, Kiri und Tuk nach Hause und begutachteten mich. Ich erzählte in Kurzfassung, was sich heute ereignet hatte und auch Jake beschloss, dass ich gerne zum Essen bleiben konnte.
Es war schon fast dunkel, als mir Neytiri eine Schüssel mit duftendem Eintopf reichte. Grade als ich anfangen wollte zu essen, rumpelte es drinnen. Ich stellte die Schale ab und ging dem Geräusch nach, wissend, dass es Neteyam gewesen sein musste. Er richtete sich grade auf und rieb sich den Kopf. Ich lachte leise und er boxte mich auf den Arm. "Lach nicht, das wäre dir auch passiert." Grinsend ging ich mit ihm zurück zu seiner Familie und seine Mom umarmte ihn fest. "Ist es wahr, was der Junge erzählt hat? Wurdest du wirklich von einem Akula angegriffen?" Er nickte nur und gähnte. Sie strich ihm über den Kopf und reichte ihm auch eine Schüssel mit Essen. Er ließ sich neben mir auf den Boden sinken und gemeinsam genossen wir die warme Mahlzeit nach diesem Horrortag.

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt