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Ich schmiss mich auf die Matratze und starrte die Decke an, die schon eher grau als weiß war. Drei Tage waren vorbei, seitdem ich meinen Fluchtversuch gewagt habe, und seitdem hatte ich auch nicht mehr versucht, zu fliehen.

Ich habe sogar mein eigenes Zimmer bekommen, darauf hatte ich bestanden. Das mit dem Essen klappte immer noch nicht so gut, und ganz langsam sah man mir das auch an.
Aber ich kriege einfach nichts herunter, ich hatte keinen Hunger. Meine Wunden verheilten ganz langsam, aber ich war vorsichtig mit ihnen.

Ich war fast immer alleine, ich wollte mit niemanden Kontakt knüpfen. Ich bin ein Mensch, der lieber alleine ist, als unter Menschen. Es ist für mich einfach angenehmer, entspannender.

Jetzt gerade ging ich alleine die Gänge erkunden. Ich hatte schon viele interessante Verstecke gefunden, wo ich mich mal zurückziehen könnte. Ich fragte mich immer wieder, wie es weitergehen wird. Würde ich jetzt für immer hier leben? Das wäre einfach unvorstellbar, ich brauchte die Natur, das Sonnenlicht. Seitdem ich hier war, hatte ich kein einziges Mal das Sonnenlicht erblicken können, und irgendwie regte mich das auf. Und besonders gut für meine Gesundheit war das auch nicht.

Plötzlich stieß ich mit jemanden zusammen. "Omg!", sagte eine Mädchenstimme aufgeregt. "Bist du Kathy?", fragte sie mich. Ich schaute sie an. Es war ein hübsches Mädchen, blaue Augen, blonde Haare. Da konnte ich mit meinen braunen Haaren, die etwas wellig waren, echt nicht mithalten. Das einzige waren vielleicht meine blauen Augen, die zu einem dicken Kontrast mit meinen braunen Haaren standen. "J.. Ja ich bin Kathy. Wieso?", fragte ich. Sie sah aufgeregt auf, war etwas kleiner als ich und etwas dünner. Neben ihr bekam ich sofort Komplexe. Sie fing an zu quiecken. Ich verzog mein Gesicht. "Omg! Ich wollte dich immer mal kennenlernen! Besonders weil Jonathan ja so auf dich steht! Jonathan will von keiner die hier lebt, was, aber dann schleppt er aufeinmal dich an!", sagte sie. "Dafür kann ich nichts..", sagte ich. Was wollte sie eigentlich von mir? "Hör mal, ich muss jetzt auch weiter..", murmelte ich zu ihr, und versuchte, an ihr vorbei zu kommen, aber sie versperrte mir den Weg.

"Hör mir mal gut zu.", ihre Tonlage veränderte sich schlagartig, wie als hätte ich es mir nicht denken können, war sie eher Feind als Freund.  "Jonathan ist für mich bestimmt, also versuch besser, dich nochmal umzubringen, dann hab ich dich wenigstens aus dem Weg.", sagte sie selbstbewusst. Überrascht schaute ich das süße kleine Mädchen an, vielleicht ein Jahr jünger als ich, was mir gerade gesagt hatte, ich solle mich umbringen gehen.

"Na klar. Wenn du das willst.", sagte ich und ging jetzt ernst an einem überraschten Gesicht vorbei. Ich hatte keine Lust, mich hier mit den Leuten anzulegen. Ich ging schnell ein paar Gänge weiter und blieb dann stehen. Ich realisierte das ganze gerade eben irgendwie nicht. Hier gab es doch genug Jungs, wieso will sie denn dann unbedingt Jonathan haben?

Ich machte mich auf zu einem der Verstecke, die ich eben erst entdeckt hatte. Ich brauchte jetzt wirklich Ruhe.

_________

Ich weiß nicht, wie lange ich schon herumlief, aber es wurde langsam dunkel und ich hatte die Orientierung verloren.

Ich entdeckte einen Fluss. Ich setze mich an ihn und beobachtete sein treiben. Wieso war ich hier? War das diese besagte trotzige Teengaerphase, von der alle sprachen? War ich denn mit meinen vierzehn Jahren überhaupt schon ein Teenager?
Wieder überkamen mich Schuldgefühle. Ich hatte Kathy's Mom ganz alleine gelassen, sie war eh schon krank vor Sorge, und ich hatte nochmal eins draufgelegt.
Ich legte meinen Kopf auf meine abgewinkelten Beine und fing an zu weinen.

Ich weiß nicht, wie lange ich  gesessen und geweint hatte, aber irgendwann stand ich auf und folgte dem Fluss. Ich war schon längst außerhalb der Stadt. Es wurde immer dunkler, und ich spielte stark mit dem Gedanken, wieder zurückzugehen.
Das hier war so dumm, was hast du erwartet, würde passieren?
Mutig wollte ich mich auf den Weg zurück machen. Aber wo war zurück?


[Überarbeitet am 01.05.2018]

The Badboy and the suicide girl Where stories live. Discover now