Kapitel 7

22 5 30
                                    

Liebes Tagebuch,
nun ist es schon knapp vier Wochen her, seitdem Archibald meiner Familie sein Leben zu verdanken hat.

Ich hatte eine lange Diskussion mit Mutter austragen müssen, um Archibald in einem unserer vielen Zimmer Obdach zu gewähren, bis er wieder von bester Gesundheit ist. Lediglich durch das Eingreifen von Vater, der immerhin das letzte Wort hat, hat Mutter klein beigegeben und Archibald durfte bleiben.

Ich bestand darauf, mich um ihn zu kümmern.
Kurzerhand wurde er deshalb aus der kalten Dienstbotenkammer zunächst in mein herrlich warmes Schlafzimmer gebracht, wo er mit meinem Federbett eingedeckt in meinem Bett schlief.

Ich musste in der Zeit zur Strafe auf einem der Sofas schlafen, die in unserem Salon stehen.
Dies machte mir aber gar nichts, denn so konnte ich wenigstens für Archibalds Wohlergehen sorgen.

Ich machte mich auf alles gefasst. Fieberschübe. Schwere bronchiale Erkrankungen. Schmerzen. Halluzination.
Zu meiner Überraschung blieb aber all dies aus!
Bis auf, dass er etwas schwach auf den Beinen war und furchtbar blass, ging es ihm gut.

Anders als mir. Ich hatte mir eine Erkältung bei der Aktion eingehandelt, die mich, obwohl ich mich eigentlich um Archibald kümmern wollte, schon nach wenigen Tagen ans Bett fesselte.

Als ich eines Morgens Archibald sein Frühstück ans Bett bringen wollte, kam er mir schon auf dem Gang entgegen, um es bei mir abzuholen.

»Was tuen Sie hier? Gehen Sie doch bitte zurück ins Bett«, wies ich ihn mit einem Silbertablett in der Hand an.
Er nahm mir stumm das schwere Tablett aus der Hand und ging schnurstracks zu meiner Zimmertür zurück.
»Mir geht's gut«, versicherte er dabei, ohne auf mich zu warten.

Ich folgte ihm in mein Schlafzimmer, wo er das Tablett auf dem Nachtisch abstellte und mich anschließend argwöhnisch ansah.

»Sie sind krank«, fiel ihm auf, als er in mein blasses Gesicht sah.
»Es ist gar nichts«, versuchte ich die Situation abzutun, wobei sich direkt der nächste Fieberschub bemerkbar machte.
»Nein!« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Bitte legen Sie sich in das weiche Bett.« Er kam auf mich zu, um seine Hand auf meine Stirn zu legen. »Sie scheinen Fieber zu haben, Celia.«
»Oh«, sagte ich einfach, da ich dies schon längst wusste.

Ich ließ mich von dem attraktiven Mann in mein Bett manövrieren.
Er schlug das Federbett für mich zurück und legte mich vorsichtig hin, um mich dann warm einzudecken.
Er setzte sich zu mir auf die Bettkante.
»Celia, Sie müssen sich wirklich ausruhen.«
»Aber, Archibald, ich muss mich doch um Sie kümmern.«
»Nein, nein! Ich kümmere mich jetzt um Sie! Bitte nehmen Sie sich etwas von meinem Frühstück und schlafen Sie.«
»Aber was ist mit Ihnen?« Besorgt musterte ich ihn und wollte schon wieder zum aufstehen ansetzen. Er allerdings drückte mich sofort wieder zurück in die weichen Kissen.

»Ich meine es ernst. Mir geht es wirklich gut - anders als Ihnen! Ich werde schauen, wo ich mich im Haus nützlich machen kann und ich werde eines der Hausmädchen Bescheid geben, wie es Ihnen geht. Und jetzt schlafen Sie gut - ich schau später nochmal nach Ihnen.«
Er hauchte mir einen leichten Kuss auf die Hand, ehe er aufstand und mit einem besorgten Lächeln aus dem Raum trat.

Ab da an ging es mir furchtbar schrecklich. Ich hatte sehr hohes Fieber, starken Husten und Schmerzen. Alles drehte sich, wenn ich versuchte aufzustehen.
Ich war schwach und wollte nichts essen.
Lediglich, wenn Archibalds fantastische grünen Augen in meinem Zimmer auftauchten und mit viel Ruhe auf mich einredeten, bekam ich wenigstens ein paar Bisse runter.

Immer mal wieder hievte er mich aus dem Bett, um mir mit Hilfe von Clara, meine vom Schweiß gebadeten Klamotten und Laken zu wechseln.

An einem Abend, wo es mir wirklich schlecht ging und ich das Gefühl hatte, dass es zu Ende geht, blieb Archibald an meinem Bett und hielt meine Hand, damit ich nicht alleine war.

