»28. Kapitel

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Die Luft im Raum schien mit einem Schlag kälter zu werden. Nervös klammerte ich mich an Liams Oberarm. Auch wenn ich ihn wahrscheinlich damit hinderte irgendetwas zu machen, beruhigte mich die Wärme seines Körpers etwas und hielt mich vor einer anstehenden Panikattacke ab. Das unerlässliche Wummern hallte in meinen Ohren wieder, das Echo hinterließ nichts weiter als ein taubes Gefühl in mir.

»Ich werde nachgucken, wer das ist.«

Auch James machte alles andere als einen ruhigen Eindruck. Sein Blick huschte kurz zu seinen Sohn herüber, bevor er wieder in den Flur streifte. Dann folgte er der Richtung und verschwand aus meinem Sichtfeld. Mein Herz schlug so fest gegen meine Brust, dass es schon fast wehtat. Liam starrte für ein paar Sekunden auf die Tür, durch die James verschwunden war, dann drehte er sich zu mir. Als sich unsere Blicke trafen, schien er etwas zurückzuzucken, was mir verriet, dass ich entweder erschreckend blass geworden war oder er an jemand anderen gedacht hatte. Schnell legte er seine Hand auf meine, die immer noch auf seinem Oberarm lag und tiefe rote Stellen hinterließ, da ich mich regelrecht an ihn klammerte, und drückte sie leicht.

»Wir werden jetzt nicht das schlimmste befürchten, ja?«

Der Satz klang vielmehr als ein Befehl und löste eine noch größere Unruhe in mir aus, als vorher. Kaum waren die Worte gesprochen, schien auch er zu bemerken, dass sie nicht wirklich geholfen hatten. Ich bekam Panik, als Liam sich von mir löste und aufstand. Um mich nicht in der Leere zu verliehen, folgte ich ihm augenblicklich. Mit zitternden Händen verbarg ich mich hinter ihm, während er sich langsam durch die Tür bewegte. Wahrscheinlich wollte er selbst nach dem Rechten sehen. Damit ich nicht sofort auffallen würde, lugte ich hinter seinen Rücken vorsichtig hervor. Adrenalin schoss durch meine Adern, als ich James Stimme hörte.

»Kannst du dich noch an meinen Sohn Liam erinnern? Er ist gerade zu Besuch hier. Liam, komm her und sag Hallo.«

Lächelnd trat James etwas von der Tür weg, um Platz für seinen Sohn zu machen, der die Person, die uns einen unglaublichen Schrecken eingejagt hatte, aber anscheinend harmlos war, begrüßen sollte. Liam, der die Welt nicht mehr zu verstehen schien, sah seinen Vater missbilligend an, bevor er die Tür weiter aufstieß, um die Person zu sehen, die dort stand. Ein Schwall eisiger Luft kam hereingestoßen und ließ mich unwirklich mit den Zähnen klappern. Wer klopfte denn so an Türen?

»Onkel Bill?«

Überrascht stieß Liam Luft aus. Neugierig, aber dennoch auf Sicherheitsabstand, reckte ich den Kopf, um nun endlich ein Gesicht zu den unheimlichen Geräuschen zu haben.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Liam den Mann an. In der nächsten Sekunde wurde er von zwei kräftigen Armen gepackt und an einen dicken Bauch gepresst - eine Handlung, die er dem Anschein nach nicht erwartet hatte.

»Wie lange ist es her, mein Junge.«

Nachdem er den starken Armen entflohen war, drückte der Besucher ihm seine bärenhafte Pranke auf die Schulter, um ein paar Mal freundschaftlich darauf zu schlagen. Während Liam seinen Vater etwas hilfesuchend ansah und im Stillen nach Erlösung zu beten schien, betrachtete ich den Mann genauer. Er war ziemlich groß gewachsen, er schien mindestens anderthalb Köpfe größer als Liam zu sein, was den armen James wiederrum sehr klein aussehen ließ. Die dunklen Haare waren unter einer schwarzen Wollmütze versteckt, die sie vor dem dichten Schneetreiben schützten. Neben den dicken Stiefeln, der Latzhose und der gefütterten Jacken, die farblich zu den riesigen Handschuhen harmonierten, fiel mir nichts weiter an ihm auf. Der leicht ergraute Bart und die Falten unter den Augen verrieten mir lediglich, dass er bereits älter war.

»Oh, wie du siehst hast du wohl auch deine Freundin mitgebracht. Hallo, ich bin Bill, ein alter Freund der Familie.«

Ich schreckte beinahe zusammengeschreckt, als ich realisierte, dass sich sämtliche Aufmerksamkeit auf mich gerichtet hatte. Verlegen trat ich neben James und nahm die herausgestreckte Hand an.

BodyguardWhere stories live. Discover now