Johanna Mason - Vom Tributen zum Mentor | Kapitel 2

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Kameras begleiteten mich auf Schritt und Tritt, während ich zum Zug gebracht wurde, der mich zu den einzelnen Distrikten bringen sollte. Zwar war das kurze Gespräch mit Caesar bereits zu Ende, doch man wollte trotzdem jeden Augenblick einfangen der mich als Siegerin auf dem Weg zur Tour der Sieger zeigte. Es hätte ja sein können, dass mir ein Lächeln oder Lachen entwischte oder dass ich sogar etwas wie Vorfreude zeigte. Darauf konnten sie jedoch lange warten, etwas wie Vorfreude würden sie bei mir niemals zu Gesicht bekommen.

Da ich mich von meiner Familie bereits zu Hause verabschiedet hatte, vor allem weil ich nicht wollte, dass das Kapitol das zu Gesicht bekam und irgendwelche Spekulationen entstanden, konnte ich am Bahnhof gleich in den Zug steigen. Wer hätte gedacht, dass ich einmal froh sein würde, dieses Gefährt betreten zu können? Aber hier war Kamerafreie Zone, was wirklich viel Wert war, auch wenn das bedeutete, dass Camilla wieder das Wort hatte. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen, es auch sofort zu ergreifen.

„Du könntest ruhig mal ein wenig lächeln.“, fing sie sofort an mich zu kritisieren, kaum dass wir den Speisewagon erreicht hatten.

„Falls du es nicht mitbekommen hast, ich habe beim Interview mit Caesar gelächelt, das muss reichen.“, verteidigte ich mich.

„Das war nur ein kurzes Lächeln, das zählt nicht.“, behauptete sie.

„Oh und ob das zählt. Jason sag ihr, dass das zählt.“, brachte ich hervor und funkelte die Betreuerin von Distrikt 7 an.

„Es zählt. Immerhin war es kein verächtliches oder arrogantes Lächeln wie sonst.“, half mir mein ehemaliger Mentor, was mich zufrieden lächeln ließ. Da hatte sie noch eins, sie brauchte sich also gar nicht beschweren.

Camilla grummelte etwas als Antwort was ich jedoch nicht verstand, danach stöckelte sie aus dem Abteil und ging in ihres, was mich gleich weiterlächeln ließ.

„Es macht dir Spaß, sie zu ärgern, oder?“, fragte Jason und schmunzelte, ehe er sich in den Sessel fallen ließ.

„Ja, macht es.“, gab ich ohne Probleme zu, danach setzte ich mich ebenfalls.

„So schlimm ist sie gar nicht. Denk daran, sie hat dich immer bemitleidet, als du noch das schwache hilflose Mädchen warst.“, erinnerte er mich.

„Ich kann auf Mitleid verzichten.“, zischte ich sofort, doch dann fiel mir wieder ein, wie sie sich um mich gekümmert hatte als sie glaubte, dass ich ganz am Ende war, da ich solche Angst vor den Spielen hatte. Sie wusste ja nicht, dass es gespielt war und wollte mir deshalb, so gut es auf ihre Art ging, helfen.

„Aber ja, sie hat mir Tee und heiße Milch gebracht und sich um mich gekümmert. Ich werde ein wenig netter sein.“, sagte ich deshalb, was ihn zufrieden nicken ließ.

Anschließend saßen wir eine Weile nur zusammen, ehe Camilla, jetzt mit neuem Outfit, zurückkam und uns den Plan erklärte. Die Tour begann mit Distrikt 12, den wir am nächsten Tag erreichten.

Dieser Distrikt war schrecklich. Er wirkte ziemlich arm und heruntergekommen und das konnten auch die ganzen Fahnen nicht verbergen, die aufgrund der Tour des Siegers überall hingen. Dieser Distrikt war eindeutig ärmer dran als mein eigener.

„Vergiss nicht brav vorzulesen, was ich dir auf die Karte geschrieben habe.“, wies mich Camilla an, was mich schnauben ließ. Aber ich wollte ja nett sein, also hielt ich zumindest meinen Mund. Gleichzeitig zerknüllte ich jedoch das Stück Papier.

Es dauerte nicht lange und die Hymne ertönte, ehe die Türen für mich geöffnet wurden und ich auf die Bühne treten konnte. Dort wurden mir sofort Blumen überreicht ehe mir der Bürgermeister zu meinem Sieg gratulierte. Danach war ich an der Reihe.

Ich ging zum Mikrophon und starrte auf die Menge. Kurz bereute ich, dass ich die Karte zerknüllt hatte, doch dann beschloss ich einfach zu sagen was ich dachte. Alles andere hätte vermutlich eh nicht zu mir gepasst.

„Ich kannte die Tribute nicht und werde deshalb auch keine Lobrede auf sie halten. Auch weil ihr das sicher nicht hören wollt. Keiner will hören was der Sieger über die Toten zu sagen hat, die er überhaupt nicht kannte. Ich würde es nur falsch machen und keinem der Tribute gerecht werden. Es ist grausam, dass sie gehen mussten, denn sie wollten genauso wenig sterben wie ich es wollte. Sie alle wollten leben und es ist Schwachsinn, wenn ich sie trotzdem für ihren Mut lobe, dass sie versucht haben zu überleben. Das bringt keinen der Toten wieder zurück. Mehr habe ich auch schon gar nicht zu sagen, ich hasse lange Reden.“

Als meine Wort draußen waren wusste ich, dass ich vermutlich Ärger bekommen würde, weil es einen Haufen Mist war, was ich da von mir gegeben hatte. Trotzdem sah ich selbstbewusst drein und ging von der Bühne zurück ins Justizgebäude. Dort begann sich auch sofort Camilla aufzuregen, doch die ignorierte ich gekonnt.

„Mir hat die Rede gefallen und den Leuten glaube ich auch. Kurz und knackig, kein dummes Getue.“, meinte mein Mentor, woraufhin Camilla entsetzt die Luft einsog.

„Ich bin kein nettes Mädchen von nebenan. Deshalb sage ich das, was mir in den Sinn kommt und worauf ich Lust habe. Also spar dir das Papier Camilla.“, sagte ich noch ein wenig selbstbewusster, was vermutlich an denn Worten von Jason lag, was ich natürlich nie zugegeben hätte.

Meine Betreuerin sah mich entsetzt an, ehe sie beleidigt vor ging und mich mit keinem Blick mehr würdigte. Allerdings ließ sie mich die nächsten Tage die Reden so halten, wie sie mir gerade in den Sinn kamen, ohne noch einmal etwas dazu zu sagen. Und lange blieb sie leider auch nicht beleidigt, da sie bereits in Distrikt 10 wieder ganz normal mit mir sprach. Zu meinem Bedauern. 

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Vom Tributen zum MentorWhere stories live. Discover now