Kapitel 1

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Ein kurzes Verbeugen, dann sah ich den Neuen an, unsicher, was mich erwarten würde.

Betend, dass ich mich nicht blamierte. Nicht vor ihm.

„Hast du Angst?", fragte er spielerisch. Sein Gesicht befand sich nur Zentimeter von meinem entfernt, sodass ich nur noch seine dunklen Augen sehen konnte. Das Funkeln, diese Direktheit, aber auch eine Wildheit, wie ich sie noch nie gesehen hatte.

„Nein", entgegnete ich ohne zu zögern. Das sollte ich aber. Ein Rehkitz, gefangen vom Blick des Wolfes, hypnotisiert. Das konnte nicht gut enden, und das wusste ich.

„Das solltest du aber", entgegnete er, als habe er meine Gedanken gelesen. Bildete ich mir das raue Kratzen in seiner Stimme nur ein?

„Wieso?" Mit einem frechen Grinsen legte ich den Kopf schief. Ja, wieso sollte ich auch Angst haben? Ich konnte ja kämpfen, und kämpfen würde ich, bis ich vor Erschöpfung in seinen Armen zusammenbrechen würde. Kämpfen würde ich, auch wenn ich wusste, dass ich keine Chance hatte.

„Wie du meinst." Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch und legte mir eine Hand auf die Schulter.

Seine große Hand löste ein Kribbeln in mir aus, und meine Aufmerksamkeit schoss blitzartig in die Höhe. Vielleicht achtete ich mehr auf seine wilden Augen als auf seinen Körper, der sich leicht hin und her bewegte, unschlüssig, wie er mich angreifen sollte.

Aber jede Faser meines Körpers achtete auf ihn, spürte, testete, was er vorhatte und bereitete sich auf eine Reaktion vor.

Vorsichtig streckte ich eine Hand aus, zog sie jedoch wieder zurück, als er danach griff. Er war zu stark, um sich auf dieses Spielchen einzulassen. Wenn ich mich mehr als zwei Sekunden halten wollte, musste ich vorsichtig sein.

Vielleicht würde es mir gelingen, seitlich anzugreifen, bevor er mich umwerfen konnte ...

Aber kaum spannten sich meine Muskeln, bereit für den Angriff, als sich auch schon ein breites Grinsen auf sein Gesicht stahl.

„Guck nicht so angestrengt. So sieht man sofort, dass du etwas vorhast", verriet er mir. Seine Augen funkelten vor Schalk, aber obwohl ich mich über ihn ärgerte, konnte ich nicht anders – auch ich musste grinsen.

Da schoss seine freie Hand vor, packte meinen Arm, er brach mein Geleichgewicht und ehe ich mich versah, lag ich auf dem Boden. Reflexartig zog ich meine Beine an, um ihn auf Abstand zu halten, und für wenige Sekunden kämpften wir um die Oberhand.

Meine Hände drückten gegen seine breiten Schultern, aber ich konnte nicht gegen seine Kraft anhalten. Schon spürte ich seinen Oberkörper auf meinem, seine kräftigen Arme, die mich wie in einem Käfig einschlossen. Sein Atem kitzelte auf meinem Hals und ein verzweifeltes Kichern entwich meinen Lippen. Eine schlechte Angewohnheit, die immer wieder durchbrach, wenn ich hoffnungslos unterlegen war.

„Wehr dich", raunte er mir ins Ohr, was die ganze Situation jedoch nicht besser machte. Im Gegenteil, ich fürchtete schon, den Verstand zu verlieren, als seine dunklen Augen meinen Blick einfingen.

Das gab mir den Rest. Hatte ich vorher noch Anstalten gemacht, mich zu wehren, erstarrte ich nun vollends, zu beschäftigt damit, den inneren Impuls niederzukämpfen, mich an ihn zu drücken.

Meine Hand, mit der ich vorhin noch versucht hatte, ihn wegzuschieben, war irgendwie an seinen Hals gerutscht, sodass meine Finger bereits im Haaransatz verschwanden.

In meinem Kopf war alles wie von Nebel umfangen, und hatte ich jemals gewusst, wie ich aus diesem Griff entkommen konnte, so war es mir nun entfallen.

Ein leises Lachen kam über seine Lippen und raubte mir endgültig die letzte klare Gehirnzelle.

„Kämpfst du immer wie ein Bewegungslegastheniker?", fragte er mich, wobei er ein so breites Grinsen auf dem Gesicht hatte, dass seine Mundwinkel mindestens bis an beide Ohren stießen, auch wenn das gar nicht möglich sein sollte.

KämpferherzenWhere stories live. Discover now