Kapitel 18

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Noch vor einer Woche hätte ich nicht im Traum daran gedacht, ins Dienstagstraining zu gehen, denn heute stand Kickboxen auf dem Plan.

Kickboxen war für mich der pure Horror, was wohl daran lag, dass ich darin grottenschlecht war, und es außerdem nicht mochte, wenn eine Faust meinem Gesicht zu nahe kam.

Daher erstaunte es mich jedes Mal aufs Neue zu sehen, dass Kickboxen der mit Abstand vollste Kurs war. Außerdem war es der Kurs mit der höchsten Mädchenquote.

Um mich herum schlüpften viele der Mädchen in Jogginghosen anstatt Kampfanzügen, wickelten sich ellenlange Bandagen um die Handgelenke und plauderten dabei ausgelassen.

Ich kannte keine einzige.

Also zog ich mir schnell meinen Anzug an, als mir jedoch klar wurde, dass Micha womöglich schon draußen stand, hielt ich inne. Einerseits wollte ich so schnell wie möglich zu ihm, andererseits wusste ich nicht, wie ich ihm gegenübertreten sollte. Da wartete ich doch lieber den geschützten Rahmen des Trainings ab.

Ob Micha wirklich kurz davor gewesen war, mich zu küssen?

In Zeitlupe band ich mir meinen Gürtel um.

Dann folgte ich den anderen Mädchen nach draußen, versteckte mich in dem Rudel, das zielstrebig auf ein paar durchaus gut aussehende Jungs zusteuerte.

Da ich die beiden jedoch nicht kannte und auch kein Interesse daran hatte, diesen Zustand zu ändern, wagte ich es, mich abzusondern.

Zielstrebig lief ich auf den Mann zu, der Micha und mich im Treppenhaus erwischt hatte, und plauderte ein wenig, bevor der Trainer uns auf die Matten rief.

Hier kniete sich keiner auf den Boden, eine kurze Verbeugung war alles.

Dann teilten sich alle automatisch in drei Gruppen auf, die jeweils einen Kreis bildeten. Das schien hier Tradition zu sein.

Hilfe suchend blickte ich Micha an, der mich kurzerhand zu sich in den Kreis zog.

„Was gibt das, wenn's fertig ist?", raunte ich meiner Nachbarin zu.

„Immer einer muss in den Kreis und wird der Reihe nach mit Atemi-Techniken angegriffen", erklärte das Mädchen leise. Schon trat ein junger Mann in den Kreis.

„Denkt dran! Langsam, das hier ist kein Kampf, sondern eine Aufwärmübung!" Die Stimme des Trainers übertönte das Gemurmel und augenblicklich wurde es still. Im nächsten Moment hämmerte Rammstein los.

Eigentlich hatte ich immer noch keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber das klärte sich recht schnell.

Jemand aus dem Kreis trat vor und griff den Mann in der Mitte mit einem Fauststoß vorwärts an. Der währte den Angriff mit einem Handfegen ab, danach tänzelte er einen Schritt zurück.

Angreifer Nummer Eins zog sich zurück, das Mädchen neben ihm trat vor.

Kick. Abwehr. Nächster.

Die Runden gingen erstaunlich schnell, und einer nach dem anderen kam in die Rolle des Verteidigers. Schließlich blieb nur noch ich übrig.

Nach all den geübten Kickboxern, die fast jeden Angriff geschmeidig abgewehrt hatten, fühlte ich mich miserabel.

Am liebsten hätte ich mir diese Blamage erspart, aber mir blieb keine Wahl.

Ich trat in den Kreis.

Um mich herum ein Käfig aus Körpern, der erste trat vor, Haken, ich stolperte zurück und entging dem Schlag um Millimeter.

„Abwehren, nicht weglaufen", zog mich mein Gegenüber auf und kam wieder auf mich zu.

Panisch ging ich alle mir bekannten Abwehrtechniken durch, aber wir hatten im Training noch nie zuvor mit Haken gearbeitet.

KämpferherzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt