03 - Auf der Flucht

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Da waren meine Oberschenkel, die ich seit jeher verabscheut hatte, nicht nur, weil sie mit Narben überseht waren. Nein, vielmehr für ihre Form, ihre Größe, ihr Aussehen, dass selbst in Jeans gepresst zu wünschen übrigließ. Und dann war da noch meine Hüfte.

Nach links, über die Schulter sehen. Etwas näher an den Spiegel, dann wieder ein paar Schritte nach hinten.

Andere Seite, das gleiche Spiel. Vor, zurück, drehen.

Dabei zog ich immer wieder an der Bluse herum, um meine Umrisse deutlich zu machen.

Geradestehen, Hüfte zur Seite, zur anderen. Beine zusammen, dann das rechte nach vorn, danach das linke. Wieder drehen.

Etwas fülliger oder fett.

Wieder etwas näher ran.

Hatte den ganzen Teller aufgegessen - alles. Den ganzen Reis, mitsamt dem Gemüse, mit der cremigen Soße.

Hatten die anderen auch aufgegessen? Julet hatte sicher noch was auf dem Teller. Ein Stück nach hinten und das Hemd etwas enger ziehen. Nochmal drehen, bis mir schlecht wurde.

Meine Sicht verschwamm und ich entkam meinem Spiegelbild. Schnell wand ich mich ab und verschwand in mein Zimmer, in mein Bett, unter die Decke.

Ich spannte den Schirm auf, nachdem die ersten Regentropfen mein Gesicht erreicht hatten. Das ungemütliche Wetter drückte, meine sowieso bereits angekratzte Stimmung, noch weiter in die Tiefe. Nicht einmal Bilder könnten etwas Schönes aus diesem Moment zaubern. Bei dem Wind und der unzureichenden Beleuchtung würde man wahrscheinlich gerade so Umrisse erkennen.

Es war niederschmetternd.

Ich zog den Mantel etwas enger und beschleunigte meine Schritte, um mich möglichst schnell im geheizten Unigebäude aufzuwärmen. Ich war heute etwas früher aufgestanden und hatte noch etwas Zeit bis zur ersten Vorlesung, die ich nutzen wollte, um der Bibliothek noch einen Besuch abzustatten.

Am Haupteingang traf ich auf Julet. "Hey", begrüßte sie mich und zog mich in eine kurze Umarmung.

"Wartest du schon lange?" Wir gingen Richtung Bibliothek und ich rieb mir dir Arme, die in der Kälte ganz taub geworden waren.

"Nein, alles gut." Julet machte eine wegwerfende Handbewegung und lachte. "Ich glaube so kurz, habe ich selten auf dich warten müssen. Du warst wirklich sehr pünktlich."

Ich nickte. Pünktlichkeit war meine Schwäche, vor allem, wenn ich mich in Bildern verlor. Wir erreichten die Bibliothek und der Duft der Bücher umhüllte mich, wie eine schützende Decke. Die Ruhe, der Duft und die vielen Farben, ergaben jedes Mal ein Bild, dass ich noch nie geschafft hatte so festzuhalten. Zumindest nicht exakt. Irgendwas fehlte immer.

Das einzige Geräusch, welches uns hier erwartete, war das rascheln der Seiten, wenn man eben diese umblätterte. Ab und zu ein leises Tuscheln.
Doch die Meisten waren hier eher auf sich selbst und die Werke fixiert.

Julet und ich trennten uns. Ich verschwand in das Kunstabteil.

Geborgenheit war es, die mich dort empfing. Dieser Teil der Bibliothek war in den zwei Jahren meines Studiums zu einem zweiten Zuhause geworden. Zwischen all den Aufzeichnungen von Kunst und ihren Schaffern entstand eine Atmosphäre, die mich jedes Mal aufs Neue ergriff.

Ich schüttelte den Kopf. Ich machte es schon wieder, träumte vor mich hin und vergaß die Zeit.

Schnell ging ich die Reihen entlang und fand das Buch. Erleichtert atmete ich aus. Letzte Woche, hatte ich es nicht gefunden und erfuhr am Schalter, dass es bereits verliehen war. Aber heute war das Glück auf meiner Seite.

The last time with herTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon