Kapitel 23

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Sechs Monaten können eine ganz schön lange Zeit sein.

Ally war wirklich am nächsten Morgen ohne mich abgereist und, wie sie es versprochen hatte, hatte sie sich auch um meine Sachen gekümmert, die zwei Wochen später mit der Post ankamen.

Auf Allys Wunsch habe ich mich widerwillig im Gästezimmer von Olives eigener kleinen Ranch niedergelassen, denn so hatte sie es mit Olive besprochen, noch bevor sie mir den freien Willen abnahm, mit ihr nach Boston zurückzukehren.

Ally verlangte von mir, dass ich aufhörte ihr täglich zu Schreiben und ermutigte mich, meine Zeit mit Olive zu verbringen, was ich auch gerne tat, keine Frage, Olive war der Hammer! Aber ich konnte mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, Ally nicht mehr zu lieben und mich Olive hinzugeben.

Fairerweise fiel es auch Olive unglaublich schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass wir uns lieben sollten, um herauszufinden, ob wir sterben würden, wenn da auf der anderen Seite noch Parker ist, den sie wirklich liebte - so wie ich Ally wirklich liebte.

Nach einer Weile spielten wir uns aber ein und da Ally drastischer Weise aufgehört hatte mir zu antworten, um mich daran zu hindern, ihr weiterhin zu schreiben, und Parker mit Judy ein paar Monate auf Reisen war, um ihr neues Leben als Eheleute zu feiern, und somit die beiden nicht mehr allgegenwärtig waren, fingen wir an, uns mehr mit uns zu beschäftigen.

Zunächst verbrachten wir viel Zeit damit, um unsere vergangenen Leben zu weinen. Ich zeigte ihr meine wichtigsten Besitztümer und sie zeigte mir ihre, die zu ihrem Leidwesen lediglich nur ein paar wenige Briefe und noch weniger Bilder beinhalteten.

Sie hatte es deutlich schwerer gehabt als ich, was auch mein Antrieb war, die sechs Monate durchzuhalten.
Wir hatten sonst keinen, der uns so verstand, wie wir beide uns, was ein Nährboden für eine gute platonische Liebe war.

Schon nach wenigen Monaten, konnte ich behaupten, dass ich Olive liebte, aber eben nicht so, wie ich Ally liebte.
Ich liebte Olives Anwesenheit und ich liebte die Gespräche mit ihr, aber ich war einfach nicht verliebt.

Wir hatten versucht eine Verbindung zu erschaffen, die über eine Freundschaft hinausging, aber selbst die körperliche Anziehung und die gemeinsamen Stunden im Bett, konnten das Gefühl nicht erwecken.

Da waren wir nun also. Sechs Monate waren fast rum und meine Abreise rückte immer näher.
»Lass uns einen Ausritt machen«, hatte Olive ein paar Tage vor meiner Reise zurück nach Boston vorgeschlagen. Dieses Angebot ließ ich mir selbstverständlich nicht zweimal sagen. Ich liebte das Reiten und vor allem bei diesem frühlingshaften Wetter, welches so langsam den Winter ablöste.

Mit Olive hatte das Reiten zusätzlich eine ganz bestimmte Bedeutung erlangt, weil wir auf dem Rücken der Pferde, am besten unsere Vergangenheit loslassen konnten.

»Ich denke nur noch selten an Parker«, gestand sie schweren Herzens, als wir gerade an der Ranch von Allys Eltern vorbei ritten.
»Ich freue mich wirklich darauf Ally wiederzusehen, aber mir geht's ähnlich. Ich bin nicht mehr so vernarrt darin zu wissen, was sie so macht und wie ihr Tag so ist.«
Olive lachte. »Wir sind wirklich besessen gewesen!«
»Zu meiner Schande muss ich dir Recht geben!«
»Was sechs Monate so ausmachen können, nicht wahr?«
Mit einem liebevollen Lächeln sah ich sie an.
»Ja, Olive. Ich bin froh, hier geblieben zu sein.«
»Und ich bin froh, dass du geblieben bist.«

Solche Liebesgeständnisse machten Olive und ich uns in den letzten Wochen oft. Sie war meine beste Freundin geworden und so wie ich ihr half, ihre Vergangenheit zu sortieren, half sie mir, meine zu sortieren.
Mittlerweile hätten wir uns beide damit abgefunden zu sterben, aber zu unserer Ernüchterung, wurde uns durch unsere innigen Gespräche bewusst, dass wir beide uns zwar lieb hatten, aber nicht dieses Verliebtsein verspürten.

In diesem Moment auf dem Pferd wurde mir klar, dass ich nicht in ein paar Tagen fahren würde.
Ich wollte hier in Texas bleiben, bei meiner besten Freundin Olive.

»Ich möchte dir sagen, dass ...«, wollte ich anfangen zu erklären, als mein Pferd auf einmal anfing vor einem im Gebüsch lauernden Vogel zu scheuen und anschließend ungehalten loszulaufen.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das passieren würde, weshalb ich überrascht versuchte mich im Sattel zu halten, was mir bis zu dem Zeitpunkt gelang, als mein Pferd anfing mich mit Bocksprüngen los werden zu wollen.

Im hohen Bogen flog ich auf den Boden und spürte mit einem Mal diesen stechenden Schmerz in meiner Schulter.
»Aua!«, schrie ich auf, ohne genau zu wissen, was mir überhaupt weh tat.

Als Olive mich endlich erreichte und von ihrem Pferd sprang, beugte sie sich zu mir runter und fragte besorgt: »Ist alles in Ordnung?«
»Nein!«, beklagte ich mich. »Ich glaube ich habe mir etwas gebrochen!«
Olive schrak mit einem Mal zurück und musterte mich mit großen Augen.

»Tut dir das weh?«, fragte sie auf eine seltsame Art und Weise und drückte auf den Arm, den ich mir hielt.
»Aua! Was sollte das? Ich hab doch gesagt, dass ich Schmerzen habe!«
Ihr Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln und sie sprang aufgeregt auf der Stelle auf und ab.

»Du hast Schmerzen!«, kreischte sie erfreut und klatschte in die Hände. »Charlie, du hast Schmerzen!«
»Ja und?« Irritiert über ihre erfreute Reaktion wiederholte ich ihre Worte. »Ich habe Schmerzen.«
Meine Stimme klang seltsam in meinen Ohren. »Ich habe Schmerzen«, wiederholte ich nachdenklich.
»Ich habe Schmerzen!«, wiederholte ich noch einmal, aber diesmal genauso euphorisch, wie Olive, weil es mir wie Schuppen von den Augen gefallen war.

Olive hievte mich vom Boden und nahm meinen schmerzenden Körper in die Arme.
»Du hast Schmerzen!«, jauchzte sie erfreut und gab mir einen dicken Kuss auf die Lippen, ehe sie mich wieder los ließ und einen Freudentanz aufführte.

A never ending love story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt