Johanna Mason - Vom Tributen zum Mentor | Kapitel 3

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Die Distrikte zogen an mir vorbei, oder besser gesagt ich an ihnen. Die Feiern dort vergingen zügig, worüber ich unglaublich froh war. Vor allem als ich in den Distrikten der Familien war, deren Kinder ich getötet hatte.

Meine Reden hielt ich frei, auch wenn sie so ziemlich alle gleich waren. Es war eben meine Meinung dazu und die änderte sich wieder in einigen Tagen, noch machte ich mir eine Andere, nur um Abwechslung reinzubringen. Abwechslung genug hatten sie, so fand ich, mit meinen Outfits die ich tragen musste.

Als wir das Kapitol erreichten bekam ich doch ein komisches Gefühl. Ich fühlte mich nicht sicher, was lächerlich war wenn man bedachte, dass ich dieses Mal sicherlich nach Hause zurückkehren würde. Ich durfte mich einfach nicht so anstellen, vor allem nicht, da ich bald dem Präsidenten wieder gegenüberstehen würde. Vor ihm würde ich mir keine Blöße geben.

Ich bewohnte ein anderes Gebäude als während meiner Spiele, was zumindest etwas Positives war. Leider ähnelte sich die Einrichtung ungemein, was es schwer machte sich nicht vorzukommen, als wäre man doch im Trainingsgebäude, doch irgendwie schaffte ich, alles um mich herum auszublenden. Das lag ganz allein an Prescilla, mit der ich wieder stritt, da ich niemals dieses Kleid anziehen würde, welches sie mir vor die Nase hielt. Da blieb nicht viel Raum um an andere Dinge zu denken.

„Du kannst doch nicht jetzt schon sagen, dass es scheußlich ist, du hast es noch nicht einmal probiert.“, zischte meine Stylistin wütend.

„Ich brauche es nicht zu probieren um festzustellen, dass es scheußlich ist.“, erwiderte ich stur.

„Du hast doch keine Ahnung von Mode, ich bin hier die Stylistin.“, rief sie und war kurz vor einem Anfall. Ich allerdings auch.

„Ich habe die ganze Tour über deine Kleider getragen, ohne einmal zu meckern.“, erinnerte ich sie. „Aber das hier ziehe ich nicht an, es sieht aus wie ein Sack und hat die Farbe von Hunde…“

„Schluss jetzt!“, mischte sich Jason genervt ein. „Wir haben nicht mehr lange Zeit. Johanna, zieh das Kleid an und leb mit der Farbe. Prescilla, mach ihr einen Gürtel um die Taille. Keine Widerworte.“

Natürlich setzte ich trotzdem zu Widerworten an, doch er ignorierte mich, indem er einfach aus dem Zimmer ging und sich das hier nicht länger antat. Am liebsten wäre ich ihm gefolgt, auch um ihm meine Meinung darüber zu sagen was ich davon halte, wenn mir jemand in den Rückel fiel. Leider war das nicht möglich, stattdessen schlüpfte ich in das Outfit, ehe Prescilla es wenigstens soweit abänderte, dass ich nicht mehr aussah wie eine Lieferung aus Distrikt 11.

Am Ende funkelten wir uns nicht mehr böse an sondern konnten einigermaßen mit dem Ergebnis leben, weshalb wir einen Herzanfall von Camilla vermeiden und doch noch pünktlich aufbrechen konnten.

Lange dauerte die Fahrt nicht und wir erreichten das Anwesen des Präsidenten. Als ich aus dem Auto stieg konnte nicht leugnen, dass ich schon ein kleinwenig beeindruckt war. Bunte Lichter schmückten das riesige Haus, Musik war zu hören und sogar ein Feuerwerk wurde gezündet, als man mich ankommen sah. Völlig übertrieben, aber es sah schon nicht schlecht aus. Trotzdem hatte ich eine tief verankerte Abneigung gegen das Kapitol entwickelt, weshalb sich die Verachtung nicht ganz aus meinem Blick verbannen ließ. Das schien den Menschen um mich herum jedoch weder etwas aus zu machen, noch sie abzuschrecken, da sie mir einfach die Hände auf die Schultern legte, meine Haare berührten oder einfach meine Hand ergriffen und sie schüttelten.

