Johanna Mason - Vom Tributen zum Mentor | Kapitel 21

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Keine Ahnung wer dieses dämliche Gerücht in die Weltgestreut hatte, doch derjenige hatte eindeutig keine Ahnung. Es war lächerlichund doch wurde in der Schule ungerechterweise behauptet, dass Mädchen immer nurzu zweit unterwegs wären. Man konnte sie nie alleine antreffen und das war lautden Jungs, und nur laut den Jungs, die diese Theorie aufgestellt hatten, echtnervig. Doch das Ganze war eben doch nur ein übles Gerücht und entsprach auchnicht im Geringsten der Wahrheit. Im Gegenteil, es waren die Jungs, die man niealleine antraf, wenn man sie brauchte. Zumindest schien Gloss andauernd einenBegleiter zu haben sodass ich nicht mal in seine Nähe kam ohne dass mich Caiusvollquatschte, Cashmere höflich plauderte oder Enobaria und ich uns tödlicheBlicke zuwarfen. Gab es dann doch einen der seltenen Momente, in denen er tatsächlichkurz allein war, passierte immer auf dem Bildschirm etwas, dass meineAufmerksamkeit sofort auf etwas anderes lenkte. Meine und auch seine.

„Und wieder versinkt jemand in der Arena.", murmelteFinnick der an diesem Morgen auch endlich zu uns stieß und biss dann von seinemSandwich ab. Gleichzeitig ertönte die Kanone.

Ein paar sahen ihn daraufhin an, da sie sein Verhaltenunpassend fanden, doch ich hatte mich bereits daran gewöhnt. Außerdem ging esmir ebenfalls nicht nahe, vor allem da ich mir das verboten hatte. Ich konntenicht um jeden Toten trauern, denn dann wäre ich nach den Spielen einseelisches Wrack. Mit der Wut kam ich besser zurecht, immerhin schien sie einTeil von mir zu sein. Klar, es war trotzdem tragisch wenn ein so junges Leben ausgelöschtwurde, doch ich konnte es nicht ändern und auch nichts dagegen tun. Außerjemand würde mir eine Axt geben und mich zu Snow bringen.

Nachdem der Boden den kleinen Jungen wieder freigab undein Hovercraft den toten Körper abholte, wurden die Karrieros eingeblendet. Sietüftelten gerade an einem Plan wie sie gefahrlos über den Boden laufen konnten,ohne zu versinken. Bisher hatte sich nämlich herausgestellt, dass nur diedirekte Gegend um das Füllhorn herum sicher war. So konnten sie allerdings keineanderen Tribute jagen und wenn sie nicht jagten würden bald Mutationenauftauchen, um wieder Bewegung in die Spiele zu bringen.

Die Kamera fing Treen ein, der bei dieser Diskussion diemeiste Zeit schwieg und sich nur dann zu Wort meldete, wenn eine Idee mehr alsdämlich war. Als ich ihn so nah sah und mir gleichzeitig aber klar war, wieweit er in Wirklichkeit weg war, durchflutete mich ein unangenehmes Gefühl undich begann ihn mit einem Mal schrecklich zu vermissen. Gleichzeitig überkammich die Angst, dass diese Aufnahmen das Letzte sein könnten, was ich von ihmzu Gesicht bekommen würde. Was zum Teufel sollte ich nur tun, wenn er starb?Wie sollte ich dann noch weiter machen, wenn ich gar niemanden mehr hatte?Lohnte es sich noch weiter zu machen?

Ja ich hatte einen ziemlich starken Charakter und ich warviel zu stur und hartnäckig um einfach aufzugeben und mich von der nächstenBrücke zu stürzen. Schon allein weil Snow dann in gewisser Weise gewinnenwürde, weil er mich dazu gebracht hatte. Doch war es mir das dann noch Wert?Ich konnte die Frage im Moment nicht beantworten.

Da die Karrieros zu keiner wirklich schlauen Lösung kamenwurde die Aufmerksamkeit wieder auf jemand anderen gelenkt. Es war ein Junge,aus Distrikt 10 oder 11. Er hatte am Füllhorn ein langes Messer und einen Sperrergattert. Um letzteres hatte er ein Seil gebunden und nutzte es alsSpazierstock. Es dauerte eine Weile bis ich es verstand und seineschlammbeschmierte Hose half mir dabei. Letzte Nacht wäre ein Tribut beinaheversunken, er konnte sich nur mit Mühe retten. Es schien der Junge gewesen zusein, der wie ich zugeben musste, ein helles Köpfchen war. Er benutzte denSperr um herauszufinden, welche Stellen fest und welche es nicht waren.Gleichzeitig konnte er ihn im Notfall in die Erde rammen und sich durch dasSeil herausziehen, sollte er überraschenderweise doch versinken. Ein gute Ideeund ich wünschte, ich könnte sie Treen irgendwie mitteilen, damit er auchsolche Vorkehrungen treffen konnte. Doch das ging nicht und das machte michunglaublich wütend.

„Sag mal Jo, hast du heute Abend Lust und Zeit, auf meinZimmer zu kommen?", fragte plötzlich Finnick und verwirrt und auch ein wenigüberrascht starrte ich ihn an. Damit war ich jedoch nicht die Einzige, wobeidie anderen Blicke von ihm zu mir und wieder zurück wanderten. Mir war klar wiedas klang und was sich die anderen wohl sofort dabei dachten. Keine Ahnungwieso ich in dieser Situation so selbstbewusst antworten konnte und vor allemwieso ich genau an dieser Zweideutigkeit ansetzte.

„Wann wünscht du mich zu sehen? Zur selben Zeit wieletzte Nacht? Und gibt es dieses Mal einen Dresscode?", fragte ich und lächelteleicht und überheblich.

„Die lasse ich dir noch zukommen. Genauso wie die Angabezum Dresscode.", meinte er und zwinkerte mir zu. Eigentlich wollte ichloslachen, da die Gesichter um uns herum einfach zu köstlich waren, doch ichzwang mich so locker wie möglich zu bleiben und lehnte mich stattdessen einfachzurück und tat so, als würde ich die Szene vor uns weiter beobachten. Natürlichtat ich das nicht wirklich, stattdessen überlegte ich was er von mir wollenkönnte, ehe ich innerlich die Faust in die Luft reckte als mir klar wurde, wases bedeuten musste. Finnick wollte mir seine Vermutungen erläutern. Falls nicht,würde ich ihn dazu bewegen es zutun. Sollte das nicht klappen, würde ich ihnganz einfach zwingen.

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Vom Tributen zum MentorWhere stories live. Discover now