»05. Kapitel

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»Katie? Würden Sie nun bitte aufstehen, Ihr Tee wird sonst noch kalt und Ihr Vater wird ebenfalls nicht sehr erfreut sein, wenn Sie mal wieder zu spät kommen.«

Rosies quengelnde Stimme schallte laut durch das dicke Holz der Tür hindurch, ein Klopfen begleitete die Aufforderung. Genervt krallte ich meine Hände tief in den Stoff der Matratze. Wenn sie nicht gleich geht wird hier ein Mord geschehen, stellte ich in Gedanken klar und lockerte meinen Griff wieder etwas, da meine Finger zu schmerzen anfingen.

»Ja.«

rief ich deswegen so freundlich wie möglich zurück, konnte mir das Verdrehen meiner Augen jedoch nicht verkneifen.

»Ich komme sofort.«

Eine Antwort auf meine - meiner Meinung nach - höfliche Aussage erhielt ich nicht. Stattdessen war das einzige, das Ich nur noch hörte das Klackern der Absätze von den Schuhen unserer Haushälterin, die sich in einem schnellen Tempo von meinem Zimmer entfernten.

Ich wartete erst ab, bis sämtliche Geräusche verhallt waren, bevor ich müde und schlecht gelaunt meine Beine aus dem Bett schwang und mich aufrecht hinsetzte. Wie ich sie einfach nur hasse, dachte ich mir und gähnte einmal herzhaft. Natürlich war es nicht zu übersehen, dass wir eine gewisse Abneigung zueinander hatten, doch an manchen Tagen verspürte ich die tiefe Lust ihr eine Bratpfanne über den Kopf zu ziehen und den bewusstlosen Körper einfach in einer dreckigen Gasse liegen zu lassen.

Doch natürlich durfte ich mir das nicht erlauben, da mein Vater mir sonst mal wieder Hausarrest erteilen würde, und das wäre mehr als schlimm für mich, denn ich kam sonst so gut wie nie raus. Ich wollte weg, und nicht mein halbes Leben damit verschwenden die Wand sinnlos anzustarren und nichts zu tun.

»Na dann wollen wir mal.«

sprach ich mir selbst ein wenig Motivation zu, und erhob mich dann von dem warmen, kuscheligen Bett. Mit halb geschlossenen Augen tigerte ich einmal durch den gesamten Raum, um meine Pantoffel zu finden. Als ich sie fand, schlüpfte ich schnell mit meinen Füßen herein, und tapste dann unmotiviert aus dem Zimmer.

Ich hatte nicht den blassesten Schimmer wieso, aber mein Vater bevorzugte es jeden Morgen um acht Uhr zu frühstücken. An jedem Tag der Woche musste ich pünktlich auf die Minute unten an dem langen und altertümlichen Esstisch sitzen und mir Rührei mit Speck herunter würgen.

Dieser Mann hatte einfach kein Erbarmen mit mir und ich hatte den schweren Verdacht, dass es für immer bleiben würde.

Meine Hand fuhr einmal kurz durch meine verwuschelten Haare und ermöglichte mir somit wieder eine freie Sicht. Ich würde mir wohl oder übel später die Zeit nehmen müssen sie mit einer Bürste zu zähmen, denn momentan war ich einfach nur zu müde und fühlte mich außerdem wie ein schwerer, nasser Kartoffelsack.



Ich war noch nicht weit von meinem Zimmer entfernt, als sich eine Tür direkt neben mir öffnete. Erschreckt fuhr mein Kopf herum. Zwei braune Augen trafen überrascht auf meine. Wie erstarrt blieb ich auf der Stelle stehen. Oh mein Gott, den hast du ja völlig vergessen. Und plötzlich konnte ich schon das nächste Fettnäpfchen vor meinem geistigen Auge auf mich zukommen sehen.

»Guten Morgen, Katie.«

sagte Liam höflich und schenkte mir ein ebenso freundliches Lächeln. Mir fiel sofort auf, dass der Klang seiner Stimme tiefer war, als gestern. Mit geröteten Wangen plus einem halben, gelungenem Lächeln starrte ich ihn an. Wenn ich mich nicht täuschte, hatte er eine Morgenstimme. Und es gab nichts, was ich anziehender bei einem Mann fand, als eine tiefere Stimme am Morgen. Ich bedauerte immer noch heimlich, dass Nialls Stimme kurz nach dem aufwachen eher in die Höhe, als in die Tiefe gehen zu schien, doch das änderte nichts an den Gefühlen, die ich für den Iren übrig hatte.

»Guten Morgen.«

flüsterte ich schlicht und setzte mich wieder in Bewegung, damit er nicht auf die Idee kam sich auf den Weg in die Küche mit mir zu unterhalten. So schnell, aber auch unauffällig wie möglich huschte ich über den Flur, während Liam noch seine Zimmertür schloss.

Wieso trägt er denn morgens um acht Uhr schon einen Anzug, wunderte ich mich und zog mein langes Schlafshirt etwas weiter nach unten, damit mein Hintern vollkommen verdeckt wurde. Schließlich kannte ich den Neuling noch nicht gut genug, um zu wissen wie er so drauf war. Außerdem war es mir ohnehin schon peinlich genug, das ich nur in Shirt und Unterhose vor einem Mann lief, den ich gerade mal seit einem Tag kannte, aber an der ganzen Sache konnte ich nichts mehr ändern. Oder etwa doch...?

»U-Und hast du gut....geschlafen?«

Schwere Schritte, die immer lauter wurden verrieten mir, dass er versuchte den kleinen Abstand zwischen uns zu verringern. Ohne es wirklich zu merken beschleunigte ich, wie er, meinen Schritt. Es war mir herzlichst egal, ob ich dadurch unhöflich wirkte, aber er war mir unsympathisch und er nervte mich jetzt schon. Und dabei war er gerade mal anderthalb Tage hier.

»Hast du, uhm...schon Hunger?«

Als die große Silhouette neben mir erschien konnte ich es nicht lassen die Augen zu verdrehen. Bitte gehe einfach, bitte gehe einfach, bitte gehe einfach, bitte gehe einfach, bitte geh-

»Ich kann verstehen, wenn du nicht gerne redest, ich meine, ich bin morgens eigentlich auch nie in der Laune besonders viel zu red-«

»Und wieso tust du es dann?«

Mit einem überaus genervten Unterton in der Stimme drehte ich meinen Kopf zu ihm herum und funkelte ihn an. Eigentlich hatte ich das überhaupt nicht sagen wollen, aber es war Montagmorgen, ich war übermüdet und ausgerechnet die Person, die ich überhaupt nicht leiden konnte versuchte eine halbwegs anständige Konversation mit mir zu führen.

»Ich...tut mir leid.«

Mit knallroten Wangen und dem Blick starr auf den Boden gerichtet ließ er sich wieder etwas nach hinten fallen. Ignorant tapste ich auf die Treppe aus weißem Marmor zu und drehte mich nicht ein einziges Mal um.

Du bist böse, flüsterte mein Gewissen mir unheilvoll ins Ohr, jetzt drehe dich um und entschuldige dich sofort. Er wollte ja schließlich nur nett sein. Doch ich hörte nicht darauf. Stattdessen lief ich Stufe für Stufe herunter und verhielt mich so, als wäre ich alleine. Glücklicherweise war die Küche schnell erreicht, sodass ich mich nicht allzu schlecht fühlte.

Mit Schwung rutschte ich mit meinen Hausschuhen über den gefliesten Boden, damit ich die zweite Tür, die in das anbindende Esszimmer führte. Mit leicht gehüpften Schritten stolperte ich in das edle Zimmer und zog dadurch die Blicke von Rosie sowie meines Vaters auf mich.

Als dieser meinen unbeabsichtigten Auftritt sah, verdrehte er nur seine Augen und blätterte dann die Zeitung zwischen seinen Händen um.

»Morgen.«

trällerte ich, und ließ mich mit Schwung auf den Stuhl fallen, der nach den Jahren sozusagen mein fester Sitzplatz geworden war. Mein Fokus landete sofort auf dem großen Berg von Rührei, das in einem ordentlichen Haufen zusammen auf dem weißen Porzellan gehäuft worden war, nur um die Verunsicherung nicht mit anzusehen, die in den klaren, braunen Augen meines ‚Bodyguards' schimmerte.

»Guten Morgen, Liam. Und, haben sie die erste Nacht gut überstanden?«

Ohne mich, seine eigene Tochter, überhaupt zu beachten, zog mein Vater den Stuhl neben sich zurück und bedeutete Liam dort Platz zu nehmen. Dieser schien wohl mehr als erfreut darüber zu sein, und schlich sich an mir vorbei.

Kopfschüttelnd nahm ich mir eine Gabel und begann etwas von der gerührten Pampe zu mir zu nehmen.

»Ja, es war alles ausgezeichnet, danke der Nachfrage Sir.«

Ja, es war alles ausgezeichnet, danke der Nachfrage Sir, äffte ich ihm in Gedanken nach und legte meine Stirn in Falten. Noch nie hatte ich jemanden kennen gelernt, der so geschwollen reden konnte wie er. Ich beachtete die anderen drei weiterhin nicht, sondern betrachtete den aufgespießten Speckstreifen auf meiner Gabel.

»Und hat Katie ihnen irgendwelche Sorgen bereitet? Hat sie etwa mal wieder versucht aus dem Fenster zu klettern?«

Erst, als ich meinen Namen hörte widmete ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Mann schräg gegenüber von mir. Er gönnte mir nicht einmal einen kurzen Blick, sondern schien seine Zeit eher damit zu vergeuden seinen Sitzpartner zu mustern.

»Nein, soweit ich weiß nicht.«

gab dieser von sich und schnappte sich mit seinen langen Fingern den Henkel seiner Tasse. Er nahm erst einen großen Schluck von der schwarzen Brühe, ehe er sie wieder absetzte und seinen angebrochenen Satz fortführte. Dass ich ihn dabei wie eine Verrückte anstarrte, übersah er anscheinend.

»Ich habe, wie sie mir angeordnet haben, jede Stunde einmal nach ihr gesehen. Sie lag in ihrem Bett und hat geschlafen und...ganz schön geschnarcht.«

War das etwa seine Rache für meine Anmerkung gerade? Rosie, die am anderen Ende des Tisches Platz genommen hatte, brach in ein unkontrolliertes und lautes Lachen aus. Meine Augen weiteten sich geschockt. Bitte was?!

»Dad, du hast zur Hölle was angeordnet?«

Scheppernd fiel mein Besteck, mit dem wertvollen Speck drauf auf den Boden, doch das war mir in dieser Sekunde verdammt egal. Mit angehaltenden Atem wanderte mein Blick zwischen meinem Vater zu dem Jungen, der mich gerade ganz schön blamiert hatte, immer wieder hin und her. Zwar schien dieser sich auf seinen Pfannekuchen zu konzentrieren, jedoch blieb das kleine Lächeln auf den zart rosigen Lippen nicht verborgen.

»Ach, weißt du Schatz.«

hörte ich die Stimme meines Erzeugers sichtlich amüsiert brummen.

»Liam ist hier, um auf dich aufzupassen, da ist es notwendig, dass er stündlich einmal nachgucken muss, ob du nicht gerade dabei bist deine Fluchtpläne in die Realität umzusetzen.«

Glucksend legte er die Zeitung beiseite und biss einmal von seinem Brötchen ab. Was zur Hölle ist mit dieser Familie eigentlich falsch, überlegte ich, während ich darauf wartete, bis das schadenfrohe Lachen der so ziemlich nervigsten Person in diesem Haus verklungen war.

»Du-Du kannst doch nicht einem wildfremden Mensch sagen, das er mich nachts beobachten soll, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen!«

wetterte ich sofort aufgebracht los, als die Stille wieder überhand über das fiepsende Lachen genommen hatte. Schnaubend wartete ich auf ein Gegenargument, doch es kam keins. Stattdessen rückte mein Vater seine Lesebrille zurecht und wandte sich dann wieder zu Liam.

»Es tut mir wirklich leid, aber sie kann manchmal echt anstrengend sein.«

»Keine Sorge, ich weiß genau was sie meinen. Ich bin allein mit zwei Schwestern aufgewachsen, Mädchen haben da so ihre Probleme.«

BodyguardWhere stories live. Discover now