Tag 69 Teil 2

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Neteyam

Meine Lungen brannten, als sie sich endlich wieder mit Luft füllten. Es fühlte sich an, als hätte ich seit Tagen nicht geatmet.
Dann fiel mir ein, was geschehen war.
Aber... dennoch war ich jetzt grade lebendig.

Bruchstückhaft erinnerte ich mich, dass sich etwas in meinen Kopf gedrängt hatte und nicht mehr von da weggegangen ist. Dieses Etwas, da war ich mir sicher, war der Grund, warum ich doch nicht mehr tot war. Die einzige mögliche Erklärung war Eywa.

Die Schmerzen in meinem Brustkorb legten sich recht schnell wieder.

"Was denkst du wird Neteyam dazu sagen?", fragte jemand. Ich hörte es nur ganz leise, deswegen konnte ich auch die Stimme nicht zuordnen. "Er wird es verstehen. Neteyam hat ein großes - " Eine Welle Kopfschmerzen übertönte die Stimme. " - durchkommen. Außerdem seid ihr nicht allein." Ich fragte mich, was ich verstehen würde und mit wem ich durch was durchkommen musste. "Wie fühlst du dich dabei, das Kind wegzugeben?"
Kind?
Wie lange war ich weg gewesen?
"Nicht so gut. Es ist noch nicht mal geboren, aber es fühlt sich falsch an, wenn ich es in einer anderen Familie glücklich werden sehen müsste."

In dem Moment fiel mir auf, dass das Ao'nung war.

Jemand - ich nahm an, dass er es war, ließ sich neben mich fallen. Ein zweiter Na'vi war zu meiner Linken und jemand suchte an meinem Hals nach einem Puls.
Danach wurde es still.
Jemand weinte.

Müdigkeit drohte, mich zu übermannen, aber ich kämpfte dagegen an. Ich wollte Ao'nung wiedersehen und ihn wieder in meinen Armen halten.
Probeweise versuchte ich, einen Finger zu bewegen. Es fühlte sich an, als würde ein ausgewachsener Tulkun auf meiner Hand liegen.
Es dauerte ein wenig, bis das Gefühl einigermaßen abgeklungen war. Ich versuchte es nochmal.
Ich spürte, dass er sich bewegen ließ
Bei einem weiteren Versuch ging es schon etwas einfacher.
Meine Augenlider waren tonnenschwer; ich bezweifelte, dass ich sie je wieder öffnen konnte.
Ao'nung strich mir zärtlich über die Wange. "Bitte wach auf, mein Lieber." Mein Herz machte einen Hüpfer, als er das sagte. Ich wollte ihm sagen, dass ich wach war. Alles was passierte war, das meine Lippen sich stumm teilten.
Er atmete scharf ein. "Neteyam? Kannst du mich hören?" Ich bewegte meine Finger ein wenig und stupste ihn unabsichtlich an. "Bei Eywa, Neteyam!" Etwas tropfte auf meinen Oberkörper und aus dem Schluchzen schloss ich, dass es Tränen waren. Neytiris große Hände legten sich zitternd an meine Wangen. "Neteyamur?"
Sie hatte mich lang nicht mehr so genannt. Ich schmolz dahin.
Mein Mundwinkel zuckte ein kleines bisschen nach oben.
Mom schluchzte unterdrückt und presste ihre Lippen auf meinen Handrücken. Ganz vorsichtig drückte ich ihre Hand ein bisschen.
"Teyam? Glaubst du du kannst die Augen aufmachen?" Für Ao'nung würde ich alles tun, keine Frage. Aber es war so unendlich anstrengend und ich war so müde.
Kraftlos atmete ich aus.
"Bleib wach, mein Lieber. Bitte." In seiner Stimme schwang so viel Schmerz und Sehnsucht mit.
Eine Träne löste sich aus meinen geschlossenen Augen. Er wischte sie ganz sanft weg. "Ist okay. Ruh dich aus."
Es brach mir das Herz, ihn das so sagen zu hören. Trotz aller Anstrengungen verlor ich wieder das Bewusstsein. Oder ich schlief ein; schwer zu sagen.

