Kapitel 24

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Die Reise war lang. Schon das Rumlümmeln am Flughafen schien ewig zu dauern, dann der Flug, der die ersten zehn Minuten atemberaubend war, dann aber aufgrund des schlechten Wetters nicht sonderlich spektakulär, und schließlich die letzte Strecke nach Scarborough mit dem Bus.

Ich war fix und fertig, und auch Mia fielen immer wieder die Augen zu. Draußen war es bereits dunkel, dabei hatten wir gerade mal sechs Uhr.

„Bringt alle eure Koffer aufs Zimmer, um sieben gibt es Abendessen", verkündete unser Englischlehrer und händigte die Schlüssel aus.

Es gab Zehnerzimmer.

„Das ist doch nicht Ihr Ernst!", jammerte eins der Mädchen, und sprach mir damit direkt aus der Seele.

„Doch, das ist es. Aber keine Sorge, Mädels. Es gibt auch noch ein Bad auf dem Gang."

Fassungslos starrte ich unseren Lehrer an, der wie immer ein Hawaii-Hemd trug und aussah, als wäre er im Urlaub auf einer Südseeinsel. Aber England war keine Südseeinsel, und nach Urlaub sah mir das Ganze auch nicht gerade aus.

Ich fluchte leise.

„Das kriegen wir schon hin." Aufmunternd klopfte Mia mir auf die Schulter. „Wir sind doch nur zum Schlafen da drin."

Acht Mädchen, die ich nicht kannte, obwohl wir nun schon seit über einem Jahr in einem LK waren, und in den meisten Fällen auch davor schon gemeinsam an einer Schule.

Die meisten waren ja ganz ok, nur einfach niemand, mit dem ich mich gerne anfreunden würde. Aber das war ja auch nicht nötig. Mia hatte recht.

Ergeben seufzend nahm ich meinen Schlüssel entgegen. Immerhin war Mia mit mir in einem Zimmer. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg nach oben, während viele der anderen versuchten, Zimmer zu tauschen, um mit ihrer Clique zusammen zu sein.

„Um sieben gibt es erst Essen? Ich sterbe gleich", maulte ich.

„Du bist auch nur noch am Meckern, oder?" Grinsend knuffte Mia mich in die Seite, aber ich wusste, dass sie ihre Worte ernst meinte.

„Ich habe auch reichlich wenig Bock auf diese Stufenfahrt", gestand ich.

„Als du ihn noch nicht kanntest, warst du auch glücklich. Komm schon, die Welt ist doch noch nicht untergegangen!"

Einen Moment lang sah ich Mia an. Dann gab ich mir einen Ruck und lächelte.

„Dann wird es dringend Zeit!" Lachend stürmte ich voraus, was gar nicht so einfach war mit meinem Koffer im Schlepptau. Aber Mia, die auch noch mit einer riesigen Handtasche behangen war, war definitiv im Nachteil.

„Mein Bett!" Grinsend ließ ich mich auf ein Bett neben dem Fenster fallen. Im Raum standen fünf Hochbetten aus klapprigen Metallgestellen. Nicht sonderlich vertrauenserweckend, aber sie schienen schließlich auch die letzten Gäste ausgehalten zu haben.

„Dann gehe ich in das Bett über dir." Mia warf ihre Tasche nach oben, eine erstaunlich sportliche Leistung, wenn man bedachte, wie schwer die Tasche sein musste.

„Lass uns vor dem Essen noch ein bisschen das Hotel erkunden", schlug Mia vor.

„Gut Idee." Ich stand auf, sackte aber schon im nächsten Moment zu Boden.


„Lena! Alles in Ordnung?" Erschrocken kniete Mia sich neben mich, aber ich lächelte sie nur schwach an.

„Klar. Bin nur zu schnell aufgestanden. Einen Moment." Dass sich alles um mich herum drehte, als wäre ich in einem Karussell, und dass mein Herz flatterte, als wolle es davonfliegen, sagte ich nicht.

KämpferherzenWhere stories live. Discover now