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Drei Stunden hatte ich mich versteckt, dann fand mich Jay.

"Kathy, Jonathan sucht dich..", sagte er. Ohne Worte stand ich auf und folgte ihm. "Was will er denn?", fragte ich nach einiger Zeit. "Als ob ich das weiß.. Aufjedenfall musste ich dich suchen gehen, und bei dir ist das ja immer etwas schwierig.", sagte Jay genervt. Seufzend folgte ich ihm zu der großen Halle, wo sich fast alle Tagsüber aufhielten. Auch jetzt war dort viel loß. Die große Halle diente als Essensraum, Küche, Aufenthaltsraum, und für manche auch zum schlafen. Nicht jeder konnte ein Zimmer haben, oder sich es mit jemanden teilen. Vorwiegend hausten hier eh nur Jungs, was ich nicht wirklich toll fand. Jonathan saß mit ein paar anderen Jungs um einen kleinen Tisch herum und redete. Ich verdrehte meine Augen. Was auch immer er wollte, ich hatte keinen Bock drauf. Ich sah mich im Raum um. Ich entdeckte unter einer Gruppe Mädchen die kleine Blonde, die mich vorhin so angemacht hatte. Sie hatte mich auch bemerkt und kam zu mir hinüber.

"Ich dachte, du wolltest dich umbringen gehen?", fragte sie mit süßer Miene. "Hab's mir anders überlegt. Damit würde ich dir doch nur einen Gefallen tun.", sagte ich gelangweilt und desinteressiert. Sie schaute mich wütend an und schaute zu Jonathan. Ich starrte sie weiter an, und versuchte nicht, zu Jonathan zu schauen. "Mach dich nicht an ihn ran.", sagte sie giftig und schaute dann wieder mich an. "Ehm.. Hatte ich nie vor.", sagte ich vorsichtig. "Hoffe ich für dich!", sagte sie und legte einen bühnenreifen Abgang hin.

Verloren stand ich in der Halle und hatte vergessen, was ich hier wollte. "Kathy?", rief Jonathan. Blitzschnell drehte ich mich in die Richtung, aus der seine Stimme kam und sah, dass Jonathan mich zu sich winkte. Ich ging zu ihm und den Jungs, die mit ihm abhingen. "Was ist denn so wichtig?", fragte ich. "Wohl nicht so gut drauf heute?", fragte Jonathan mit fröhlicher Stimme. Ich schaute ihn abwartend an. Was erwartete er von mir?

"Ich wollte dich meinen engsten Kumpels vorstellen.", sagte Jonathan schließlich. Ich wollte niemanden kennenlernen, keinen einzigen von diesen anscheinend kriminellen Typen.
Plötzlich kam Thomas in die Halle. Ich starrte ihn gedankenverloren an. Es fühlte sich an, wie als wäre er ein Verbündeter in diesem Dreckloch. Er bekam das meiste Vertrauen von mir geschenkt, da er mir damals im Park eindeutig nichts schlechtes wollte.

Er kam zu uns rüber, begrüßte alle mit einem Nicken und grinste mich leicht an.
"Kathy.", sagte Thomas dann plötzlich, die Augen jedoch auf Jonathan gerichtet. "Du siehst schlimm aus.", - "Danke.", sagte ich mit einem leicht angepisstem Unterton und schaute jetzt auch zu Jonathan.

Ich weiß nicht, warum, aber Thomas Anwesenheit beruhigte mich.
Ich schaute wieder zu ihm und lächelte ihn leicht an. "Gibt es hier nicht die Möglichkeit, rauszugehen oder so?"
"Doch klar, wenn du das willst können wir einen Spaziergang machen.", sagte Thomas, eindeutig glücklich über mein Interesse an irgendetwas und wollte mir die Hand reichen, als Jonathan sich einmischt.

"Geh weg von ihr.", sagte er ruhig.
Thomas ging sofort von mir weg und starrte mich an. "Stimmt, du bist ja nicht zu haben.", sagte er und schaute dabei Jonathan an. "Wieso bin ich nicht zu haben?", fragte ich unschuldig. "Naja, du gehörst doch zu Jonathan. Siehst ja, was passiert, wenn ich mit dir rede.", sagte Thomas. Ich schaute Jonathan an. Wütend stand er mittlerweile neben mir und verteilte Killerblicke.

Wut kam in mir auf. Wann hatte Jonathan bestimmt, dass ich etwas war, dass ihm gehörte? Wann war ich zu einem Besitztum geworden?

"Wer sagt, dass ich Jonathan gehöre? Ich bin nicht in seinem Besitz oder so. Ich kann zusammen kommen mit wem ich möchte.", sagte ich verärgert und schaute durch die Halle. Alle, wirklich alle starrten uns an. Ich fühlte mich beobachtet. Also beschloss ich, mich irgendwo in einer meiner Verstecke zu verkriechen. Ich wollte mich also aus dem Staub machen, doch Jonathan hielt mich fest. Ich versuchte mich zu befreien, doch er hielt mich weiter fest. "Lass mich los!", sagte ich wütend, mit leichten Tränen in den Augen. Diese ganzen beschissenen Menschen, die uns gerade anstarrten, machten mich wütend. Mussten die so dumm glotzen?

