13 - Zusammen gegen den Rest

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"Ich bin allein. Wem außer mir, soll ich denn sonst vertrauen?" Die blau-weiße Kuscheldecke umhüllt meine Schultern, schützt mich vor all der Kälte da draußen. Sie und der dicke Pulli, den ich mir von Papa stibitzt habe, lassen die ständige Gänsehaut erträglicher werden.

Mit dieser doppelten Mauer ist mir fast nicht mehr kalt. Nervös spiele ich mit einem Zipfel der Decke und warte auf Frau Danzes Reaktion.

Ihr habe ich beinah alles erzählt und den Rest liest sie zwischen den Zeilen. Ihr Gesicht ist dabei meist ausdruckslos oder mit einem starren Lächeln geschmückt. Durch den knallroten Lippenstift fällt es schwer den Blick von diesem zu lösen. In die Augen sehen fällt ohnehin aus. Sie blickt schon so viel zu tief in mich hinein. Ein Wenig, möchte ich für mich behalten. Ein kleiner Rest, der nur mir gehört. Eine kleine Genugtuung, sie nicht alles wissen zu lassen, ein klein wenig Eigenmacht, die ich mir behalte.

"Bist du das denn wirklich, allein?" Ihre Stimme ist ruhig. Noch nie konnte ich etwas wie Vorwurf oder Spott von ihr vernehmen. Immer neutral und sanft, wie ein unberührtes Stück Seide, das einem die Wange streift. Melodisch, wie ein Wiegenlied, dass einen in albtraumfreie Träume geleitet.

Genau das, ist das gefährliche an Frau Danze. Sie lässt einen sicher fühlen, ihr möchte man sich öffnen. Aber ich will mir die Leere nicht nehmen lassen, zu wohl fühle ich mich mit ihr. Vielleicht halte ich aus diesem Grund gewisse Dinge zurück.

"Würden sie denn etwas anderes behaupten?" Ich soll keine Gegenfragen stellen, das weiß ich, doch aus mir spricht der Trotz.

Ich habe genug. Ich will nicht mehr zu diesen blöden Sitzungen – will nicht fühlen. Zu tief in der Leere bin ich versunken. Auftauchen ist keine Option.

Unter keinen Umständen.

Daran wird auch sie nichts ändern, so sehr sich Mama das auch wünscht. Manche Dinge sollte man einfach akzeptieren.

Ich habe es.

Ich habe die Trostlosigkeit meines Lebens akzeptiert, genau wie die Schwere in meiner Brust. Ich habe so lange akzeptiert, bis die Leere mich überkam. Jetzt geht es mir besser.

Mama sollte sich darüber eigentlich freuen. Doch ihre Augen zeigen stets ein Meer aus elendigen Gefühlen, wenn sie mich ansieht. Vor der Leere hat mich diese Flutwelle tief getroffen. Doch auch sie habe ich akzeptiert und jetzt berührt es mich nicht mehr.

Kein Schmerz, kein Bedauern. Die Leere ist die Lösung, nach der ich zu lange gesucht habe. Ich bin angekommen.

Wieso kann sich keiner für mich freuen? Wieso versuchen sie weiter mich zu ändern? Ich bin es leid!

"Wir hatten uns doch geeinigt, dass du keine Gegenfragen stellst", ermahnt mich Frau Danze.

Von wegen Geeinigt. Sie hat das beschlossen. Ich habe nur stumm genickt, es akzeptiert wie alles andere. Die knallroten Lippen lächeln weiter vor sich hin, warten auf eine Antwort von mir. Doch ich schweige. Ich bin es ja so leid!

"Melis?" Ich schweige weiter, zupfe an der Decke, als könnte sie mir helfen, mich nicht nur vor der Kälte, sondern auch vor all dem hier schützen.

Vergeblich.

Frau Danze lässt es nicht ruhen. Irgendwann wird sie ihre Frage beantwortet bekommen, ob ich mit ihr rede oder nicht. Alles so egal und unnötig.

"Gut. Vielleicht anders", spricht sie weiter. Ihr Lächeln kein einziges Mal verrutscht. "Ich kenne deine Mama persönlich und deinen Vater aus Erzählungen. Beide scheinen dich sehr zu lieben und ich bin überzeugt, dass sie alles für dich tun würden."

The last time with herWhere stories live. Discover now