𝟏𝟐

8.8K 531 1.3K
                                    

Odesa
Düsseldorf
Oktober 2022

»Habe ich dir nicht gesagt, dass du das andere Kleid anziehen sollst?«, fragt meine Mutter missbilligend. »Ja, hast du.« Und genau deswegen, habe ich es nicht gemacht. Meine Mutter schüttelt streng ihren Kopf und greift nach der Speisekarte. Ich weiß nicht einmal, was meine Mutter so sehr an meiner Kleidung stört.

Ich trage ein knielanges schwarzes Pulloverkleid mit langen Ärmeln, die ich über mein Handrücken ziehe. Es ist zwar enganliegend und betont stark meine Brust, besitzt aber nichtsdestotrotz ein Kragen. Da drunter trage ich eine schwarze Leggings, die leider nicht blickdicht ist. Ich schürze unzufrieden meine Lippen und greife nach meinem Glas Wasser. Ich habe es Mami-Gerecht gemacht. Nicht zu kurz, kein tiefer Ausschnitt, simpel und elegant. Trotzdem findet meine Mutter etwas, was sie bemängeln kann. Wann kommen endlich die Jungs? Meine Mutter und ich warten seit über eine Viertelstunde. Mein Nacken kitzelt. Mami bestand darauf das Dea kommt und automatisch haben sich Fragen in meinem Kopf gestellt. Weiß meine Mutter, dass wir denselben Namen tragen? Und wenn sie es tut, warum hat sie mir all die Jahre nichts gesagt. Irgendetwas ist faul. Adem's Mutter und meine Mutter sprechen über alles. Sie sind fast schon wie Schwestern, weswegen es mich noch mehr wundert, dass meine Mutter mich noch nie darauf angesprochen hat.

»Es ist ein wirklich schönes Restaurant. Warum lädst du mich nicht zu sowas schönem ein? Immer gehen wir zu Mcdonald's.« Ich verdrehe meine Augen. Ein Mann der nicht einmal ihr Sohn ist hat mich übertroffen. »Mami, hast du dir einmal die Speisekarte angesehen?«, frage ich irritiert. Sie ignoriert mich, jedoch sie weiß ich habe recht. Dieses Restaurant ist verdammt teuer und zu schick für meine Geschmäcker. Wir sitzen im edlen Bocconcino Restaurant welcher sich am Medienhafen befindet. Eine etwas betuchte Gegend in Düsseldorf. Die Inneneinrichtung ist wirklich schön. Alles ist gepaart in einem sehr dunkelbraunen Stil. Von braunen Ledersitzen zu edlen Holztischen über denen schöne Tischdecken liegen. Der altmodische und leicht amerikanische Stil wird durch die LED- Lichter an der Bar modernisiert. An sich ist es ein kleines Luxus - Restaurant.

Meine Mutter bestellt sich ein weiteres Glas Wasser. »Was möchtest du?«, fragt sie leise. »Cola.« Meine Mutter rümpft ihre Nase hoch. »Zwei Wasser, bitte!« Ein Déjà Vu überkommt mich. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass die warme Sommerluft mich berührt und das mein weißes Kleid hochhebt, während ich einer Kreatur die Hand zu meinem Vertrauen schenke. Ich schlucke laut und schüttle langsam meinen Kopf. Ein Schauer läuft über meinen Rücken runter und ich streiche mir unwohl meine glatten Haare zurück. Lohnt es sich überhaupt mit meiner Mutter zu diskutieren? Eher nicht. Trotzdem wünschte ich mir, dass ich den Mumm hätte ihr meine Meinung ins Gesicht zu schlagen. »Danke, Mami.«, murmle ich plötzlich heiser und sie nickt. »Hast du zugenommen?«, fragt sie stirnrunzelnd. Ich lege meine Hand auf meinem flachen Bauch. »Ja.«, presse ich zähneknirschend raus. Sie brummt nur. »Das kommt von dem ganzen Zucker, was du zum Backen benutzt.« Ich verschränke meine Arme und nicke lustlos. »Ja, Mami.«

»Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet.«, ertönt hinter uns Adem's autoritäre Stimme. Ich spüre ein stechenden Blick auf meinem Rücken. Ich weigere mich, mich umzudrehen. Meine Mutter rüttelt mich unauffällig am Arm und wirft mir ein warnenden Blick zu. »Adem!—«, begrüßt meine Mutter den einen Bruder. Ich blicke Adem leicht lächelnd an. Er ist ein wirklich eintöniger Mensch. Adem trägt ein schwarzes Hemd mit einer schwarzen Hose und schwarzen Schuhe. Wie gesagt, eintöniger Mensch.

Wir reichen uns höflich die Hand und dann wendet Adem sich höflich meiner Mutter zu. Ich blende alles aus sobald grüne Augen auf meinen liegen. Völlig verblendet vom schönen Grün, welches mich in ein dunklen Wald hineinzieht um mich dort in sich zu verschlingen, bemerke ich recht spät, dass Agon mir höflich die Hand gereicht hat. Meine Mutter schielt irritiert zu mir rüber und deutet nonverbal, dass ich ihm die Hand geben soll. Es ist eine Form von Respekt. Ich ignoriere sie. Unsere Augen lassen kein einziges Mal voneinander ab, sobald meine Handfläche seine berührt. Ich schlucke laut. Blitzschläge elektrisieren mich und hinterlassen verführerische Brandwunden auf der Haut, die er in so höflicher Form liebkost. Seine Hand ist so schön groß und maskulin. Sie verschlingt meine Hand in seiner Handfläche. Sein intensiver Blick verleiht mir eine starke Gänsehaut und scharf ziehe ich die Luft ein, sobald ich spüre wie sein Daumen für eine Millisekunde mein Handrücken streift, um sie letztendlich aus meiner zuziehen.

TränenblindWhere stories live. Discover now