Johanna Mason - Vom Tributen zum Mentor | Kapitel 5

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Die Friedenswächter brachten mich zurück zur Feier, doch nach dem Gespräch mit Snow fühlte sich dort alles anders an. Die Musik schien als würde sie nur in weiter Ferne gespielt, die Gespräche waren unverständlich und auch das Essen interessierte mich nicht mehr. Ich wollte nur noch nach Hause, doch leider konnte ich nicht so einfach verschwinden.

Jason kam und sah mich besorgt an, fragte auch was Snow wollte, doch ich schüttelte nur den Kopf. Ich hatte dieses Gefühl, dass hier keine Gespräche sicher sein würden, weshalb ich ihm mit meinem Blick versuchte zu sagen, dass wir später darüber reden würden. Auch weil ich unbedingt wissen musste ob er wusste was Snow genau damit meinte und ob es vielleicht nur ein schlechter Scherz gewesen war. Das zumindest hoffte ich, denn das ganze wirkte immer noch absurd und lächerlich auf mich.

Es war bereits nach Mitternacht, als wir endlich gehen konnten und uns ein Auto dann zu unserem Appartement brachte. Zwar befand sich auch das im Kapitol, doch ich fühlte mich irgendwie sicherer als noch im Haus des Präsidenten. Was war nur los mit mir? Warum hatte es dieser Mistkerl doch geschafft, dass ich mir jetzt Sorgen machte?

„Die Feier war einfach nur wundervoll, findet ihr nicht?“, fragte Camilla ganz begeistert und strahlte uns der Reihe nach an.

„Ja, sie war ganz einzigartig.“, brummte ich, was sie positiv wertete.

„Oh ja, das war sie! Einer Siegerin würdig! Schade, dass sie schon vorbei ist. Morgen geht es dann auch schon zurück nach Distrikt 7.“, plapperte sie weiter, wobei sie nun kurz traurig seufzte. „Naja, ich geh dann mal schlafen. Wir sehen uns morgen früh.“

Ihre Stöckelschuhe setzten sich in Bewegung und brachten sie in ihr Zimmer. Kurz blieben wir einfach nur so stehen, bis Jason das Wort ergriff.

„Ich glaube ich brauche noch ein wenig frische Luft. Zum runterkommen. Kommst du mit?“

Mir war klar, dass er einen ruhigen Platz zum Reden gewählt hatte. Und da ich sicher noch nicht schlafen konnte, nickte ich.

Wir gingen zum Aufzug und ließen uns nach oben bringen. Ich folgte Jason, der sich hier eindeutig auskannte und wohl schon öfter hier oben gewesen war. Ich konnte es verstehen, denn hier wirkte es nicht so künstlich und man fühlte sich ein wenig freier als zwischen all den Betonwänden. Vielleicht würde ich als Mentorin auch öfter hier hoch kommen.

„Was wollte er?“, fragte Jason über das Klangspiel hinweg, welches aufgrund des Windes ziemlich laut war.

„Er hat mir mitgeteilt, dass irgendwelche Männer mich gerne kennenlernen würden. Oder so ähnlich.“, gab ich nicht gerade präzise von mir, doch es war das was am besten hängen geblieben war.

Ich blickte zu meinem ehemaligen Mentor und versuchte seine Miene und seine Reaktion auf meine Worte einzuschätzen. Doch leider blieb sein Gesicht ausdruckslos und gab mir damit keine Antwort.

„Was genau hat er gesagt Johanna? Das ist wichtig.“, fragte er mich erneut.

„Er hat davon gesprochen, dass einflussreiche Männer mich gerne kennen lernen würden, das habe ich doch gerade gesagt. Ach und dass sie viel Geld dafür zahlen würden.“, wiederholte ich.

„Was hast du darauf erwidert?“, wollte er nun wissen.

„Dass ich nicht an der Gesellschaft irgendwelcher Männer aus dem Kapitol interessiert bin. Ich bin erst 16 Jason! Was glaubt der denn wer ich bin?“, gab ich nun ziemlich verärgert und auch genervt zurück.

Nun verzog er seine Miene doch, auch wenn mich das nur noch mehr beunruhigte.

„Was hat er darauf gesagt?“

„Er hat gesagt ich soll meine Feier genießen. Und dass wir uns in ein paar Monaten wiedersehen und dass ich bis dahin vielleicht meine Meinung ja geändert habe. Jason was sollte das? Warum hat er überhaupt solche Dinge verlangt? Was weißt du davon?“

„Nicht viel. Also ich hab davon gehört, doch bisher kannte ich niemanden der davon betroffen war.“

„Verdammt nochmal, wovon gehört? Rede endlich Klartext mit mir.“, knurrte ich.

„Manche Sieger, die besonders begehrenswert erscheinen, werden an wohlhabende Menschen aus dem Kapitol verkauft. Habe ich gehört, ob es stimmt weiß ich leider nicht. Angeblich ergeht es Cashmere so. Du kennst sie, die Siegerin aus Distrikt 1 die im Jahr nach ihrem Bruder gewonnen hat.“, begann er endlich zu erzählen.

„Ja ich kenne sie. Groß, schlank, blond, riesen Oberweite.“, zählte ich auf. „Sie kann man vielleicht begehrenswert nennen. Aber Jason, ich bin 16 und habe mit ihr keine Ähnlichkeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich irgendwelche Männer begehren.“

„Du bist hübsch. Ein hübsches Mädchen, welches stärker und mutiger ist als vermutlich jede Frau aus dem Kapitol. Du bist unberechenbar und sagst was du denkst. Genau das scheint vielen zu gefallen, was man so hören konnte.“, redete er weiter.

„Du hörst ziemlich viel, kann das sein? Nur klare Fakten haben wir nicht.“, grummelte ich.

„Es sind alles Gerüchte. Niemand spricht darüber, es ist einfach zu gefährlich. Und bisher hatte ich keinen Grund ein Risiko einzugehen. Aber ich werde mich mit ein paar Mentoren-Freunden unterhalten, sobald wir wegen den Spielen wieder hier sind. Vielleicht redet ja auch Cashmere selbst mit mir? Noch haben wir ja Zeit, da er dir scheinbar Bedenkzeit gegeben hat. Mach dir also keine Sorgen, wir finden schon noch mehr heraus.“, versuchte er mich zu beruhigen und es klappte sogar. Ich brachte sogar ein Lächeln zustande und ließ zu, dass er mich kurz umarmte.

„Danke Jason.“, sagte ich leise, als wir uns wieder zum Gehen wandten.

„Keine Ursache. Ich bin immerhin dein Mentor und dadurch für dich verantwortlich, ob es mir gefällt oder nicht.“, meinte er schmunzelnd.

Ich boxte gegen seine Schulter, grinste dann aber und folgte ihm weit besser gelaunt wieder in den Aufzug. Ob ich es zugeben wollte oder nicht, ich mochte ihn und war froh, dass er mein Mentor war. Vielleicht hatte ich die Hungerspiele gewonnen, doch dadurch kannte ich leider noch nicht die Spielregeln, an die sich wohl ein Mentor zu halten hatte. Ich konnte, so zuwider es mir auch war, noch viel von ihm lernen. Ich brauchte ihn.

Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin: Vom Tributen zum MentorWhere stories live. Discover now