Als ich wieder wach wurde, war es bereits dunkel. So viel konnte ich auch durch meine geschlossenen Augenlider erkennen.
Schmerzen durchzuckten meinen Kopf, als ich versuchte, mich zu bewegen. Für den Anfang begnügte ich mich damit, meinen Mund zu öffnen.
Mein Hals protestierte beim Versuch, zu sprechen. Ich schluckte angestrengt. "Mmm?" Mehr als das brachte ich nicht raus. Entschlossen strengte ich mich noch einmal an. "Mmom?", fragte ich heiser.
Jemand berührte mich und ich erschrak. "Neteyam. Wie geht es dir mein Junge?" Dad. "Mmmhm", summte ich zustimmend. Er lachte. "Das glaube ich kaum. Du solltest dich schonen." "Mh-mh", widersprach ich. Ich hatte mich lange genug geschont und ich wollte endlich aufstehen.
"Kannst du mich anschauen Junge?" Das war eine sehr gute Frage. Zögerlich versuchte ich, meine Augen zu öffnen. Es ging einfacher als gedacht.
Langsam erkannte ich ein Gesicht über mir. Er lächelte glücklich und rief nach Mom. Keine fünf Sekunden später erschien sie in meinem Blickfeld. Mein Gehirn war etwas überfordert mit den ganzen Informationen, aber bisher ging es mir noch relativ gut. "Mein Sohn." Zärtlich strich sie mir über die Wange. "Soll ich Ao'nung holen?" "Mh-mh. Morgen", brachte ich raus. Ich wollte nicht, dass er mich so sah. So schwach und hilflos. "Wasser?", flüsterte ich. Meine Kehle brannte. Dad flößte mir etwas ein und ich fühlte mich direkt besser.

Der Weg des Wassers hat keinen Anfang und kein Ende.

Ich wusste nicht, woher die Stimme kam oder wer das gesagt haben könnte. Aber es hallte in meinem Kopf wieder.
Mühsam zwang ich mich dazu, mich aufzurichten. Dad stützte mich dabei und lächelte mit Tränen in den Augen. "Oh Junge", hauchte er und nahm mich vorsichtig in den Arm. Mom schloss sich dem an und ich war zufrieden, dass ich meine Eltern endlich wiederhatte. Und ich war mir sicher, dass sie mindestens genauso froh waren, mich zu haben.
Mom hielt mir eine Schüssel mit dampfender Suppe hin. "Iss. Ich werde Tonowari und Ronal trotzdem jetzt Bescheid sagen. Aber wenn du möchtest sage ich ihnen dass sie es Ao'nung und Tsireya nicht erzählen sollen, okay?"
Ich nahm die Schüssel vorsichtig, aus Angst, dass ich etwas verschütten würde. "Ich möchte Ao'n morgen überraschen. Das ist alles. Tsireya darf es gern wissen." Sie strich mir liebevoll durch die Haare. "Wir sind so glücklich dich wiederzuhaben Neteyamur." Lächelnd sah ich auf mein Essen und beschloss, mich darüber herzumachen. Nach einem letzten Blick auf mich verließ sie die Hütte.
Dad ließ mich in Ruhe essen und beobachtete mich dabei aufmerksam. Ich konnte seine Besorgnis förmlich spüren. Aber im Moment fühlte ich mich eigentlich richtig gut. "Wo ist Lo'ak?" "Vermutlich irgendwo mit Tsireya unterwegs. In letzter Zeit fliegen die beiden oft mit seinem Ikran durch die Gegend. Aber wenn du möchtest hole ich ihn."
Ich nickte.
Er drückte auf den Knopf an seinem Halsband. "Lo'ak, hörst du mich?" Er wartete kurz. "Lo'ak, kannst du mich hören? Es ist wichtig." Scheinbar kam eine Antwort, denn er sagte anschließend: "Komm so schnell wie möglich nach Hause. Du kannst Tsireya mitbringen wenn sie möchte."
Er wandte sich an mich. "Zwei Minuten. Maximal."

Dad hatte recht. Noch bevor die zweite Minute verstrichen war platzten die Beiden rein. "Neteyam!", schrie mein Bruder und umarmte mich heftig. "Uff", machte ich, als alle Luft aus meinen geschundenen Lungen wich. "Lo'ak! Du bringst ihn ja nochmal um!", schimpfte Dad und brachte uns alle damit verhalten zum Lachen. Es war morbide, aber lustig.
"Oh Neteyam! Ich bin so froh, dass es dir wieder einigermaßen gut geht. Ao'nung wird vor Freude platzen! War er schon hier? Du musst es ihm unbedingt sagen!", platzte es aus Tsireya heraus. Ich lachte. "Immer langsam. Ich will ihn morgen überraschen, also bitte sag ihm nichts." Sie lächelte breit.
"Du bist so süß. Er wird sich freuen, das weiß ich. Ihr seid wie für einander gemacht." Ihr Kompliment ließ mich erröten.
"Danke. Hab ich irgendwas wichtiges verpasst?" Sie sah unsicher Lo'ak an und zögerte mit der Antwort. "Ja. Aber da reden wir morgen gemeinsam drüber." Nachdenklich sah ich sie an. Was könnte so wichtig sein, dass sie es mir nicht sofort sagen konnten?


[hab in den letzten tagen voll schreibblockade uff]

Ao'nung x Neteyam Slow BurnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt