Kapitel 6

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Fluchend warf ich mich zur Seite, der Ball zische knapp an mir vorbei, prallte an der Wand ab und Micha fing ihn wieder.
Sein Grinsen dabei war unverschämt.

Verdammt, ich kannte keinen, der so am Dauergrinsen war wie Micha.Oder lag das etwa an mir? Finster verbannte ich den Gedanken aus meinem Kopf und knallte gegen eine Wand.

„Ach Lena, du machst es mir echt zu einfach", seufzte Micha, der sich gerade noch an der Wand stoppen konnte, bevor er mich endgültig zerquetschte. Reflexartig wandte ich mich ihm zu und bereute das sofort, als meine Nase in seinem sanft duftenden Anzug steckte.Unsere Körper berührten sich leicht, wobei Micha kopfschüttelnd auf mich herabsah.

Sprachlos blickte ich zurück, mit wild jagendem Herzen. Sah in diese dunklen Augen und wünschte mir einfach, nicht ohnmächtig zu werden.
„Das ist jetzt ein bisschen unfair", brachte ich hervor, als Micha langsam den Ball auf mich herabsenkte.„Wer von uns ist gegen eine Wand gerannt?", fragte Micha trocken und berührte mich mit dem Ball. Dann wirbelte er blitzschnell herum und schmiss jemanden ab, der gerade ihn abwerfen wollte.Diese Präzision war echt zum Verrücktwerden.

„Du kannst dich auch gleich befreien, wo ich eh hier bin", sagte Micha wieder an mich gewandt.„Was?!", entfuhr es mir. Dann verarbeitete mein Gehirn die akustischen Signale.

„Mit dir einen Wurf? Machst du Witze?"
„Wieso nicht?", schmollte Micha.
„Du bist zu schwer. Das schaffe ich nie", klagte ich. Das war durchaus keine Beleidigung, im Gegenteil. In Kampfsport brüsteten sich die meisten Kerle mit ihrem Gewicht, weil es in den meisten Fällen wirklich nur Muskelmasse war.Auf einmal drückte Micha mich fest gegen die Wand und sah mir so direkt in die Augen, dass ich nicht anders konnte – ich musste einfach zurückstarren, auch wenn es mir fast den Verstand raubte.
„Erzähl das mal nem Kerl auf der Straße, der dir krummkommt. 'Du bist zu schwer.' Das hilft dir dann auch nicht weiter", ermahnte Micha mich und presste mich mit seinen großen Händen noch fester gegen die Wand, sodass meine Schultern langsam Bedenken anmerkten.

In diesem Moment erwachte mein Kampfgeist und ich blickte Micha so fest in die Augen, dass ich glaubte, ein winziges Flackern von Unsicherheit zu erkennen.Beinahe reflexartig, so oft hatte ich diese Technik bereits trainiert, griff ich eins seiner Handgelenke und deutete einen Tritt vors Schienbein an.
Dann zog ich den Ellenbogen zielsicher einen Zentimeter vor seiner Nase hoch und rammte den Arm in Michas Ellenbeuge.Überrascht nach Luft schnappend ging Micha in die Knie, aber da hatte ich schon meinen Arm in seinem verflochten, machte eine Schrittdrehung rückwärts und brachte ihn vorsichtig zu Boden.Michas Kopf berührte die Wand, als er zum Liegen kam, und ich stellte zufrieden fest, dass er beeindruckt schien.

Mit einem fiesen Lächeln brachte ich ein Knie auf seine kurzen Rippen, natürlich nur so fest, dass Micha zwar röchelte, aber es nicht ernsthaft wehtat.Kaum hatte ich mein Knie jedoch weggenommen, zischte ein Ball heran und traf Micha.Finster starrte Micha den Werfer an, dann mich und dann wieder den Werfer.
„Das war jetzt zwar kein Wurf und kein Ausheber, aber du liegst immerhin auf dem Boden", meinte ich gelassen und streckte Micha eine Hand zum Aufhelfen hin, die auch prompt ergriffen wurde.

„Jetzt bist du dran."Aber anstatt aufzustehen riss Micha mich zu sich herunter, drehte sich blitzschnell, sodass er über mir war und nagelte mich mit einem Knie auf den Boden.

„Das war zwar kein Wurf ...", begann er, mich zu zitieren, kam jedoch nicht weiter, weil ich mich so wild unter ihm wehrte, dass es mir tatsächlich gelang, freizukommen und mich auf ihn zu stürzen.„Alle Bälle zu mir!", verkündete der Trainer in diesem Moment.

„Schnappt euch einen Partner und kommt in die Mitte der Halle!"Sofort schlag ich meine Arme um Micha und klammerte mich an ihn.Wo ich den Mut dazu nahm, war mir schleierhaft, aber in diesem Moment dachte ich einfach nicht nach.

KämpferherzenWhere stories live. Discover now