Tag 73

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Lo'ak

Ich übernachtete wie so oft bei Tsireya. Seit einigen Tagen war ihr morgens unglaublich übel und sie hatte sich auch schon ein paar mal übergeben. Sie versucht es, vor mir zu verstecken, da es ihr unangenehm war, aber ich bekam es trotzdem mit.
So auch diesen Morgen.
Auf einmal wand sie sich vorsichtig, um mich nicht zu wecken, aus meinen Armen und verschwand eilig.
Einige Minuten später kam sie wieder und legte sich leise wieder zu mir. Ich wartete noch ein bisschen und tat dann so, als würde ich aufwachen. "Guten Morgen Schönheit." Sie lächelte süß. Große Mutter, ich liebte ihr Lächeln so sehr. Vor allem die Grübchen, die sie bei beiden Wangen hatte. Zärtlich nahm ich ihre kleine Hand in meine. Dann spielte ich abwesend mit ihren vier Fingern und war wie jedes mal von ihren Händen fasziniert. Sie waren so anders als meine. Viel kleiner, aber gleichzeitig deutlich muskulöser und mit einer Flosse außen am Arm.
"Lo'ak!", sagte sie etwas lauter. Ich zuckte zusammen. "Hm?" Sie lachte leise. "Ich hab dich gefragt ob du Hunger hast." Manchmal verlor ich mich so sehr in meinen Gedanken, dass ich von meinem Umfeld nichts mehr mitbekam. In letzter Zeit passierte mir das immer öfter. Dad meinte, dass ich vielleicht ADHS oder ADS hatte. Das bedeutete, dass ich mich oftmals nur schwer konzentrieren konnte und meine Umwelt komplett ausblendete. Aber gleichzeitig brauchte ich immer etwas, an dem ich herumspielen konnte - wie eben jetzt die Hand von Tsireya. Meinstens flocht ich kleine Zöpfe in ihre Haare, die sie dann so lange drin ließ, bis sie sich von allein lösten. Hin und wieder machte ich auch meine eigenen Zöpfe auf; aber danach musste ich immer Neteyam bitten, sie neu zu machen, weil ich es immer noch nicht konnte.
"Lo'ak te Suli Tsyeyk’itan!", fauchte sie. "Sorry. Ja, Frühstück wäre gut." "Du lebst echt komplett in deiner eigenen Welt." Ich ließ die Ohren hängen, bis ich merkte, dass sie es nicht böse gemeint hatte.
Mit roten Wangen stand ich auf und kratzte mich am Nacken. Sie betrachtete lächelnd meinen Körper und biss sich dann auf die Unterlippe. Ich lachte.
Zusammen frühstückten wir und sie nahm sich direkt noch eine zweite Portion. Mit einem wohlwollenden Lächeln bemerkte ich, dass sie langsam ein wenig rundlicher wurde. Aber das war ja während einer Schwangerschaft absolut normal und auch gut so.

