Neonlight Shadows (ONC 2024)

20 | Auf welcher Seite wirst du stehen?

Eli erledigte alle Besorgungen gemäß Arias Anweisungen und fuhr anschließend zur Praxis, um kurz mit seiner Cousine und dem Arzt zu sprechen. Obwohl er am liebsten über den Vorfall im Labor und das Baby gesprochen hätte, spürte er, dass seine Cousine ihm etwas verheimlichte. Doch er erkannte auch, dass sie momentan mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt waren, bevor er ihnen eine weitere Last aufbürden konnte.

Entschlossen, das Gespräch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, verabschiedete er sich frühzeitig und begab sich zur Wohnung, wo er sich mit Sander treffen wollte.

Darkwood öffnete die Tür, als hätte er sehnsüchtig auf Eli gewartet. Die Spannung in der Luft war greifbar, als Eli die Wohnung betrat. Sander begrüßte ihn knapp und ließ sich sofort auf das Sofa fallen. Er deutete Eli an, ihm gegenüber Platz zu nehmen, und Eli tat es, wobei er Sander mit fragendem Blick ansah. Sander wirkte erschöpft und verletzlich. Hatte er den ganzen Nachmittag gearbeitet? Als Sander weiterhin schwieg, brach Eli das Schweigen. „Können wir jetzt reden?" Seine Stimme war leise, voller Sorge und Hoffnung zugleich.

„Ja, können wir", antwortete Sander mit einem kaum hörbaren Seufzen.

Eli spürte, wie sein Puls anstieg, als er sich neben Sander auf das Sofa setzte. „Erzählst du mir, was es mit dieser Impfung auf sich hat?" Seine Stimme war leise, aber bestimmt.

Sander zögerte einen Moment, bevor er antwortete. Die Wärme, die Eli ausstrahlte, fesselte seine Aufmerksamkeit für einen Moment. Er wollte ihm so gerne alles sagen, doch er musste sich erst absichern. „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten, wenn ich dir sage, warum ich dich aus dem Raum gerettet habe?"

Eli starrte Sander ernst an, sein Verstand raste. Er wusste, dass Sander gerade eine enorm riskante Entscheidung traf, sich gegen seinen Boss und alten Freund zu stellen. Aber er konnte nicht einfach blind versprechen, Stillschweigen zu bewahren. Was, wenn es wichtig war, die Shadows vor dieser Spritze genauso zu schützen, wie Sander ihn beschützt hatte?

„Ich kann es dir nicht versprechen, Sander", begann Eli mit brüchiger Stimme. Wie gerne hätte er einfach genickt und Sander erzählen lassen. Doch er hatte sich bereits für eine Seite entschieden. „Mein Herz und meine Loyalität gehören nicht den Neons. Ich weiß, du wirst mich nicht verraten, aber ich kann nicht von dir erwarten, dass du alles für mich und meine Freunde opferst. Wir beide wissen, dass der Tag bald kommen wird, an dem sich die Fronten verhärten und du dir die Frage stellen musst: Auf welcher Seite will ich stehen? Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass wir dann Seite an Seite für eine bessere und gerechtere Zukunft für uns alle kämpfen."

Sander sah Eli ernst an, und in diesem Moment erkannte er den unerschütterlichen Kampfgeist und die Entschlossenheit, die er sich manchmal auch für sich selbst wünschte. Doch konnte er so sein wie Eli? Konnte er seinen Status Quo für die richtige Sache aufgeben?

Die Erinnerung an Nexors skrupelloses Handeln in der Demonstration ließ ihn innerlich erbeben. Er hatte mitansehen müssen, wie Nexor die arme Frau manipulierte und brach, ohne die geringste Spur von Reue. Zu allem Überfluss hatte Nexor dann auch noch ihn dazu auserwählt, die Frau zurück in ihre Zelle zu bringen. Wahrscheinlich wollte Nexor ihn auf die Probe stellen. Doch statt das von Nexor Gewünschte zu erzielen, fühlte Sander nur noch mehr Mitleid mit der jungen Frau.

Während der Demonstration musste er immer wieder an Eli denken, und es kostete ihn jede Faser seines Seins, seine Emotionen vor Nexor zu verbergen, der ihn zutiefst angewidert und enttäuscht hatte.

Jahrelang hatte Sander Nexors Handeln und das seiner Verbündeten als dringende Notwendigkeit angesehen, um zumindest einem Teil von ihnen eine gesicherte Zukunft zu bescheren. Wie in der alten Welt gab es auch hier Elend und Reichtum. Es gab Starke und Schwache, Gesunde und Verletzte. Und um zu überleben, mussten einige den Preis dafür zahlen.