Kapitel 11

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Liebes Tagebuch,
in den letzten zwei Wochen war Archibald regelmäßig bei James gewesen, um alles für die Abreise in einer Woche zu organisieren.

Sooft wie ich nur konnte, schmuggelte ich Sachen, die auf der Reise behilflich sein könnten, aus dem Haus und gab es Archibald, damit er es zu James bringen konnte.
Es fiel mir furchtbar schwer nicht selber los zu reiten, aber wenn ich nicht wollte, dass James gefährdet wird, musste ich mich zurückhalten.

William war fest entschlossen aufzubrechen und packte schon heimlich seine Sachen, während ich immer noch zögerte.
Sollte ich mein Bruder das letzte Mal in meinem Leben gesehen haben?
Oder werde ich mit nach Amerika gehen?

Jetzt, wo mir klar war, dass ich Archibald liebte, fiel es mir deutlich schwerer, mich mit einer arrangierten Ehe anzufreunden.
Selbst wenn ich Archibald als meinen Dienstboten mit in meine Ehe nehmen könnte, würde ich mich nicht von ihm fern halten können und früher oder später würde das Kartenhaus der Lügen zusammenbrechen - wie das von James und Clara...

Seitdem Archibald die Nacht in meinem Bett verbracht hatte, schlief ich auch auf den ganzen darauffolgenden Nächten keine mehr alleine.
Jede Nacht schlich er sich heimlich zu mir, um dann morgens in der Früh zurück in seine Dienstbotenkammer zu verschwinden.
Ich wollte das nicht missen müssen.

Und dennoch blieb der letzte Zweifel.
Ich liebte nicht nur meine Brüder und Archibald - ich vergötterte auch Vater.
Er ist ein ehrenhafter und guter Mann, der, wie ich weiß, ebenfalls ein Opfer einer arrangierten Ehe ist.
Er kann nichts dafür, dass Mutter so eine fruchtbar zynische Frau ist und er kann auch nichts dafür, dass seine eigenen Söhne die Flucht ergreifen.

Ein Tag vor dem großen Aufbruch sollte sich dann aber nochmal alles ändern.

Mutter stapfte schon früh in mein Zimmer - zu früh.
Somit wurde auch mein schlimmster Alptraum Wirklichkeit.
Ein hasserfüllter Schrei hallte durch unser Haus, als sie mich in Archibalds Arm liegen sah.

Es dauerte keine zwei Sekunden, da waren wir beide wach und sprangen aus meinem Bett.
»Mutter«, sprach ich panisch.
»Oh nein, mein Fräulein! Du hältst jetzt den Mund und du?!« Abwertend deutete sie auf Archibald. »Du verlässt jetzt umgehend mein Haus oder es wird dir leidtun, jemals hier hergekommen zu sein!«
»Was ist denn hier los?« Zu meinem Glück war Vater auf uns aufmerksam geworden und traf dazu.

»Eine schlampe wohnt unter unserem Dach!«, erklärte sie wutentbrannt.
»So ist es nicht gewesen, Vater!«, stritt ich ehrlicherweise ab.
»Und wie ist es denn gewesen?«, fragte er ernsthaft zweifelnd, ob ich ihm die Wahrheit sagte.
Ich seufzte und senkte meine Stimme, um die angespannte Situation zu lösen.

»Archibald hat mit mir in meinem Bett geschlafen, aber...« Mutter fing an mich zu unterbrechen, woraufhin Vater ihr aber entschieden den Mund verboten hatte, um mich weiter anzuhören.
»Aber er hat nur bei mir geschlafen, weil ich mich so furchtbar traurig gefühlt habe! Vater, Mutter, seht ihr denn nicht, wie traurig ich bin, seitdem James weg ist?« Eine diabolische Träne rollte über meine Wange. Allerdings nicht der Traurigkeit wegen, sondern aus Furcht.

Vaters Gesichtszüge wurden weicher.
»Ich schwöre euch bei meinem Leben, dass zwischen Archibald und mir nichts unsittliches geschehen ist und ich einfach nur die Gesellschaft vermisst habe, die mir sonst James bot.«
»Das ist inakzeptabel!«, keifte Mutter, während Vater nur verständnisvoll nickte.
»Fürs Erste soll's gut sein«, meinte er zur Überraschung aller, woraufhin Mutter drohte die Fassung zu verlieren.
Noch bevor sie aber anfangen konnte etwas zu erwidern, blickte Vater sie streng an.
»Es ist genug jetzt!«, sagte er bestimmt zu ihr, um sie dann anschließend mit sich aus dem Raum zu eskortieren.

A never ending love story Where stories live. Discover now