Wir beschlossen, dass wir mit unseren Ilus ein bisschen durch die Gegend schwimmen  und uns dann eine kleine Insel suchen würden, die wir für uns allein hätten. Seit Tsireya von dem Baby wusste, war sie nicht mehr auf ihrem Ilu gesessen.
Kaum hatten die beiden Tsaheylu gemacht, wurde ihr Reittier ganz aufgeregt und stieß fröhlich quiekende Laute aus. Sie lächelte und streichelte ihren Hals. "Fertig?", fragte sie mich dann und wir schwammen zusammen durch das klare Wasser.
In der Ferne wurde langsam eine Figur größer und dann erkannten wir endlich Beyral. Seit dem Abend hatten wir nicht mehr wirklich geredet, was ich durchaus schade fand. Sie war unglaublich nett.
Ich wollte nicht wissen, was zwischen Ao'nung und ihr vorgefallen war. Es ging mich auch nichts an. Aber irgendwie juckte es mir in den Fingerspitzen, das zu fragen. Nachdem das aber ziemlich taktlos wäre, beschloss ich, später Tsireya zu fragen.
Erst einmal begrüßten wir uns freundlich. Das Mädchen hatte inzwischen auch einen Bauchansatz bekommen, was an ihr gut aussah. Wir tauchten auf und Reya nahm meine Hand. Sie lächelte und begann sofort, mit Beyral Erfahrungen mit der Schwangerschaft auszutauschen. Da ich natürlich nicht mitreden konnte, hielt ich einfach meinen Mund und hörte den beiden Damen zu. Beyral benutzte unglaublich viel Gestik beim Reden und ihre Arme hielten kaum einen Moment still. Das brachte mich zum Lächeln - irgendwo her kannte ich das schließlich.
Dann strich Tsireya mit ihrem Daumen über meinen Handrücken und mein Blick huschte zu ihr. Zufrieden stellte ich fest, dass sie sich immer noch prächtig zu amüsieren schien und nur unterbewusst meine volle Aufmerksamkeit erregt hatte.
Ihre voluminösen Haare fielen ihr in kleinen Locken über die Schultern und den Rücken hinab. Ich fragte mich, wie lang sie wohl wären, wenn sie glatt wären. Eine Zeit lang versuchte ich, mir das bildlich vorzustellen, gab das aber schnell wieder auf. Tsireya ohne ihre Haarpracht war einfach nicht dieselbe.
"Hast du eigentlich von deiner Mama noch irgendwas gehört?", fragte sie grade. Ihr Ausdruck verdüsterte sich wie auf Knopfdruck. "Ja. Sie findet es überhaupt nicht akzeptabel, dass ich nicht mehr bei ihr wohne. Aber ich hatte auch eigentlich nichts anderes erwartet. Sie wird sich schon wieder einbekommen. Hoffe ich zumindest." Mein Herz brannte aus Mitleid.
Ich drückte sanft ihren Arm und lächelte aufmunternd. "Das wird schon wieder, okay? Wir sind für dich da." Ihre Miene wechselte von bekümmert zu erleichtert. "Danke", sagte sie leise und legte ihre Hand auf meine. Für einige Momente verharrten wir so - grade lange genug, damit es komisch wurde.
Peinlich berührt zog ich meine Hand weg und ich meinte zu sehen, wie sich ihre Wangen erröteten. Reya schien von all dem nichts mitbekommen zu haben. "Ich werde dir immer zuhören. Du musst nur mit mir reden." Sie nickte und mied den Blick meines Mädchens.
Ich fragte mich wieso.
Jedenfalls unterhielten wir uns noch eine Weile, bis sie sich wieder auf den Weg machte. Auch wir setzten unsere Suche nach einem geeigneten Platz fort. Fündig wurden wir erst draußen im Ozean. Aber dafür war die Aussicht herrlich und die Natur atemberaubend schön. Sie legte sich auf den Rücken in den Sand und blinzelte mich müde an. "Worauf wartest du?"
Dieses indirekte Angebot ließ ich mir natürlich nicht entgehen und kuschelte mich eng an sie. Auch wenn ich 'der Mann in der Beziehung' war, so genoss ich es dennoch immer, wenn wir kuschelten und sie mich auf diese Art in ihren Armen hielt. Ich fühlte mich jedes Mal geborgen wie sonst nie - so auch jetzt.
Dennoch wanderten meine Gedanken zurück zu Beyral. Wie würde wohl ihr Kind aussehen? Wäre es möglich, dass Ao'nung Neteyam doch irgendwann wegen ihr verließ? Vielleicht würden die beiden auch heiraten und Beyral wäre für immer das fünfte Rad am Wagen. Ich wünschte es ihr nicht. Es musste bestimmt hart genug sein, von dem Ex-Freund schwanger zu sein, der jetzt einen männlichen Partner hatte und das Kind mit diesem großziehen wollte. Und darüber hinaus hatte sie niemanden, der sie emotional unterstützen konnte. Naja, meine und Tsireyas Familie, aber so war es ja auch nicht gemeint. Eher, dass sie nicht in einer Beziehung war und das relativ allein durchstehen musste.
Nebenbei zeichneten meine Finger kleine Muster auf Tsireyas Handgelenk.

Ich wünschte, ich wäre wieder sorglos und high.

[ich hab irgendwie mega viele ideen für kapitel aber gleichzeitig ist mein kopf absolut leer]

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt