Tag 90

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Ao'nung

Ich machte mir Sorgen um Neteyam. Immer öfter hatte ich mitbekommen, dass er high war. Und ich hatte ihm jedes Mal angeboten, dass er mit mir reden könnte, wenn es zu schlimm würde. Aber er stritt es ab und behauptete immer noch, dass er keine Hilfe brauchte und dass er Kontrolle drüber hatte. So auch jetzt.
"Verdammt, Ao'nung, zum letzten Mal, es geht mir gut! Es nervt." Es kam eigentlich nur selten vor, dass er auf mich sauer war, aber in letzter Zeit häufte sich das. "Teyam, ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Versteh das doch", sagte ich leise, weil meine Stimme zu versagen drohte. Ich wollte ihn küssen, aber er schubste mich etwas heftiger als nötig weg. "Ich brauch dein Mitleid nicht. Lass mich in Ruhe!" Dann verschwand er.
Stumm ließ ich mich auf den Boden sinken und legte meine Arme um meine Beine. Was hatte ich nur getan? Das war alles meine Schuld. Hätte ich ihm doch nur nie gezeigt, wie Onyekachi aussah. Jetzt war es zu spät. Ich hatte ihn gewarnt, aber er hatte nicht auf mich hören wollen.

Tsireya kam leise zu mir und setzte sich neben mich. In meinem Kummer registrierte ich sie kaum - auch nicht, dass sie ihren Arm um mich legte und mit mir redete. Sie wusste, was mit Neteyam los war. Ich hatte es ihr erzählt, aber sie hätte trotzdem erkannt, warum er sich so daneben benahm; immerhin kannte sie es von mir.
"Es tut mir leid", brachte ich stockend raus. "Dass ich damals die ganzen Sachen zu dir gesagt habe." Ich war das größte Arschloch gewesen und trotzdem hatte sie sich um mich gekümmert. Das würde ich nie vergessen.
Sie seufzte. "Du meintest es ja nicht so. Und außerdem hast du dich jetzt wirklich schon oft genug dafür entschuldigt. Jetzt müssen wir uns erst mal überlegen, wie wir Neteyam helfen können. Lo'ak ist auch schon sprachlos, weil Teyam dauernd gemein zu ihm ist." Das brach mir das Herz. Anfangs hatte ich Lo'ak nicht leiden können, aber inzwischen waren wir gute Freunde geworden und ich konnte es nicht einfach so hinnehmen, dass ihn jemand beleidigte - selbst wenn dieser Jemand Neteyam war. Ich stand auf.
"Hilfst du mir dabei?" Sie lächelte leicht. "Natürlich. Das ist doch im Endeffekt sowieso meine Aufgabe. Aber ich werde alles für ihn tun, was ich kann, okay? Aber letztendlich muss er sich selbst eingestehen, dass er damit aufhören muss."
Aus eigener Erfahrung wusste ich, wie schwer es war, zuzugeben, dass man Hilfe brauchte. Deswegen bot ich sie meinem Freund jeden Tag aufs Neue an, damit es für ihn nicht so schwer wäre, über seinen Schatten zu springen. Aber bisher hatte er es immer nur heruntergespielt und neuerdings war er doch ziemlich unfair zu mir. Wenn ich nicht wüsste, warum es ihm so ging, hätte ich schon längst mehr Abstand zwischen uns gebracht. Der Junge brauchte mich aber, also konnte ich mich nicht von ihm abwenden.

Just in diesem Moment - Tsireya und ich waren eigentlich grade auf der Suche nach Lo'ak gewesen, damit der uns helfen konnte - trafen wir auf Neteyam. Als er uns sah, verdüsterte sich seine Miene. "Neteyam, hi, hättest du Lust mit uns später was zu essen?", fragte Tsireya gespielt unwissend. Er verzog das Gesicht. "Ich bin sicher dass mein Bruder dir nur zu gern Gesellschaft leisten würde." War ich irgendwie Luft für ihn? "Aber -", setzte ich an, konnte aber meinen Satz nicht beenden bevor er sich umdrehte und ging.
Wortlos blieb mein Mund offen stehen. "Er muss sich wirklich bald zusammen reißen. Denkst du, ihr bekommt das hin?" Je mehr Tage verstrichen, desto unsicherer wurde ich deswegen. "Möglich. Außerdem hab ich ja noch dich." Sie hatte mir von Anfang an ihre Hilfe dabei angeboten. Auch jetzt lächelte sie. "Natürlich. Geh ihm nach und pass auf ihn auf."

Ich hatte auf meine Schwester gehört und war jetzt auf der Suche nach meinem Schatz. Es dauerte nicht allzu lang, bis ich ihn in einer dunklen Ecke am Boden sitzen sah. Eine Rauchwolke umgab ihn und ich musste mich ehrlich überwinden, mich zu ihm zu setzen. Er warf mir einen genervten Blick zu. "Was machst du denn schon wieder hier." Es war mehr eine Aussage als eine Frage.
"Ich mache mir Sorgen um dich, Teyam. Du brauchst Hilfe." Er verdrehte lediglich die Augen, aber es war die Wahrheit und das wussten wir beide. "Mit Sicherheit brauche ich deine Hilfe nicht. Geh und nerv irgendwen anderen mit deinem ewigen Optimismus." Doch etwas gekränkt von seinen Worten sah ich zu Boden, bis ich mich wieder fasste.
"Weißt du was? Mir reicht es jetzt. Du kommst mit mir mit. Ich lasse mir deine Gemeinheiten nicht länger gefallen und ich will dir da raus helfen bevor du noch irgendwas sagst oder tust, was du später ernsthaft bereuen würdest."
Entgegen all seiner Proteste - er fluchte, schimpfte und wehrte sich gegen meinen Griff - brachte ich ihn umständlich zu Tsireya. Nachdem ich ihn auf mein Bett gelegt hatte schnallte sie ihn mit einigen Bändern darauf fest. Er würde sich so schnell nicht mehr bewegen können.

Wir ließen ihn für ein paar Minuten allein in der Hoffnung, dass er sich ein wenig beruhigen würde. Aber sobald wir mein Zimmer betraten, ging es wieder von vorne los. "Mir reicht es. Meinetwegen soll er hier bleiben. Ich gehe jetzt zu den Sullys. Kommst du mit?" Reya war sowieso schon sichtlich genervt und auch durchaus verletzt von dem, was Neteyam zu ihr gesagt hatte, also nickte sie. "Ich kann mir das nicht länger anhören. Und das muss ich auch gar nicht. Fürs Erste warten wir ab, bis er eingeschlafen ist." Das klang vernünftig. Bei den Sullys angekommen zog uns Jake beiseite.
"Also, was ist mit meinem Jungen?" Überfordert wechselten wir einen Blick, aber es war klar, dass wir ihn nicht anlügen sollten.
"Wir setzen Neteyam jetzt auf Entzug. Er hat es mit dem Onyekachi übertrieben und ist nicht mal mehr in der Lage, mich als seinen Partner zu erkennen." Er schwieg einige Momente. "Und das hättest du mir nicht früher sagen können?" Noch bevor ich darauf antworten konnte, hob er die Hand. "Ich hätte es selbst erkennen müssen. Also wie geht es jetzt mit ihm weiter?"

*

[das letzte Kapitel hat scheinbar bei vielen für verwirrung gesorgt, also hab ich es wieder runtergenommen. ich hoffe jetzt ist es besser]

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt