»16. Kapitel

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»Was hast du gerade gesagt?«

Ungläubig starrte ich ihn an. Als Antwort auf meine Frage seufzte Niall nur auf und fuhr sich kurz mit den Händen über das müde wirkende Gesicht. Dem Anschein nach strebte sich alles in ihm die Aussage ein weiteres Mal zu wiederholen, doch das war mir in diesem Moment mehr als egal.

»Da war dieses eine Mädchen aus meinem Spanisch Kurs und - sie hat mich halt geküsst. Ich habe ihn nicht erwidert und auch sofort abgebrochen, das musst du mir glauben.«

Mit einem bittenden Ausdruck im Gesicht, tat Niall es mir gleich und stand auf. Er kam ein paar Schritte auf mich zu und wollte mich berühren, doch dazu kam es erst gar nicht. Einerseits lag es daran, dass ich im rechtzeitigen Moment seiner Hand ausgewichen war, die sich auf meinen Oberarm hatte legen wollen, andererseits hatte sich eine andere Hand - die nicht mir gehörte - auf seine Schulter gelegt und ihn erschreckt herumfahren lassen hatte. Zu meiner Verwunderung war es kein anderer wie Liam, der meinen Freund mit einem tödlichen Blick musterte.

»Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst.«

sagte er ernst und deutete mit einem leichten Kopfnicken auf die Tür hinter sich. Schnaubend fegte Niall die Hand von sich weg und funkelte ihn an.

»Du hast mir gar nichts zu sagen.«

sagte er mit gerümpfter Nase und wendete sich wieder zu mir, um meine Aufmerksamkeit wieder zu erhalten. Die vollen Lippen öffneten sich und formten sich zu Worten, die ihn allerdings nicht verließen. Der Grund dafür nannte sich wieder Liam, der den Iren nun etwas grober anpackte und ihn in Richtung Tür beförderte. Ich konnte nicht anders, als das Szenario vor mir stumm zu beobachten. Die Worte, die mein eigener Freund mir vor nicht einmal zwei Minuten an den Kopf geworfen hatte, wiederholten sich immer und immer wieder in ihm, ein Bild von ihm und einem fremden Mädchen tauchte parallel dazu vor meinem geistigen Auge auf und ließ eine unbehagliche Gänsehaut auf meinen Armen zurück.

»Ich werde ganz sicher nicht gehen.«

Nialls Stimme riss mich wieder aus den Gedanken. Im ersten Moment schaute ich verwirrt auf - nur um den blonden Kopf hinter der großen Statur von Liam zu entdecken. Verzweifelt und wütend zugleich versuchte er sich aus dem festen Griff seines Gegners zu befreien, was ihm jedoch nicht sonderlich gut gelang.

»Ich gehe erst, wenn Katie es will.«

Es vergingen keine drei Sekunden, bis ich zwei Blicke auf mir spürte. Niall sowie Liam sahen mich erwartungsvoll an. Einer erwartete, dass ich ihm zustimmen würde, der andere, dass er dazu aufgefordert wurde, zu bleiben. Doch wollte ich, dass er blieb? Nein. Ganz sicher nicht.

»Er soll gehen, Liam.«

Mit hängenden Schultern und den Fokus auf meinen Finger gerichtet, hörte ich, wie Niall fassungslos Luft ausstieß. Was erwartet er denn jetzt von mir, fragte ich mich selber und setzte - ohne den beiden etwas zu erklären - zum gehen an. Erst sagt er mir, dass er eine andere küsst und nimmt dann an, dass ich will, dass er hierbleibt? Ich wusste nicht, was ihm diese Einstellung verpasst hatte, aber es war eindeutig die falsche. Rasch quetschte ich mich an Liam, der den protestierenden Niall mit anscheinend Minimalen Kraftaufwand zur Tür brachte, vorbei und flüchtete mit dem Gedanken, dass mein Freund ein totaler Idiot war, ins Innere des Hauses. Das einzige, das ich in diesem Moment gebrauchen konnte, war eine Auszeit. Und die nahm ich mir auch.

So schnell wie ich konnte, suchte ich mein Zimmer auf. Nialls Stimme drang die ganze Zeit zu mir hoch, doch ich zwang mich einfach dazu, die andauernden Bitten zu ignorieren. Stattdessen betrat ich mein Zimmer, knallte die Tür zu und rutschte auf den Socken über den glatten Holzboden zum Kleiderschrank. Mit geübten Bewegungen öffnete ich ihn und betrachtete für ein paar Sekunden stumm den Inhalt. Alles, das ich wollte, war, etwas rauszugehen. Ich wollte weg. Weg von Niall. Weg von Liam. Weg von meinem Vater und Rosie. Und weg von diesem Haus. Ich hatte dieses Leben einfach nur noch satt. Konnte man ständige Kontrollen, einen Bodyguard und andauernde Verbote unter den Bedienungen für ein schönes Leben setzen? Eindeutig nicht.

BodyguardWhere stories live. Discover now