Familie? Nein danke!

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Amelias Sicht:

„Ich verstehe nicht...", murmele ich mehr vor mir hin, als das ich es als eine qualifizierte Antwort abgebe. Er schaut mich aus eisernen Augen an. Sein Blick enthält keine Gefühle.

„Kannst du mir das noch einmal erklären?", ich schaue ihn forsch an, da ich seine Erwiderung jetzt schon kannte, „bitte."

Doch Draco seufzt nur und erklärt es noch einmal langsamer. Er tut schon fast so, als würde ich für all das hier verantwortlich sein. Als wäre ich all sein Übel.

Von wegen. Was konnte ich denn dafür? Immerhin erklärte er es mir noch einmal.

Doch nach kurzer Zeit unterbrach ihn: „Stopp, ich glaube wir haben für heute genug gelernt. In meinen Kopf geht eh nichts mehr rein..."

Er schaut gleichgültig drein. Veränderte sich sein Gesicht denn nie? Zeigte er denn nie andere Reaktionen?

Das konnte doch nicht wahr sein! Wie konnte ich ihn bloß aus seinen Reserven locken? Es musste doch eine Lösung geben!? 

Kurzerhand schloss in meinem Kopf einen Kompromiss, während ich unruhig auf meinem Stuhl hin und her rutschte.

Ich setzte alles auf eine Karte, doch im Moment war mir der Preis dafür noch nicht bewusst. Aber Draco würde mir schon zeigen, wie hoch er war.

„Erzähl mir etwas über dich, wie ist deine Familie?", ich zitterte leicht, als ich dies sagte und hoffte, er würde es nicht in meiner Stimme bemerken.

Sein Kopf schnellte hoch und in seinem Gesicht spiegelte sich Überraschung.

„WAS?", rief er entsetzt, als würde ihn die Frage völlig aus dem Gleichgewicht reißen. Vielleicht tat sie das ja sogar...

Als hätte ich eine unsichtbare Grenze überschritten, die ich gar nicht sehen konnte, oder schlicht und einfach nicht sehen wollte.

Da ich ihm eine Chance geben wollte, zu zeigen, wer er war. Draco wich zwei Schritte zurück, als hätte ich ihn geschlagen. Er antwortete gedehnt:

„Da gibt es ein Problem."

Ich zog eine Augenbraue hoch. Seine Eltern waren nicht tot, das wusste ich. Wo lag also das von ihm angesprochene Problem?

„Ein Problem? Welches?", fragte ich mitgerissen.

Er zögerte. Als er den Mund aufmachte, kam etwas anderes heraus, als er am Anfang hatte sagen wollen, da war ich mir sicher. Er vertraute mir ganz einfach nicht, was ja auch irgendwie verständlich war.

„Ich spreche nicht über meine Familie!", er spuckte dieses Wort förmlich heraus.

Diese Reaktion hatte er nicht zurückhalten können, auch wenn er das gerne gewollt hatte. Ich bemerkte, dass er mich nun interessiert musterte.

Ich hatte eine andere Seite von mir Preis gegeben, ihm etwas gezeigt, was anscheinend nur wenige taten: Interesse.

Nicht etwa Interesse an seine Schulgestalt, sein Äußeres, sein Ansehen, sondern Interesse an seinem Inneren, das, was keiner zu sehen bekam. Vielleicht war es so, vielleicht aber auch nicht.

Ich wusste nicht, wer seine Familie kannte, wem er von ihr erzählt hatte, aber es waren nicht viele gewesen, so viel stand fest. Und deswegen weckte das etwas in mir. Ich hatte Gefühle in mir, die ich nicht kontrollieren konnte.

Ich musste sie nur noch einordnen, das Puzzel zusammenfügen. Ich glaube, ich hatte so etwas wie Mitgefühl, doch ich war mir nicht sicher. Aber eins wusste ich, Mitgefühl war das Letzte, was Draco auf keinen Fall haben wollte.

Wenn er das wollte, würde er anderen von seiner Familie erzählen und was mit ihr so besonders war. Das, was er anscheinend nicht preisgeben wollte. Ohne es zu wollen überkam mich ein leichter Schauer. Ob es etwas schreckliches war?

Doch ich wusste, dass ich ihn nicht drängen konnte, sich mir zu öffnen. Ich kannte ihn kaum, und alles brauchte seine Zeit.

„Okay, dann nicht..", versuchte ich die gekippte Stimmung (die sie vorher eigentlich auch schon gewesen war) ein wenig zu retten. Ich wollte jedoch endlich gehen, für heute, so befand ich, war das genug gewesen. Man musste ja nicht direkt übertreiben, oder?

Außerdem wurde mir diese peinliche Stille zunehmend unangenehm. Ich wandte mich langsam ab. Draco schien nichts dagegen zu haben, besser noch, er seufzte erleichtert, als ich den Türknauf berührte.

Als ich hindurch schritt, sah ich mich nicht noch einmal um. Ich wollte nicht hochnäsig wirken, doch ich wollte ihm ebenfalls Zeit geben, sich zu erholen. 

Genau sowenig, wie ich ihn zu etwas zu drängen würde, was er nicht wollte, ja anscheinend sogar verabscheute. Nicht, dass er noch das Gefühl bekam, ich sei eine aufdringliche Potter

Genauer gesagt wollte ich nicht, dass er schlecht über mich dachte, warum wusste ich selber nicht. Vielleicht schaffte mir das Seelenfrieden? Einen Tick Glück in meinem bisher so ungemütlichen Leben?

Und schließlich sollte jeder einen ruhigen Geist haben, wenigstens einer, oder nicht?


Mein Bruder Harry Potter #Draco MalfoyWhere stories live. Discover now