Kapitel 19

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Keine Schritte waren im Haus zu hören, und auch beim dritten Klingeln machte niemand auf.

Verdammt! Wo steckten Mia und ihre Eltern? Das durfte doch nicht wahr sein!

Schließlich musste ich mir eingestehen, dass es keinen Sinn hatte, noch länger vor der Tür zu stehen, und so ging ich zu Micha zurück.

„Hast du noch andere Freunde, bei denen du übernachten kannst?", fragte Micha mich, sobald ich mich wieder zu ihm ins Auto gesetzt hatte.

„Ähm ... niemand, bei dem ich spontan aufschlagen und übernachten würde, nein", gestand ich. Na toll. Das klang ja, als ob ich keine Freunde hätte. Und keine Verwandten in der Nähe.

„Ich kann bei uns im Außenkeller übernachten. Der ist nie abgeschlossen", schlug ich mit finsterer Miene vor.

„Sei nicht albern", sagte Micha und fuhr wieder los. „Du kannst bei mir übernachten. Ich hab zwar kein Gästebett, aber ein Sofa tut's auch."

„Oh. Danke", sagte ich kleinlaut. Die restliche Fahrt über brachte ich kein weiteres Wort hervor. Mein Kopf war ausgefüllt mit Mias Worten, die mir jedoch schlicht und einfach Angst machten.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich alles von alleine ergeben würde. Viel eher rechnete ich damit, dass das der peinlichste Abend meines Lebens werden würde.

Schon jetzt fand ich keine Worte mehr, wie sollte das dann später werden?

Ich wünschte, ich könnte heute Nacht zuhause in meinem sicheren Bett schlafen.

Wie ein Schäfchen trottete ich hinter Micha in seine Wohnung und nahm alles mit großen Augen in mir auf. Es gab nur zwei Zimmer: Die Küche ging fließend in das Wohnzimmer über, das eigentlich nur aus einem Tisch und der Couch bestand. Dahinter lag Michas Schlafzimmer, der unordentlichste Ort, der mir je untergekommen war.

Beim Reinkommen fegte Micha mit seinem Fuß eine Mischung aus alten Klamotten, Büchern, Stiften und weiteren undefinierbaren Dingen unters Bett.

Obwohl ich ziemlich angespannt war, oder vielleicht auch gerade deshalb, musste ich lachen.

„He! Ich wusste ja nicht, dass ich Besuch bekomme", verteidigte Micha sich und zog ein Handtuch aus dem Schrank.

Augenblicklich verging mir das Lachen und ich sackte auf Michas Bett zusammen. Alles in meinem Kopf drehte sich und mein panisches Gehirn kramte jede Menge Bilder aus Liebesfilmen hervor, an die ich jetzt lieber nicht gedacht hätte.

„Willst du zuerst duschen?", fragte Micha, der immer noch mit der Nase in seinem Schrank steckte und mein Verhalten zum Glück nicht bemerkt hatte. „Du kannst für die Nacht ein T-Shirt von mir bekommen, aber meine Hosen passen dir wohl kaum."

„Ich kann auch in meinen Klamotten schlafen", brachte ich hervor. Tief durchatmen. Das hier war alles halb so wild.

„Hier." Micha drückte mir ein Handtuch und ein T-Shirt in die Hand. „Shampoo ist im Bad."

Auch er wirkte leicht unbeholfen.

„Danach rieche ich ja wie ein Mann", kicherte ich, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte.

Niemals hätte ich es zugegeben, aber kurz darauf shampoonierte ich mich deutlich grünlicher ein, als ich es sonst tat, und genoss den Duft in vollen Zügen.

Für einen kurzen Moment zog ich sogar in Erwägung, mir selbst dieses Shampoo zu kaufen, um Michas Duft auch zuhause zu haben.

Ich verließ das Bad in Hose und T-Shirt, auch wenn ich eine Weile mit mir gerungen hatte, ob ich den Pullover nicht sicherheitshalber auch noch drüberziehen sollte.

KämpferherzenWhere stories live. Discover now