Johanna Mason - Vom Tributen zum Mentor | Kapitel 29

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Diese Nacht schlief ich bei Finnick. Zumindest stellte ich das am nächsten Morgen fest, als ich in seinem Bett aufwachte und er schnarchend neben mir lag. Es dauerte kurz bis ich mich orientiert hatte und mich an alles erinnerte was passiert war. Der Schmerz kam mit voller Wucht, doch ich versuchte ihn sofort mit Wut zu überlagern und zu erdrücken, was sogar einigermaßen half. Snow vor meinen Augen am Boden zu sehen befriedigte mich auf eine wohl ziemlich kranke Art und Weise, ließ ich gleichzeitig aber auch aufrecht stehen. Beziehungsweise sitzen.

„Bist du schon lange wach?", gähnte Finnick plötzlich neben mir und setzte sich auf. Sein bronzefarbenes Haar stand in alle Richtungen ab und ich konnte nicht glauben, dass viele Frauen für diesen Anblick Unmengen an Geld zahlten.

„Lange genug um das Finale deines Schnarchkonzertes mitzubekommen. Und was bitte hast du heute Nacht gemacht? Mit deinem Kissen gerungen? Geh bloß nicht so auf die Straße, sonst wird diese Wirbelsturmfrisur noch die neuste Mode.", erwiderte ich und konnte nicht anders als zu schmunzeln.

„Haben wir heute schon einen Clown gefrühstückt?", brummte er, versuchte aber mit der einen Hand seine Frisur ein wenig zu richten. Klappte nicht wirklich.

„Aber weißt du was ich vermisst habe?", fragte ich und biss mir auf die Lippe um nicht zu lachen. Ich konnte nicht anders und musste ihn damit aufziehen.

„Was? Hättest du gerne gekuschelt?", fragte Finnick grinsend und ich verdrehte die Augen.

„Odair!", schimpfte ich dann.

„Mason?"

„Ich spreche eigentlich von deiner rosa Hose.", sagte ich und kurz darauf flog ein Kissen in meine Richtung, was mich lachen ließ.

„Sie war ein Geschenk!", tat er gespielt beleidigt, musste dann aber wieder grinsen. „Das nächste Mal ziehe ich sie wieder an."

Ich schüttelte den Kopf über ihn, musste aber feststellen, dass ich mich mit ihm einfach besser fühlte. Er war einer der Gründe die mich von dem Loch fernhielten, das sich in meiner Nähe gebildet hatte und nur darauf wartete, dass ich hinein fiel. Eigentlich wagte ich es gar nicht zu denken, aber vielleicht konnten wir wirklich Freunde werden. Solche wie ihn konnte ich wirklich gebrauchen, vor allem da sie in meiner Nähe nicht sicher waren, außer sie waren wie Jason und Finnick Sieger. Bei Treen würde es dazu nicht mehr kommen.

Der Kloß war plötzlich in meinem Hals und ich tat mich schwer ihn hinunter zu schlucken. Natürlich musste er gleich merken, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist?", fragte Finn und rückte ein Stück näher.

„Ich will gar nicht wissen, wer die Spiele gewinnt.", murmelte ich.

„Meine Tributin ist noch im Rennen. Glaube ich.", sagte Finnick. „Ich hoffe natürlich sie gewinnt, ansonsten ist es mir auch vollkommen egal."

„Deine Tribute sind dir nicht sonderlich wichtig, oder?", fragte ich nach.

„Doch. Nur lasse ich mich nie zu ernst darauf ein da ich immer damit rechnen muss, dass sie sterben. Ich versuche ihnen so gut wie möglich zu helfen, mehr kann ich nicht tun. Vorwürfe mache ich mir aber schon lange keine mehr wenn ich sie nicht retten kann, das macht einen nur kaputt.", antwortete er ehrlich.

„Ich hatte auch nicht vor eine enge Beziehung zu einem meiner Tribute aufzubauen. Doch dann haben sie Treen gezogen.", murmelte ich.

„Das war nicht auf dich bezogen. Aber viele Mentoren nehmen es sich viel zu sehr zu Herzen und das macht sie kaputt. Man kann nicht jeden retten, auch wenn man es mit allen Mitteln versucht. Ginge das, gäbe es keine Spiele mehr."

„Hör auf so weise zu tun.", sagte ich und brachte ihn damit zum Grinsen, was mich ansteckte. Genau da klopfte es plötzlich an der Tür.

„Finnick? Ist die Siegerin aus Distrikt 7 bei dir?", ertönte daraufhin eine Stimme und mit gerunzelter Stirn blickte ich ihn an.

„Unsere Betreuerin.", erklärte er mir, ehe er das Wort an sie richtete. „Ja wieso?"

„Hier sind ein paar Friedenswächter für sie."

Meine Augen weiteten sich, während ich zu Finnick blickte.

„Was wollen sie?", fragte er mit verengten Augen.

„Ja sie halt", sie deutete auf mich, "sie sind hier um sie abzuholen. Im Auftrag von Snow, er will sie sehen. Finnick, habt ihr was angestellt?", quietschte sie und Finnick stöhnte genervt auf. Ich dagegen gab nichts auf ihre Worte sondern blieb nur an einem Wort hängen.

Snow. Das allein reichte, damit die Wut in mir zu brodeln begann. Natürlich wollte er mich sehen, jetzt wo Treen tot war. Er musste denken, dass meine Hoffnung zerstört und ich am Boden war. Meine Lektion hatte ich eigentlich gelernt und mit der Macht die er nun über mich zu haben glaubte konnte er mich jetzt endlich so aufbauen und formen wie er mich haben wollte. Doch da hatte er sich gewaltig getäuscht.

„Sag ihnen, ich werde erst noch das Badezimmer aufsuchen, danach komme ich.", rief ich der Betreuerin zu und stand dann auf.

„Was hast du vor?", wollte Finnick wissen und lief mir hinterher.

„Ich will die Toilette benutzen und mich kurz waschen. Danach lasse ich mich von den Gorillas zu Snow bringen.", erklärte ich ruhig.

„Willst du wirklich zu ihm gehen?"

„Habe ich eine andere Wahl?", konterte ich.

„Nein. Aber ich wünschte du hättest sie.", seufzte Finnick. „Spring ihm bitte nicht an die Gurgel."

„Ich werde es mir überlegen. Aber wichtiger ist, dass ich ihm klar mache, dass er mich immer noch nicht in der Hand hat."

Finnick nickte und lächelte leicht, was ein wenig verrückt und böse wirkte. Aber das passte in dieser Sache zu uns. Genau deshalb trat ich mit fast dem gleichen Lächeln 15 Minuten später aus Finnicks Zimmer und folgte den beiden Männern zu Snow. Und irgendwie freute ich mich auf diese Begegnung.


Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Vom Tributen zum MentorWhere stories live. Discover now