Die Tatsache, dass ich diesen Blicken hilflos ausgerichtet war, trieb mir Tränen der Verzweiflung in die Augen. "Könnt ihr nichts anderes als glotzen oder was?!", schrie ich jetzt mit wütender Stimme zu unseren Zuschauern. Sofort wendeten alle den Blick ab, und versuchten sich mit irgendwas zu beschäftigen. Doch ein paar Neugierige wechselten immer noch ein paar Blicke zu Jonathan, Thomas und mir. Schließlich ließ mich Jonathan los. Er hatte bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt. Ich schaute ihn an und er schließlich auch mich. In seinem Blick lag Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit. Meine Wut wandelte sich in Mitleid um. Er sah erbärmlich aus, wie er dort stand und nicht wusste, was er tun sollte.

Ich kann das, sagte ich zu mir. Ich kann ihn jetzt, in diesem Moment, glücklich machen. Er darf nicht so traurig sein. Denk ein paar Wochen zurück, Kathy. Da wart ihr befreundet. Denk an diesen Jonathan.

Mein Herz fing an schneller zu pochen, unsere Blicke lösten sich nicht. Wieso waren mir die Gaffer jetzt so egal?

Vielleicht empfindest du ja doch mehr als Freundschaft für ihn.

Dieser Gedanke überraschte mich selber, denn bis jetzt konnte ich mir meine eventuellen Gefühle für diesen Jungen nicht eingestehen.
Ich zuckte mich meinen Finger. Dann schaute ich auf seine Hand. Dann schaute ich wieder in seine Augen. Es lag jetzt Verwirrtheit in ihnen. Ich ging einen Schritt näher an Jonathan ran. Dann schloss ich die Augen und griff nach seiner Hand. Ich nahm sie in meine und drückte sie ein wenig. Jonathan hielt meine Hand so fest, wie als wäre sie das Wertvollste auf der Welt. In Wirklichkeit war diese Hand die gewesen, die Jahrelang zur Rasierklinge gegriffen hatte, mich von dem Schmerz befreit hatte, den ich immer wieder spürte. Ich öffnete meine Augen und schaute Jonathan an.

Nach einer Weile ließ ich Jonathans Hand wieder loß und schaute Thomas an. Ich ging zu ihm und stellte mich auf die Zehenspitzen um ihm etwas zuflüstern zu können.

"Thomas.", flüsterte ich. "Ich weiß genau was du bist." Ich hatte es ihm so leise zugeflüstert, dass es niemand gehört hatte. Er starrte mich schockiert an. Ich ging ein paar Schritte zurück und setzte ein gespielt süßes und freundliches Lächeln auf.
Meine Gefühle waren so durcheinander, dass ich eine Pause brauchte. Es war zu viel passiert.

"Keine Sorge. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.", sagte ich. Dann drehte ich mich zu Jonathan, lächelte ihn an und verabschiedete mich, mit der Ausrede, dass ich unbedingt eine Verschnaufpause brauchte.
Als ich aus der Halle raus war, wollte ich Freudensprünge machen, aber gleichzeitig auch weinen.
Dass Thomas schwul war, wollte ich vorerst für mich behalten.

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Verzweifelt schaute ich um mich. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wusste wirklich nicht mehr, wo ich war, und ich war kurz davor, eine Panikattacke zu bekommen.
Erschöpft ließ ich mich auf den Boden plumpsen. Es war mittlerweile Nacht und meine Beine taten weh. Ich verfluchte Ann und Lukas dafür, dass sie mich zu sowas inspiriert hatten. Aber am allermeisten verfluchte ich mich selber, warum ich nicht einfach in einen Bus gestiegen war, einen Kurztrip gemacht hatte, um dann wieder nach Hause zu fahren und eine Menge Ärger zu bekommen.
Ich kramte mein Handy aus meiner Tasche. Ich hatte immer noch kein Netz. Immer wieder versuchte ich meine Eltern anzurufen, doch es klappte nicht.
Verzweifelt stand ich wieder auf und tappte durch das Gras. Nicht mehr auf der Suche nach einen Weg nach Hause, sondern auf der Suche nach Handynetz.


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[Sidenote//2015] Heyho! Erstmaaaal wünsche ich euch allen ein schönes neues Jahr, ich hoffe meins wird besser als 2014 ._.' Ich weiß, dass mit dem neuen Jahr undso kommt n bisschen spät, aber besser als gar nicht, oder?

Ich möchte mich auch bei allen meinen aktiven Lesern bedanken, die immer so schön Voten und kommentieren❤

[Überarbeitet am 01.04.2018]

The Badboy and the suicide girl Where stories live. Discover now