13 | Klärende Gespräche

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Julien beobachtete mit brennendem Herzen, wie Aria förmlich an den Lippen des gutaussehenden Soldaten hing. Ihre Augen waren so intensiv auf ihn gerichtet gewesen, dass sie seinen Blick nicht einmal bemerkt hatte. Zu allem Überfluss hatte sie ihm dann auch noch dieses wunderschöne, verführerische Lächeln zugeworfen.

Ein Gefühl der Eifersucht begann in Julien aufzusteigen, als er sah, wie eng Aria mit dem Soldaten zu sein schien. Trotz seines Stolzes darüber, dass er hatte helfen können, fühlte er sich nun wie ein kleiner Schuljunge, dem man den Lutscher weggenommen hatte.

Enttäuscht begab er sich zur Tür und trat in den nächsten Raum ein. Er durchquerte ihn eilig und öffnete die nächste Tür. Aber Moment mal, war er hier richtig? Waren sie wirklich auf dem Weg zum Krankenzimmer durch diesen Raum gekommen?

Es wirkte einerseits vertraut, andererseits jedoch auch fremd. Wobei, sahen nicht alle Räume gleich aus?

Julien öffnete eine weitere Tür und fand sich in einem Raum mit zahlreichen Monitoren wieder. Das kam ihm doch bekannt vor, oder etwa nicht? Unsicher blickte der Doktor sich um. Gab es hier keine Karte oder einen Lageplan?

Kurz überlegte er umzukehren, doch er wollte noch eine Tür öffnen. Vielleicht befand sich dahinter der Raum, in dem Arias Freundin saß. Wie hieß sie noch gleich? Ach ja, Nova!

Julien öffnete die Tür und fand sich plötzlich auf einer Art Feuerleiter wieder. Etwa fünf Meter unter ihm erstreckte sich eine ihm unbekannte Welt. Die riesige Halle schien im halbdunklen Dämmerlicht von hunderten Glühbirnen diffus zu schimmern. Von seiner erhöhten Position aus waren die Details dieser ungewöhnlichen Landschaft nur schwer auszumachen. Doch er glaubte, zwischen den kleineren Feuerstellen hunderte selbstgebaute Behausungen und Zelte zu erkennen. Durch die Zeltstadt zogen sich schmale Pfade wie Adern durch ein lebendiges Organ, das pulsierte, flimmerte und pochte, während es nach Blut, Urin und Fäkalien roch.

Instinktiv hielt Julien sich den Ärmel seines Mantels vor die Nase, um den beißenden Gestank abzuwehren. Nach dieser Reise würde er definitiv eine Reinigung nötig haben.

„Nicht so, wie du es dir vorgestellt hast?" Nova Nightingales dunkle Stimme mischte sich plötzlich in Juliens Gedanken. Sie stand direkt neben ihm und lehnte sich lässig an das niedrige Geländer. „Es ist Arias Leben", erklärte sie nachdenklich. „Es ist unser aller Leben! Wir haben uns dem Kampf gegen die Unterdrückung verschrieben. Wir kommen hierher, um uns um die Schwachen zu kümmern. Keiner von uns lebt in einem schicken Penthouse oder Loft oder hat Geld auf der Bank. Wir sind keine reichen Erben." Dabei warf sie Julien einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Ich tue, was ich kann, um meinen Beitrag zu leisten!" Julien spürte plötzlich das Bedürfnis, sich zu verteidigen. Was wusste diese Frau schon über ihn?

Nova erwiderte mit einem leicht spöttischen Ton: „Natürlich tust du das! Im Schutz deiner sterilen Praxis ist das sicher harte Arbeit."

Julien spürte, wie sich die Spannung zwischen ihnen aufbaute, und wollte dieses Gespräch nicht weiterführen. Er konnte die Herausforderung in Novas Blick spüren und wusste, dass jede weitere Diskussion nur zu unnötiger Reibung führen würde. Sein Fokus lag auf Aria, auf ihrer Sicherheit und darauf, sie so schnell wie möglich zu finden. „Ich muss zurück zu Aria. Weißt du, wo sie ist?"

Nova lächelte kurz. „Du hast sie einmal wiedergefunden, du wirst es auch ein zweites Mal schaffen, Dr. Neumann!"

Julien spürte einen Stich der Überraschung, als Nova seine Vergangenheit so unverblümt ansprach. Hatte sie ihn tatsächlich überprüft? Die Tatsache, dass sie auf seine frühere Suche nach einer Familie für Aria gestoßen war, ließ ihn innehalten. Natürlich war damals alles dokumentiert worden, und Nova hatte möglicherweise eigene Schlüsse gezogen, warum Aria für ihn arbeitete.

Neonlight Shadows (ONC 2024)Where stories live. Discover now