Kapitel 11

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Um halb sieben waren wir mit Essen fertig, und obwohl es noch eine Viertelstunde dauerte, bis Micha mich abholen würde, blieben mir die letzten Bissen beinahe im Hals stecken.

„Ich muss noch mein Zeug für Ju-Jutsu packen!", rief ich auf einmal aus und sprang wie von der Tarantel gestochen vom Stuhl.

„Räumst du bitte noch den Tisch ab, bevor du verschwindest?", fragte meine Mutter mich.

„Argh!", entfuhr es mir, aber ich schnappte mir trotzdem die Teller und flitzte damit in die Küche.

Klappernd verschwand das Geschirr in der Spülmaschine, und meine Mutter kümmerte sich zum Glück um die Töpfe, sodass ich wie der Blitz in meinem Zimmer verschwinden konnte.

Kaum, war die Tür hinter mir geschlossen, beschnüffelte ich prüfend meinen Pulli. Ein ganz dezenter Schweißgeruch haftete ihm an, aber nichtsdestotrotz würde Micha ihn bestimmt riechen, wenn ich ihn umarmen würde.

Damit war der Plan, die Sachen von heute Morgen anzubehalten, schon mal hinfällig.

Vor Aufregung ganz hibbelig schälte ich mich aus meinem Pullover, schmiss ihn mitsamt T-Shirt auf den Boden und warf einen suchenden Blick in meinen Schrank.

Gott, bevor Micha in mein Leben getreten war, hatte ich keinen Gedanken daran verschwendet, was ich anziehen sollte.

Naja, das ein oder andere Mal vielleicht schon, aber so extrem nun wirklich nicht.

Besser ich hielt mich an Mias Ratschlag, nichts anzuziehen, was darauf hindeuten könnte, dass ich mich extra für Micha hübsch gemacht hätte. Aber natürlich auch nichts, was scheiße aussah.

Verdammt, wo war Mia, wenn man sie brauchte?

Automatisch griff ich zum Handy, ließ es dann aber doch wieder fallen.

Selbst vor Mia konnte ich nicht zugeben, dass ich so extreme Mädchenprobleme hatte.

Also schnappte ich mir ein dunkles T-Shirt und einen schlichten Kapuzenpullover, zog das T-Shirt erst mal falschrum an, drehte es dann auf rechts, schlüpfte in den Pulli und wäre vor Schreck fast rückwärts über meine Sporttasche gefallen, als ich ein Auto auf unseren Hof fahren sah.

Auch wenn die Fenster ein wenig spiegelten, bestand kein Zweifel, wer der Fahrer war.

Micha.

Augenblicklich beschleunigte mein eh schon gestresstes Herz auf die doppelte Frequenz, und meine Finger fingen an, schlimmer zu zittern als an einem eisigen Novembertag.

In nullkommanix hatte ich mir meine Tasche über die Schulter geworfen und fegte durch den Flur Richtung Eingangstür.

„Tschüss!", rief ich noch einmal quer durch die Wohnung, dann war ich aus dem Haus bevor meine Eltern auch nur den Hauch einer Chance hatten, zu antworten.

Es war durchaus nicht leicht, unbeschwert und gelassen über den Hof zu schlendern, aber ich machte mich trotz meines rasenden Herzen gar nicht so schlecht.

Aber sosehr ich mich auch bemühte, mein Gesicht im Zaum zu halten - von Schritt zu Schritt wurde mein Lächeln unaufhaltsam breiter. Zu viel Freude überschwemmte mich, um zu verbergen, was ich gerade empfand.

Schon beugte sich Micha über den Beifahrersitz und öffnete mir die Tür, wobei er mir ein strahlendes Lächeln schenkte.

Ich wagte nicht, mich umzublicken, ob meine Eltern aus dem Esszimmerfenster spähten.

„Hi", sagte ich leicht unbeholfen und ließ meine Tasche in den Fußraum des Beifahrersitzes fallen.

„Hallo, Lena", begrüßte mich Micha immer noch fröhlich lächeln.

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt