Teil2

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Arnika ließ ihren Blick über die am Boden verstreuten Spielsachen schweifen und seufzte. Seit Tagen versuchte sie, ihrer Schwester klar zu machen, dass der Raum ihnen beiden gehörte und sie etwas Platz für sich haben wollte, aber ihre Schwester hörte nicht auf sie. Nicht mehr, seit ihre Mutter die Hochzeit mit dem Idioten angekündigt hatte. Immerhin war ihre, Arnikas, Seite des Zimmers einigermaßen aufgeräumt. Abgesehen von den beiden Barbies und dem Plastikpferd, das ihre Schwester schon vor Ewigkeiten hatte wegwerfen wollen und es doch nicht tat.

Arnika nahm ihren Rucksack neben dem Schreibtisch hoch, warf einen letzten Blick auf die Kiste mit dem Ouija-Brett in der Ablage ihres Nachtschranks und ging aus dem Zimmer. In der Küche stellte sie den Rucksack neben der Tür ab und kümmerte sich um ein rasches Frühstück. Ihre Schwester saß im Wohnzimmer und sah sich einen albernen Cartoon an.

»Lily! Mach dich fertig, du musst gleich los!«

Ihre Schwester antwortete nicht.

Arnika stellte die Pfanne mit den Rühreiern neben den Herd, stapfte ins Wohnzimmer und stellte den Fernseher ab. Ihre kleine Schwester war allerdings nirgends zu sehen. Arnika warf einen Blick auf den Kalender, nickte. Der zweite Dienstag im September. An Lilys Grundschule stand heute irgendein Schulfest an, für das Lily ein größeres Bastelprojekt angefertigt hatte, vermutlich hatte ihre Mutter sie zur Schule gebracht. Arnika kehrte in die Küche zurück, schaufelte sich beide Portionen Rührei auf einen Teller und schlang sie herunter. Anschließend nahm sie ihren Rucksack, kehrte noch einmal in ihr Zimmer zurück, um das Ouija-Brett zu holen, und schlenderte anschließend die Straßen entlang zur Bushaltestelle. Als sie dort ankam, war von den anderen Schülern niemand mehr zu sehen. Sie seufzte, lehnte sich im Unterstand an die hintere Wand und starrte die Straße hinauf.

Hinter ihr trampelte jemand auf die Bushaltestelle zu.

Arnika musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Kevin war. Seine Schritte waren unverkennbar und sie konnte seine übertriebene Selbstliebe beinahe riechen. Sie rollte mit den Augen, drehte sich allerdings nicht um und schwieg.

Kevin tänzelte um sie herum, drängte sich seitlich in ihr Blickfeld und fuchtelte dabei wie ein epileptischer Affe mit den Armen. »Yo, was geht? Zurück aus dem Jenseits?«

Arnika schnaubte. Sie sah durch ihn hindurch. In wenigen Minuten würde der Bus hier sein und sie konnte sich von dem anderen großen Idioten ihres Lebens zurückziehen. Hoffentlich.

»Siehst aber müde aus, Schnecke. Ha'm deine Dämonen dich die Nacht nicht pennen lassen? War's ne heiße Nacht? War's geil?«

Wenn sie eine erfolgreiche Séance mit dem neuen Ouija-Brett abhalten würde, wäre Kevin das erste, was sie aus dem Weg schaffen wollte. Und sie war sich sicher, dass welcher Geist auch immer beschworen wurde, das ebenfalls so sah. »Vielleicht solltest du dir 'ne Freundin kaufen«, murmelte Arnika.

Kevin stockte für eine Sekunde, dann beugte er sein dürres Gesicht zu ihr herunter. Die Mischung aus Schweißgestank und kaltem Rauch billiger Zigaretten biss in Arnikas Nase. »Du bist doch bloß sauer, weil dich keiner will. Du bist zu hässlich für diese Welt.«

Sie heftete ihren Blick an eine kaum fingernagelbreite Akne-Narben zwischen der Kraterlandschaft seiner Stirn. Hatte er eigentlich noch nichts von Gesichtshygiene gehört? Schwer zu glauben, dass er tatsächlich schon volljährig sein sollte. Sie verkniff sich einen Kommentar.

Im Hintergrund rollte der Bus heran, glitt in die Haltebucht und öffnete die Türen.

Arnika löste sich von der Wand.

»Ey, komm schon! Ich nehm dich richtig durch, musst nur ...«

Sie hörte ihm nicht weiter zu. Im Bus rauschte die Klimaanlage mit dem Motor um die Wette. Arnika trottete durch den Gang. Sie setzte sich neben eine alte Dame, um Kevin keine Möglichkeit zu geben, ihr weiter auf die Pelle zu rücken.

Die Suche nach den sieben SteinenWhere stories live. Discover now