Was würden wir riskieren?

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Amelias Sicht:

„Willst du meine Begleitung für den Weihnachtsball sein?"

Als ich diese paar Wörter hörte, setzte mein Herzschlag für einige Sekunden aus und ich sah aus großen Augen zu ihm hoch.

Hatte Draco mich das wirklich gerade gefragt?

Auch wenn ich erst gestern von dem Weihnachtsball erfahren hatte, wünschte ich mir im Moment nichts sehnlicheres, als mit ihm dort hin zu gehen.

„Machst du Witze? Natürlich will ich!", entfuhr es mir voller Begeisterung und ich schlang im wilden Enthuiasmus meine Arme um seinen breiten Oberkörper.

Draco war wie immer ungewöhnlich kalt, doch das machte mir nichts. Jeder Mensch hatte seine Ecken und Kanten.

Als ich mich wieder zurücklehnte, lächelte er mich vorsichtig an, doch ich merkte, dass es immer noch nicht alles gewesen war, was er hatte sagen wollen.

„Was ist denn?", fragte ich vorsichtig nach und spielte mit einer Hand in seinen Haaren.

„Weißt du, es ist nicht so, als würde ich nicht nur liebend gerne mit dir auf diesen Ball gehen, aber es gibt auch noch einen anderen Grund, der weitaus schwerwiegender ist. Eigentlich sollte ich dich gar nicht fragen, ob du mit mir hingehst."

Dracos Miene wurde wieder bitterer, als er mir diese Nachricht überbrachte.

Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte: „Aber wer sagt denn so etwas?"

„Golye. Aber das ist nicht alles", Dracos Hände umfassten mich hinter meinen Rücken, als wolle er mich festhalten. Oder aber er musste sich für die folgenden Worte selber wappnen.

„Die Slytehrin planen einen Falle für dich und Harry. Am Freitag. Ich sollte deshalb nicht mit dir zum Ball gehen, weil sie dich dann besser abfangen können. Aber das lasse ich nicht zu!"

Ich spürte, wie ich innerlich immer wütender wurde und schloss sauer die Augen. Ein kläglicher Versuch, um nicht komplett durch zu drehen.

„Und was haben sie davon?", die Kerkerwände warfen meine Worte verächtlich wider.

„Ich weiß es nicht. Aber eins steht fest, die Slytherin bereiten sich auf einen Krieg vor!"

„Liegt das an uns?", ich versuchte der Frage die Schärfe zu nehmen, doch es klang immer noch verbittert. Waren wir beide schuld, dass sich Gryffindor und Slyhterin immer mehr bekämpften?

Draco presste wütend die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

„Nein. Es war schon immer so. Sie hassen sich einfach. Das wir beide zusammen gekommen sind gab vielleicht den nötigen Anstoß, aber schuld sind wir nicht. Wahrscheinlich kann niemand etwas dafür. Es ist wie Feuer und Eis. Wie Phantasie und Wirklichkeit. Aber es gibt Unterschiede. Die beiden sind sich sehr ähnlich, aber berühren werden sie sich nie."

Stumm dachten wir über seine Worte nach. Es stimmte. Es MUSSTE einfach stimmen.

„Wir müssen das unbedingt verhindern!", flüsterte ich nach einer Weile und sah ihm fest in die Augen. Er stimmte mir zu. Ich sah es in Dracos Blick, dass auch er nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollte.

„Was würdest du riskieren, um das zu retten, woran dir liegt? Um die Ordnung zu bewahren?" Dracos Stimme klang seltsam mitgenommen. Seine grauen Augen blickten mich herausfordernd an.

„Die Frage ist nicht, was wir riskieren. Die Frage ist, was wir bereit sind, dafür zu tun."

Er nickte mir stumm zu und wir wussten, dass wir uns einig waren.


Alles.

***

Als ich drei Tage später die langen Treppen hinauf lief, zu meinem Treffpunkt mit Rachel, war ich vollkommen neben der Spur. Meine Nerven gingen mit mir durch, weil ich so aufgeregt auf morgen Abend war.

Fast hüpfte ich um die letzte Ecke, so viel Energie besaß ich. Rachel erwartete mich bereits.

„Na? Aufgeregt?", ihr Blick huschte verstehend über mich. Nervös nickte ich.

„Okay, dann sei mal froh, dass ich dir das geilste Kleid auf diesem verdammten Ball besorgen werde!", ihre Augen leuchteten stolz auf.

„Jetzt zeig schon!", ich blickte mich in freudiger Erwartung suchend um. Wir befanden uns im fünften Stock, fast unter dem Dach, und es gab auf diesem Gang nur vier Türen, die alle ziemlich alt und selten benutzt aussahen. Hier waren so gut wie nie Schüler zu sehen.

Rachel bedeutete mit einem Wink, ihr zu folgen und stemmte mit etwas Kraft die erste Tür zur linken Seite auf. Neben ihr hing eine antike Öllampe. Schnell folgte ich ihr den Raum.

Doch was mich darin erwartete hätte ich niemals zu träumen gewagt. Hier hingen dicht an dicht unzählige Kleider in unterschiedlichen Farben und Größen, in durchsichtigen Tüten sorgfältig aufbewahrt und wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr angerührt.

„Das ist ja der Wahnsinn!", stieß ich mit weit geöffnetem Mund völlig verblüfft aus und blickte Rachel mit glitzernden Augen an.

„Ja oder? Das ist die Garderobe für das Theater, dass bereits seit einigen Jahrzehnten nicht mehr stattfindet. Sie sind ein wenig altmodisch, aber immer noch topp, findest du nicht?"

Ich nickte entzückt, während ich bereits einen Schritt auf die erste Kleiderreihe zugemacht hatte und schaute die ersten Exemplare sorgfältig durch.

Wir beide wussten, dass ich nicht viele Klamotten besaß und auch keine Möglichkeit hatte, mir ein Kleid zu besorgen.

Begeistert probierten wir eins nach dem anderen an. Vor dem alten Spiegel, den ich umgedreht in einer Ecke entdeckt hatte, drehten wir uns lachend im Kreis. Bei einem weißem Kleid mit Rüschen und spitzer Seide hielten wir beide den Atem an.

Ich blickte Rachel fragend an. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich mich hier drinnen wie eine Prinzessin fühlte, aber ich wollte nicht überheblich klingen.

„Das ist perfekt!", flötete Rachel und es war das erste mal, dass ich sie solch untypisch fröhlichen, unüberlegten Worte sagen hörte.

Ich legte leicht den Kopf schief und grinste sie freudig an: „Rach, das ist es!"


Mein Bruder Harry Potter #Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt