Kapitel 15

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Und genau das tat sie.
Klitschnass geregnet klopfte Ally zwei Tage später an meiner Tür, woraufhin ich sie auch an diesem späten Abend ohne zu Zögern in mein Apartment ließ.

»Er ist geschwommen!«, offenbarte sie aufgeregt noch bevor sie im Wohnzimmer angekommen war. »Archibald ist so lange geschwommen, bis er nach zehn Tagen von einem Schiff aufgegabelt wurde! Bei diesen Wassertemperaturen, ohne Nahrung und ohne jahrelangem Training ist das auch heute noch unmöglich!«

Es spielte sich das selbe Spiel wie beim letzten Mal ab. Ich schaltete die Stehlampe an, welche den Raum von da an in einem sanften Orange erhellte, und setzte mich anschließend auf den gemütlichen Sessel, während Ally sich mit meinen wichtigsten Besitztümern auf den Boden vor mich setzte.
Anders als beim letzten Mal stürmte es draußen allerdings sosehr, sodass der Regen so laut gegen das Fenster peitschte und uns dazu zwang lauter zu sprechen als beim letzten Mal.

»Außer wenn man unsterblich ist«, fügte ich ihrer Aussage hinzu, woraufhin sie wieder leicht die Miene verzog.
»Angenommen es ist so. Wieso ist Archibald oder wie du behaupten würdest, du selber, der einzige Überlebende, der geschwommen ist und im Wasser aufgegabelt wurde. Nach deiner Wahrheit müssen doch eine ganze Menge Menschen auf wundersamer Weise überlebt haben müssen oder willst du mir etwa sagen, dass du die einzige Person bist, die unsterblich ist und das Geheimnis des Ursprungs noch kennt?!«
Ich lachte über ihre unterschwelligen Anschuldigungen, die mich als verrückt darstellen ließen.

»Nein, gewiss nicht. Allerdings gibt es einen Zustand, der eintritt, wenn der Tod nicht umgänglich wäre. Für euch Sterblichen gibt es doch immer mal wieder Wunder. Einzelne Personen, die einen Flugzeugabsturz überlebten, unverletzt aus den Trümmerteilen eines eingestürzten Hauses geborgen wurden oder eben das wohl größte Schiffsunglück der Geschichte überlebten. Aber ich muss dir leider sagen, dass diese Wunder selten besonders sind. Oftmals ist der Überlebende, der unglaubliches aushält und alle Regeln des Lebens außer Kraft setzt, einfach nicht sterblich. Warum nicht einfach alle Unsterblichen auf wundersame Weise überleben, fragst du dich jetzt wahrscheinlich. Aber es ist ganz leicht, denn tot zu sein ist einfach einfacher.« Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich in meinem Sessel zurück. »Wir Unsterblichen sterben nicht und doch mag es für Außenstehende manchmal so aussehen. Wenn ein Unsterblicher bei einem Unfall umkommt, angenommen ihm wird auf offener Straße in den Kopf geschossen. Der Tod ist unumgänglich und trotzdem sind wir nicht fähig zu sterben. Unser Körper wird tot erscheinen und ein Unwissender wird auch nicht feststellen können, dass wir nicht wirklich weg sind. Nach gewisser Zeit tauchen wir allerdings einfach irgendwo in dem selben Körper und vor allem, anders als diejenigen, die wirklich sterben, mit all unseren Erinnerungen wieder auf.«
»Mag ja sein, dass das plausibel klingt, aber warum machen es sich manche Unsterblichen unnötig schwerer und „überleben auf wundersamer Weise"? Wieso hast du, ich meine Archibald, die Entscheidung getroffen, zu überleben und nicht einfach einen Neuanfang zu starten?«
»Weil wir noch nicht fertig sind mit dem, was wir gerade tun, Ally. Unsterblich zu sein hinterlässt tiefe klaffende Wunden. Wir verlieren unglaublich viel und dennoch besitzen wir eine unglaubliche Macht.«

Irritiert schaute Ally zuerst zu mir und anschließend wieder auf den Boden.
»Was für eine Macht soll das denn bitte sein?!«
»Die des Trostspendens, Ally.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Trost spenden?«
»Was glaubst du, was ich tat, als ich als Archibald wieder auftauchte?«
Ich erhob mich von meinem Sessel und trat ans Fenster, so wie es schon andere Menschen vor mir taten, um in die Dunkelheit zu sehen.

Das Gefühl, dass mich meine Gefühle übermannen, versuchte ich weitestgehend auszublenden, indem ich Ally nicht mehr in ihr wunderschönes Gesicht blickte.
Mit gefasster Stimme sagte ich also: »Ich bin zum Anwesen gefahren und habe Celias Vater Respekt gezollt. Mein Gott, Ally!« Ich drehte mich wieder zu ihr um. »Dieser Mann hat alles verloren. Seine ganze Liebe verließ ihn, als ihn die Nachricht ereilte, dass seine geliebten Kinder allesamt starben. Er gab sich die Schuld. Er gab sich die Schuld, Ally, weil die Kinder auf der Flucht aus seinem Haus waren!«

A never ending love story Where stories live. Discover now