Neonlight Shadows (ONC 2024)

14 | In letzter Sekunde

Eli war an diesem Tag besonders gut gelaunt, als er bei der Arbeit ankam. Die letzte Nacht steckte ihm noch in den Gliedern. Nicht einmal Lavender Lionne konnte ihm die Stimmung verderben, als sie verkündete, dass sie ein paar Gefangene aus dem Sicherheitstrakt zum Med-On Labor bringen sollten. Elijah war schon einmal im Gefängnis gewesen, und es war in keiner Weise mit dem Komfort und den Annehmlichkeiten vergleichbar, von denen man ihm über die Gefängnisse der alten Welt erzählt hatte.

Sicherlich waren die Zellen klein, aber sie besaßen ein bequemes Bett, es gab Essen und Trinken, und man hatte sogar die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Natürlich gab es keinen Freigang, aber es gab einen Raum, der der Natur draußen nachempfunden war und an dem sich die Gefangenen mehrere Stunden am Tag aufhalten konnten. Definitiv besser als das, was den Shadows und vielen einfachen Arbeitern zugestanden wurde.

Somit war der Weg dorthin für ihn nur ein kleiner Ausflug, den sie bei solchen Aufträgen gerne in den elektrisierten Einsatzfahrzeugen bewältigten. Autos gab es in Nightvale nur sehr wenige. Das war bei einer Stadt dieser Größe auch nicht erforderlich, da man doch von einem Ende an das andere in wenigen Stunden laufen konnte. Dennoch gab es ein paar Elektrofahrzeuge für besondere Einsätze, in diesem Fall einen Gefangenentransport.

Eli war so aufgeregt, dass ihm erst, als Lavender den Auftrag erklärt hatte, einfiel, nach dem Grund für den Transport zu fragen. Es kam ihm schon sehr merkwürdig vor, dass sie gestern Medizin ins Tech-On Labor gebracht hatten und nun Gefangene ins Med-On Labor bringen sollten. Er wollte sich gerade überwinden zu fragen, als Feneas Fox ihm diese undankbare Aufgabe abnahm. Elijah konnte förmlich spüren, wie seine Chefin hinter der professionellen Fassade mit den Augen rollte. Sie antwortete ein wenig genervt, dass sie das nicht wissen müssen, um ihren Job gut zu machen. Und Fox solle aufhören, sich über alles Gedanken zu machen. Schließlich wolle er nicht in die Politik, sondern in die Exekutive. Und damit war das Thema für sie erledigt. Doch in Elis Kopf schwirrten unaufhörlich Gedanken, und je mehr er darüber nachgrübelte, desto klarer wurde sein Bild: Spritzen. Technik. Versuchskaninchen!

Während er mit gemischten Gefühlen zum Labor fuhr, überlegte er, ob wohl Arias Arzt genaueres darüber wusste. Er war sehr gut vernetzt und war vielleicht sogar einer der Ärzte, die sich um solche Dinge kümmern würden. Er beschloss, Aria später danach zu fragen. Hoffentlich hatte sie ihn gestern Nacht nicht in der Wohnung vermisst. Normalerweise gab er ihr Bescheid, wenn er noch unterwegs war und spät nach Hause kam. Aber vermutlich hatte sie gestern noch bis in die Nacht gearbeitet und war dann todmüde ins Bett gefallen. Sie brauchte unbedingt mal eine Auszeit, fand Eli.

Inzwischen war das Fahrzeug am Gefängnis angekommen, und die Sicherheitsbeamten stiegen aus dem geräumigen Fahrzeug aus. Mit dem hochmodernen Fahrstuhl fuhren sie in die Etage, die zum Gefängnis umgebaut worden war. Die Sicherheitskontrollen begannen bereits am Eingang. Eli folgte Lavender und seinen Kollegen durch einen Scanner, der jeden Zentimeter ihrer Körper durchleuchtete, während Wachen mit ernstem Gesichtsausdruck ihre Papiere überprüften. Nachdem sie den ersten Checkpoint passiert hatten, begleitete sie ein Sicherheitsbeamter weiter in die Tiefen des Gefängnisses.

Während sie durch die Gänge wanderten, konnte Eli das leise Summen der Überwachungskameras hören, die unaufhörlich jeden Winkel des Gefängnisses beobachteten. Die schneeweißen Wände und der glänzende Boden wirkten fast surreal in ihrer Reinheit, als ob sie jegliche Spuren von Unordnung und Ungehorsam verschlucken würden. Die grelle Beleuchtung warf harte Schatten auf den Gang, der sich vor ihm erstreckte, und verstärkte das sterile Gefühl der Umgebung. Die Wachen, die sie passierten, wirkten wie steinerne Statuen, ihre Blicke starr und unnachgiebig, als ob sie jeden Insassen durchschauen könnten.