»Bitte«, flehte ich mit so schwacher Stimme, sodass man mich kaum hören konnte und versuchte meine Augen geöffnet zu halten, um den schönen Mann im Kerzenlicht zu betrachten. »Versprechen Sie mir, dass Sie mich an meinem Grab besuchen kommen.«
»Oh nein!« Entschlossen schüttelte er den Kopf. »Das werde ich Ihnen nicht versprechen, weil es gar nicht erst soweit kommen wird, Celia!«
Er strich mir sanft ein Haar von der Stirn, um mir anschließend sanft über meinen Kopf zu streicheln.
»Ich bitte Sie, Sie müssen stark bleiben.«
»Aber wofür?«, fragte ich mit bitterer Realität, als mir einfiel, dass es nichts im Leben gab, was mir Freude bereitet.
»Für mich ...«

Zu schwach, um etwas sagen zu können, starrte ich ihn für einen Moment einfach nur an, ehe mir durch die Erschöpfung die Augen zu fielen.

»Wenn du das hier schaffst, dann zeige ich dir, wie schön das Leben ist«, hauchte er, nicht wissend, ob ich ihn noch hören konnte oder schon wieder weggetreten war, während er mir einen zarten Kuss auf meine heiße Stirn gab.

Eine gute Sache hatte es ja, dass ich so krank geworden bin.
Die Feier, anlässlich zu meiner bevorstehenden Hochzeit mit meinem Verlobten, den ich das letzte Mal sah, als wir noch Kinder waren, musste abgesagt werden und wurde auf unbestimmten Zeitraum verschoben. Und somit rückte auch der Hochzeitstermin immer weiter nach hinten, was mich unheimlich fröhlich stimmte.

Mutter war zwar furchtbar wütend, sah aber auch das Positive daran, denn somit hatten wir nicht mehr das Problem mit dem Kleid, welches ich unumkehrbar ruiniert hatte, als ich raus in den Schnee gestapft war. Somit hatten wir genug Zeit, um eine neue Robe vom Schneider anfertigen zu lassen und Mutter konnte sich erstmal auf das bevorstehende Weihnachts- und Neujahrsfest konzentrieren.
Deshalb bekam ich sie zum Glück nicht sehr häufig zu Gesicht, was mir Freiraum verschaffte und ich mich außerhalb ihren Augen benehmen konnte, wie es eine Dame nicht tun würde.

Als ich nämlich wieder etwas auf den Beinen war, verbrachte Archibald viel Zeit bei mir im Zimmer, was Mutter sicherlich nicht gutgeheißen hätte.
Vater schien es egal zu sein, sofern er seine Finger bei sich ließ und er mir lediglich Gesellschaft leistete, was er auch tat! Archibald ist ein sehr ehrenwerter Mann, weshalb er nicht einmal auf die Idee kam, unzüchtige Bemerkungen zu machen - nicht einmal nachdem er meinen entblößten Körper schon gesehen hatte, nachdem er Clara geholfen hatte, als ich so krank war.

Er verbrachte stundenlang mit mir auf meinem Zimmer und brachte mir Spiele bei, die ich noch nie gespielt habe. Ich lernte, wie man Poker spielt, was, wie ich erfuhr, ein eher verpöntes Spiel ist und alles andere als damenhaft. Aber es macht mir Spaß und ich gewann auch immer öfter bei diesem Glücksspiel, wobei ich vermutete, dass Archibald mich gewinnen ließ, damit ich mich freute - was ich gewiss auch ausgiebig tat!

Auch die ersten Runden durch die verschneiten Parkanlagen unseres Anwesens drehte er mit mir.
Er war ein guter Zuhörer, aber noch ein viel besserer Geschichtenerzähler.
Ich liebe es, wenn er mir von Abenteuern aus einer fernen Zeit oder einem fernen Ort erzählt.
Er ist wirklich anders als alle anderen Männer, mit denen ich zuvor das Vergnügen hatte zu verkehren. Er hat irgendwas magisches an sich, was mich fasziniert.
Zumal ist er viel zu intelligent für einen armen Schneidersjungen, der unfair entlohnt wird - er könnte so viel mehr sein.

Archibald brachte wirklich frischen Wind ins Haus und wird anders als von Mutter, von den Dienstboten, von meinen Brüdern und sogar von Vater sehr geschätzt, weshalb sogar darüber geredet wird, ihm eine Festanstellung zu geben, was, das muss ich gestehen, ich wirklich befürworten würde.
So könnte ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen...

Ich kann nicht leugnen, dass Archibald mich zum Lächeln bringt und ich mich gut in seiner Nähe fühle.
Ich kann auch nicht leugnen, dass Archibald der einzige Grund war, weshalb ich weiterleben wollte.

Er verdankte vielleicht meiner Familie sein Leben, ich aber verdankte ihm meines...

A never ending love story Where stories live. Discover now