„Was soll das?“, zischte ich genervt und blickte zu meinem Mentor. Er musste es wissen, immerhin hatte er das alles ebenfalls schon durchgestanden.

„Du bist die Siegerin. Das macht dich hier etwas ganz Besonderem. Jeder will sagen können, er hat die Siegerin kurz berührt.“, erklärte er leise in mein Ohr, was bei dem Lärm gar nicht so einfach war zu verstehen.

„Ich bin aber eine böse Siegerin, ich kann sie nicht leiden.“, flüsterte ich zurück, was ihn kurz schmunzeln ließ.

„Das interessiert hier jedoch niemanden. Reiß dich zusammen, ich hab das alles auch hinter mich gebracht ohne jemanden zu ermorden.“

Ich grummelte noch ein wenig vor mich hin, ließ alles jedoch weiterhin über mich ergehen, auch wenn ich manchmal gekonnt zur Seite wich, dass mich ein paar Hände knapp verfehlten.

Wir stiegen die Treppen empor, als mich Camilla plötzlich am Arm packte, damit ich stehen blieb. Zunächst verstand ich nicht wieso, doch als alle um mich herum nach oben blickten fiel mir auf, dass der Präsident auf dem Balkon seines Hauses stand. Er begrüßte mich, danach wurde erneut ein Feuerwerk in die dunkle Nacht geschossen, ehe wir weiter gingen und Snows Zuhause betraten.

Auch hier empfing mich laute Musik, die irgendwie befremdlich wirkte und nicht wirklich meinem Geschmack entsprach. Allerdings schien sich hier sowieso niemand für meinen Geschmack zu interessieren, immerhin durfte ich, obwohl es ja ein Fest zu meinen Ehren war, überhaupt nichts entscheiden. Das zeigte allerdings wieder sehr deutlich, dass das Ganze hier eine große Lüge und Show war.

„Beginnen wir mit dem Tanz?“, fragte Jason und ich konnte nicht verhindern, dass meine Gesichtszüge kurz entgleisten.

„Tanzen?“, fragte ich mit viel zu hoher Stimme, ehe sich die Wut in mir breit machte.

„Natürlich musst du tanzen. Allerdings nur zur Eröffnung. Ich führe dich, du kannst nichts falsch machen. Du kannst mir im Übrigen danken, Camilla wollte das hier mit dir trainieren. Ich hab ihr aber gesagt, dass du sowieso mit keinem von ihnen Tanzen wirst und dass wir das hier am Anfang schon irgendwie hinbekommen werden.“

Ich konnte nicht fassen, was mir mein Mentor da sagte und vor allem, was er mir verschwiegen hatte. Dann kam mir jedoch eine Idee, weshalb ich zur Antwort nur böse grinste, ehe ich etwas sagte.

„In Ordnung. Bitte führe mich.“

Jasons Blick veränderte sich, doch dann riss er sich wieder zusammen und begann mich zur Musik zu drehen. Ungefähr 17 Mal, bei 12 hatte ich aufgehört zu zählen, trat ich ihm, natürlich ganz unabsichtlich auf den Fuß, weshalb wir beide froh waren, als der Tanz endlich zu Ende war.

„Du bist ein Miststück.“, sagte er und tat so, als würde er gleich sein Bein verlieren, ehe er jedoch grinste. „Aber okay, ich habe es verdient. Ich wollte dein entsetztes Gesicht sehen.“

„Du bist ein Mistkerl, weißt du das?“, grummelte ich, bevor das Buffet eröffnet wurde und wir zu essen begannen.

Ich hielt mich die meiste Zeit am Buffet auf, was es mir einfacher machte jeden Tanz abzulehnen, zu dem ich aufgefordert wurde. Es lief also ganz gut, bis plötzlich zwei schwarzgekleidete Männer zu mir kamen.

„Miss Mason? Der Präsident wünscht die Siegerin kurz zu sprechen.“

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Vom Tributen zum MentorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt