Kapitel 14

1.1K 75 1
                                    

Zum Trauern war mir gerade nicht zu Mute, denn es war noch nicht vorbei. Ich entschied Skye von hier wegzubringen, also ging ich in das Zimmer, aus dem ich vor kurzen floh. In diesem nahm ich mein Handy um die Polizei zu rufen. Nachdem ich am Telefon die ganze Situation erklärte, meinte meine Gesprächspartnerin, dass ein Streifenwagen mit Krankenwagen unterwegs sei.

,,You'll stay here!", befahl ich Skye, bevor wieder nach unten ging. Dort hatte sich die Situation schnell verändert: Julien stand neben seinem bewaffneten Freund, der die Waffe auf den am Boden liegenden Jonas richtete. Als ich mich umdrehte, sah ich Seans leblosen Körper einfach da liegen. Ich ging zu ihm hin und suchte vergeblich nach seinem Puls. Nun hatte ich keine Zweifel mehr, mein Bruder war tot. Trotz dem, was er tat, war er immer noch mein Bruder. Der Bruder, der früher anders war, der mir half, wenn ich Probleme hatte, der mir Schutz gab, der mich wieder an meine Träume glauben ließ. Ich weiß nicht einmal wie es dazu kam, das sich unsere Beziehung zueinander so veränderte. Trauer kam in mir hoch. Jetzt blieb mir nur noch Skye, alle anderen hatte ich verloren, wegen dem, der jetzt wehrlos auf dem Boden lag. Meine Trauer wurde zu Wut, purem Hass. Mit feuchten Augen bewegte ich mich langsam auf Jonas zu. Nach ein paar Schritten stand ich neben ihm und schaute ihn an. Nun war er der Hilflose, der mit Angst erfüllt war.

Ich beugte mich zu ihm runter, formte eine Faust und schlug ihm mitten ins Gesicht. Mit diesem Schlag fühlte ich mich auf einmal so frei. Doch so schnell dieses schöne Gefühl gekommen war, verschwand es auch wieder und ich spürte erneut diese Mischung aus Hass und Trauer in mir. Ich setzte zu einem zweiten Schlag an, der jedoch von Julien, der mein Handgelenk festhielt, verhindert wurde. Ich drehte mich um und schaute ihm mitten ins Gesicht.

,,Das ist keine Lösung.", meinte er und nahm mich in den Arm. Ich erwiderte diese Umarmung. Dann -endlich hörte ich Sirenen und die Polizei kam an, mit ihr ein Krankenwagen. Zwei bewaffnete Polizisten stürmten das Haus. Sofort ließ Jus Freund seine Waffe fallen und kickte sie den Beamten zu. Mein Freund nahm mich im Brautstyle hoch und trug mich nach draußen. Es erschienen viele Menschen um uns, darunter auch ein Sanitäter, der Ju und mich zu einem Krankenwagen lotste. In diesem bekamen wir eine Decke, mit der Anweisung 'alles werde gut, wir sollten und beruhigen'. Doch er irrte sich. Ich habe gerade meine ganze Familie verloren. Naja fast, Skye war ja noch da. Plötzlich fiel mir ein, dass ich sie in dem Zimmer gelassen habe.

,,Ich muss wieder ins Haus.", sagte ich bestimmt zu Ju.

,,Du kannst da doch jetzt nicht wieder rein.", stellte er fest.

,,Aber..."

,,Kein aber, lass die Polizisten ihre Arbeit machen.", unterbrach er mich. Kurz darauf kam der Sanitäter wieder, mit meiner kleinen Schwester an der Hand. Sie rannte mir sofort in die Arme, am liebsten würde ich sie nie wieder gehen lassen. Ich schaute aus dem Fenster. Überall Blaulicht. Mittlerweile haben sich Massen von Menschen angesammelt, darunter sehr viele Reporter. Die Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, diese Massen zurückzuhalten. Als ein schwarzer Leichensack raustransportiert wurde und jeder wissen wollte, was passiert war, brach die Schutzmauer der Polizisten zusammen. Massenweise stürmten Menschen den Tatort, der Leichensack wurde Fotografiert und auch im Haus konnte ich immer wieder Blitzlichter erhaschen. Ich habe noch nie verstanden, warum die Menschen so rücksichtlos waren, nur um ihre Schlagzeilen zu haben. Auch wir drei in dem Krankenwagen wurden nicht verschont. Wir ertranken fast in dem Blitzlicht und in den sich immer wieder wiederholenden Fragen. Julien nahm meine Hand und meinte ich solle Skye hochnehmen, was ich auch tat. Dann öffnete er die Hintertür des Krankenwagens und rannte los, einfach in irgendeine Richtung. Weg von den Reportern, weg von meinem toten Bruder, weg von Jonas.

Irgendwann kamen wir in eine Straße, dir mir bekannt vorkam, nein nicht nur vorkam, sie war mir bekannt. Ein paar Häuser weiter würden wir das meiner Familie erreichen.

,,Ju, stop!", rief ich ihm zu und wir hielten an. Ich lief auf das Haus zu. Seltsamerweise kam ich damit klar. Keine Trauer, kein Hass oder überhaupt Gefühle in mir. Zielstrebig lief ich auf die Tür zu. Von meinen Eltern wusste ich, dass hier ein Schlüssel versteckt war, unter einem Blumentopf neben der Tür. Den konnte keiner gefunden haben. Jetzt blieb mir nur noch zu hoffen, dass das Schloss nicht ausgetauscht wurde. Als ich den Schlüssel in das Schloss steckte, ließ die Tür sich tatsächlich öffnen. Ich drehte mich um und sah, dass Julien weit von dem Haus weg auf dem Bürgersteig stand und mich fragend anstarrte. Mit einer Handbewegung deutete ich ihm zu mir zu kommen.

,,Wir brechen hier aber nicht ein, oder?", fragte er, nahm Skye, die ich auf dem Bürgersteig abgesetzt hatte und kam zu mir.

,,Nein, das ist mein altes Haus.", sagte ich. In dem Moment in dem wir das Haus betraten, sah ich Bilder vor mir, Bilder von meiner ganzen Familie, wie alle am Leben waren und durch das Haus toben. Ein Schritt weiter verschwammen all diese Bilder und ich blickte in ein trostloses Haus. Alle Möbel waren mit großen weißen Laken bedeckt, die sogar schon etwas eingestaubt waren. Die Rollläden der Fenster waren runtergelassen. Nur durch die offene Tür kam etwas Licht. Insgesamt schien aus dem einst so wundervollen Wohnort ein herabgelassenes Klischee Horror-Haus geworden zu sein. Aber es hätte mich auch gewundert, wenn hier jemand eingezogen wäre.

,,What happened here? (Was ist hier passiert?)", wollte Skye wissen. Von all dem was hier passierte verstand sie nicht viel. Gerade erst hatte sie ihren Bruder sterben sehen und jetzt dieses verlassene Haus.

,,Where are Mom and Dad? And why is Sean dead? I thought they were on a journey. (Wo sind Mama und Papa? Und warum ist Sean tot? Ich dachte sie sind auf einer Reise.)", mit diesem Satz brach ihre Stimme immer mehr, und sie begann zu weinen. Es war Zeit die Wahrheit zu sagen.

,,Hey, don't cry. They are on a journey. It's a journey to heaven, from which they will not come back. You have to be strong now. (Hey, weine nicht. Sie sind auf einer Reise. Es ist eine Reise in den Himmel, von der sie nicht zurückkommen werden. Du musst jetzt stark sein.)", mit dieser Antwort kam Ju mir zuvor. Beim betrachten der Zimmer hatte ich immerwieder Szenen der Vergangenheit vor Augen. Schließlich, in dem Zimmer meiner Eltern überkamen mich all meine Gefühle. Die Trauer und der Hass kamen zurück. Ich verlor die Kontrolle über meinen Körper und fiel auf den harten Boden. Sofort kamen die anderen beiden und Skye versuchte mich auf ihre eigene, süße Art aufzumuntern. Definitiv war sie die stärkste von uns beiden, denn sie stellte ihre Trauer zurück und versuchte mir zu helfen, obwohl sie erst fünf war. Tatsächlich schaffte sie es mich mit ihrer Art zum lächeln zu bringen. Ich schloss sie in die Arme.

,,I'm so proud of you. (Ich bin so stolz auf dich.)", flüsterte ich in diese Umarmung hinein. Wir beschlossen einstimmig dieses Haus wieder zu verlassen und mit ihm alle Erinnerungen zurückzulassen und nach vorne zu blicken. Ich war mir sicher, dass meine Eltern nicht gewollt hätten, dass ich an meiner Trauer kaputt gehe. Ich sollte gerade in dieser Zeit für Skye da sein.

,,Wie geht es jetzt weiter?", fragte ich Julien.





-------------------------------

Erstmal danke für 300 reads, scheint erstmal wenig, aber als ich diese Geschichte angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass überhaupt einer das liest.

Ab jetzt werde ich immer Dienstags und Samstags uploaden und wenn die Motivation da ist, werden auch zwischendurch Kapitel kommen.

Einen guten Rutsch und ein schönes neues Jahr euch :D





Lost (Julien Bam FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt