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Wie ein einziger, kleiner und kurzer Moment dein Leben so verändern kann, hätte ich nie im Leben gedacht. Und wie drei einfache Worte deine Welt zerstören können. Die Hilflosigkeit, die man spürt, wenn man nicht mehr weiß, wofür es sich zu leben lohnt. Dieser Schmerz, der dir zeigt, dass die Realität ein grausames Stück Scheiße sein kann.
Der Arzt hatte mich angeschaut und aufeinmal angefangen mittleidig zu gucken. Er hatte sich auf den Stuhl neben mir gesetzt und fasste sich in die Haare. "Er ist tot."
Es waren die drei Worte, die mein Leben zerstört hatten, die mich zerstört hatten. Ich konnte nicht einmal mehr weinen. Vielleicht war das alles nur ein Traum? Vielleicht wache ich ja gleich wieder auf, in meinem Bett in meinem Zimmer und muss mich für die Schule fertig machen.
Ich spürte das Blut in meinen Ohren rauschen. Meine Hände zitterten und ein Gefühl, dass ich mich gleich übergeben muss, trat auf.
Doch aufeinmal war ich die Ruhe selbst. Ich war so beruhigt wie noch nie. Auch dein Leben hat jetzt ein Ende. Sagte eine Stimme in meinem Kopf. Sie klang sanft und nett und einladend. Komm zu mir, zu Jonathan, zu Ally, zu Ann und zu Mason. "Ja. Ich komme.", flüsterte ich und stand auf. "Sie steht unter Schock.", sagte der Arzt zu einer der Krankenschwestern, die mich besorgt anschaute. "Sie.. braucht jetzt Ruhe. Bringen Sie sie in Heim, bis wir wissen, wer ihre Eltern sind." Die Krankenschwester nahm meinen Arm und führte mich aus dem Krankenhaus heraus. Ich war wie betäubt. Jonathan konnte nicht tot sein. Doch, er ist tot. Und dass zeigt, dass du niemanden in deinem Leben verdienst. Deine eigene Mutter hast du im Stich gelassen.
Die erste Träne fiel. Dann die zweite. Dann fing ich an zu heulen wie noch nie in meinem Leben. "Jonathan!", sagte ich qualvoll. "Jonathan ich brauche dich doch!", ich konnte nicht richtig reden. Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich wurde in ein Auto gesetzt. Die Krankenschwester fuhr los. "Bitte bauen sie einen Autounfall.", sagte ich zu ihr. "Wie bitte?!", fragte die Krankenschwester geschockt. "Bauen sie einen scheiß Autounfall!", brüllte ich sie an. Sie ignorierte mich und ich fing an zu schreien. Ich wollte sterben und nie wieder Schmerz erfahren. Wütend versuchte ich die Autotür aufzumachen, doch sie ging nicht auf. "Ich muss zu Jonathan! Ihn noch einmal küssen! Ihn umarmen! Ihm sagem dass ich ihn liebe! Bitte!", schrie ich die Krankenschwester flehend an. Sie ignorierte mich wieder und fuhr stur weiter geradeaus. "Bitte!", flehte ich. Ich konnte Jonathan nichteinmal sagen, dass ich ihn liebe.
Nennt man das Karma? Vielleicht habe ich vor diesem Leben schon einmal gelebt und zu viel Scheiße gebaut. Und jetzt bekomme ich es alles zurück. Ich bekomme alles zurück was ich verdient habe. Und es ist grausam. Dieses Gefühl, alleine auf der Welt zu sein. Es ist unerträglich.

"Wir sind da.", sagte die Krankenschwester. Ich hob den Kopf. Es war ein Haus. Umgeben von Wäldern. Vielleicht konnte ich hier sterben. Es war ein schöner Ort.
Wir waren die ganze Nacht gefahren und jetzt kamen die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Haus hervor. Die Bäume raschelten leise und der Tau auf der Wiese machte meine Schuhe nass, als ich zu dem Haus lief. Tränen kullerten meine Wangen hinunter. Es war ein wunderschöner Ort. Die Vögel zwitscherten und es herrschte eine Morgenstimmung. Alle anderen in dem Haus schliefen wahrscheinlich noch.
"Es ist ein Heim, in dem du erstmal bleibst.", sagte die Krankenschwester sanft. Ich nickte und atmete zitternd ein. Jonathan. Bei diesem einen Wort krampfte sich alles in mir zusammen und ich musste wieder anfangen zu weinen. Die Krankenschwester wischte mir mit Tränen in den Augen meine Tränen aus dem Gesicht. "Es tut mir so leid für dich. Aber irgendwann will es das Schicksal gut mit dir. Glaub mir.", sagte sie und lächelte mir zu. Ich nickte nur. Ich konnte nicht mehr lächeln. Es fühlte sich an, wie als würde ich nie wieder lächeln können.
Eine Frau öffnete mir die Tür. "Guten Tag.", sagte sie und bat uns, einzutreten. Mit gesenktem Kopf trat ich ein. "Dein neues zu Hause. Die anderen sind momentan auf einem zweitägigem Ausflug. Sie kommen erst morgen zurück. Dann kannst du dich erstmal einleben.", sagte die Frau. "Und nenn mich bitte Mrs. Teah.", sagte sie. "Ich werde eh nicht lange bleiben.", sagte ich leise. "Wie bitte?" - "Ach egal." Mit großen Missmut wurde ich in ein Zimmer geführt. Dort wurde ich alleine gelassen.
Kurze Zeit später öffnete ich das Fenster. Erster Stock. Ich würde wohl nicht springen können. Ich schaute aus dem Fenster. Überall um das Haus herum waren Bäume und es war beruhigend Still. Die Vögel zwitscherten und es war noch recht kühl, da es noch Morgen war. Ich kletterte aus dem Fenster und sprang auf das Dach einer Hütte, die direkt unter meinem Zimmerfenster war. Dann kletterte ich die Hütte runter. Der Moos an der Hütte war nass und ich strich sanft darüber. "Eine wunderschöne Gegend hier.", flüsterte ich. "Wenn du es nur miterleben könntest, Jonathan.", sagte ich. Mir kamen fast wieder die Tränen, doch ich versuchte stark zu sein. "Bald bin ich bei dir."

"Junge Dame, wo wollen wir denn hin?", schrie eine Stimme über den Hof. Ich war kurz davor gewesen, in die Tiefen des Waldes gehen zu können. In Ruhe und Frieden sterben. Das will ich. Doch ich blieb stehen und schaute mich ertappt um. Es war Mrs. Teah die mich erwischt hatte. Sie kam auf mich zu. "Nanana, hier haust du mir nicht ab!", sagte sie streng. "Komm mit." Ich folgte ihr in das Haus und in die kleine Küche, die größtenteils aus Holz bestand. "Setz dich." Ich setzte mich hin. Mrs. Teah setzte sich gegenüber von mir hin und fing an zu erzählen. "Wir sind kein normales Heim. Hierher kommen Jugendliche ohne Eltern die Probleme haben. Ein Trauma, so wie du. Oder mit Magersucht. Heute noch kommt ein Mädchen was eine Essstörung hat. Sie wurde in einem verlassenen Gebäude gefunden. Sie stammt wohl aus einer Gang. In den Nachrichten kommt es momentan oft, dass eine gefährliche Gang aufgelöst wurde." Leo. Oh nein. Wenn Leo hierher kommen würde, konnte ich das mit dem sterben vergessen. Jonathan ich brauche dich. "Du hast eine geliebte Person verloren, oder?", fragte mich Mrs. Thea. Ich senkte meinen Blick und sah, wie meine Tränen auf den Holztisch tropften. Mrs. Thea stand auf. "Ich koche jetzt das Mittagessen. Wenn du willst, kannst du dich hier umsehen." Ganz bestimmt. Nach Rasierklingen. Ich stand auf und nickte ihr zu. Dann ging ich aus der Küche raus. Auf der Suche nach meinen besten Freunden.

The Badboy and the suicide girl Where stories live. Discover now